Ruodperts Weg – Etappe 6 – Fast am Ziel
Als er am Morgen erwachte, fiel nur ein wenig Licht in die notdürftige Unterkunft. Das Feuer war zu einem kleinen Glutnest heruntergebrannt, alle Holzscheite verschwunden. Er musste sie nachgelegt haben, doch konnte er sich nicht daran erinnern. Genauso verschwommen waren die Gedanken an den vergangenen Tag, doch sie waren dunkel und voller Trauer und Schmerz. Er fachte das Feuer kurz an, um sich noch einmal aufzuwärmen.
Als er sich seinen Weg aus dem Unterschlupf bahnte, schien die frühe Sonne auf eine friedliche Winterlandschaft.
Ruodpert baute sein Lager ab, nahm den Stab zur Hand. Er schnitt mit dem Messer 2 gleich lange Stücke von dem Strick ab, der seine Bündel zusammenhielt und band sie sich um die Schuhe, damit er nicht ins Rutschen kommen würde.
Nun trieb er seinen schmerzenden kalten Körper an, sich in Bewegung zu setzen.
Er war noch nicht lange gelaufen, da sah er von einer Lichtung in einiger Entfernung die Rauchsäulen eines Ortes. Er hatte es tatsächlich geschafft, fast den ganzen Wald im Schneesturm zu durchqueren, ohne dass er sich wirklich daran erinnern konnte. Vielleicht war es auch besser, sich nicht zu erinnern.
Er war in der Nacht zwar wohl doch ein wenig vom Weg abgekommen, aber in der verschneiten Heidelandschaft, die an einigen Stellen durch dichte Wälder auf den Hügeln unterbrochen war, sah er in einiger Entfernung ein sich am Hang entlang schlängelnde Linie. Der Weg. Er würde ihn sehr bald wieder erreicht haben.
Mit dem Erreichen des Weges setzte Tauwetter ein. Ein warmer Luftstrom umwehte ihn und von den Bäumen fielen große, nasse Schneebrocken.
Es wurde immer wärmer. Der Schnee war auf seinem Weg schon vollständig geschmolzen und hatte am Wegesrand große Pfützen hinterlassen. Dieses unangenehme Wetter hatte er bereits früher erlebt, als er nach Rom gezogen war. An einem Tag Schnee, am Nächsten drückende Wärme.
Zu der unangenehmen Wärme kam ein stetiger Wind. Wahrscheinlich würde er noch stärker werden und in einem Gewitter münden, vermutete Ruodpert. So wie in den Bergen, die sie Alpun nennen.
Er begann unter seinem Mantel zu schwitzen und zog ihn aus und packte ihn zu seiner Deckenrolle.
Er war unschlüssig, wie er vorgehen sollte. Er konnte es heute noch bis nach Fulde schaffen, doch dann würde er dort erst bei Nacht eintreffen. Er kannte die Gegend nicht und wenn nun ein Gewitter aufziehen würde, könnte dies schlimme Folgen haben. Doch je näher er der Klosterstadt kam, desto höher müsste auch die Wahrscheinlichkeit sein, das es hier befestigte Häuser zur Aufnahme von Reisenden und Pilgern gab, zumindest an der Ortesvesca.
So kam es auch, das er noch vor der einsetzenden Dämmerung auf einem der Hügel einen kleinen eingezäunten Turm sah, der durch eine kleine Rauchsäule zeigte das er bewohnt sein musste.
Der gut angelegte Weg wurde hier allerdings an einigen Stellen schlechter. Das Wasser, das von den Hügeln herunter lief, hatte einige Furchen in den Weg gerissen und Ruodpert musste darauf achten, dass er nicht in eine der Rinnen trat, was bei seiner generellen Ermüdung nicht einfach war.
Ruodpert folgte dem Weg auf den Hügel und erreichte schnell die Palisade hinter der sich ein massiver, hölzerner Turm mit mehreren Stockwerken verbarg. Das Hoftor war nur angelehnt, aus dem Tum drangen Stimmen.Auch die Tür war nur angelehnt. Ruotpert klopfte und trat ein.
“Oh ein Gast, Entschuldige”, sagte eine Wache, “Wir hatten so kurz vor der Wiederkunft des Herren keine Reisenden mehr erwartet, Aber komm rein.” Wir haben mehr als genug Platz und es tut gut eine neues Gesicht zu sehen. Und vielleicht spielst du ja besser Mühle als dieser Vollltrottel da drin.” Er deutete auf eine zweite Wache in der Stube.
Die beiden Wachen waren guter Stimmung und hatten sich ausgiebig an ihren Weinvorräten gelabt. In der Kammer stand ein Kohlebecken, das ein wenig Wärme spendete aber die Luft zum schneiden machte, weshalb die Tür nur angelehnt gewesen war. Erhellt wurde der Raum mit rußigen Talklampen, was der ohnehin schon dicken Luft in der untersten Kammer nicht wirklich half.
Ruodpert spielte einige Runden Mühle mit den Beiden, zog es aber dann doch vor, sich in der oberen Kammer, wo einige Betten zwischen rostenden Speeren standen, zur Ruhe zu betten. Die Wachen zogen es vor noch ein wenig “Wache” zu halten, hielten sich aber rücksichtsvoll in ihrer Lautstärke zurück.
Ruodpert hatte sich auf sein Strohlager gebettet, nicht ohne vorher das Stroh noch etwas aufzulockern um die Kälte nach unten etwas fernzuhalten und um das Ungeziefer zu vertreiben. Der Wind war mittlerweile tatsächlich Stärker geworden und rauschte in den nahen Bäumen und durch die Ritzen des Turms.
Er war bereits weg gedämmert, als es plötzlich donnerte. Der Wind war zu einem Sturm angeschwollen und fegte um den Turm. “Sie kommen” hörte Ruodpert die Wachen rufen, die wie vom Blitz getroffen plötzlich um Turm umher rannten und mit den Speeren fuchtelten. Ruodpert sprang auf und griff einen der Speere, der an der Wand lehnten. Er rannte die Treppe hinauf auf die obere Plattform und ging in Position. In der Ferne erhellten Blitze den Horizont, gefolgt von Donnergrollen. Er sah sich um. Nirgends erblickte er Feinde oder eine sonstige Gefahr. Noch immer stand das Hoftor offen. Hatte ihm seine Dämonen einen Streich gespielt? Er packte eine der planlos umherirrenden Wachen “Was ist los? Welcher Feind greift uns an? Sprich!”
Die Wache war stotterte. “Es ist da!” Woutans Heer!”
“Was sprichst du für einen Unsinn”, fuhr Ruodpert ihn an.
“Der Himmel, der Sturm, sieh ihn Dir an.”, rief die Wache.
“Das ist ein einfacher Sturm und ein Gewitter und vor allem keine Götter der Heiden!. Du bist zwar hier in menschenverlassenen Buchonia, aber nicht in einem gottverlassenen Land , törichter Narr”, dabei lies Ruodpert den Speer in der Hand rotieren, so dass der Eschenholzschafft klatschen gegen die Schulter der Wache schlug. Diese taumelte erschrocken zurück. “In Pannonien hätten wir solche wie euch der decimatio zugeführt!”, entfuhr es ihm im Kommandoton. “Und wenn ihr Feinde vermutet, solltet ihr das verdammte Tor schließen und wahrscheinlich steht die Tür am Turm noch immer offen!”
Er ließ sie verdutzt stehen, warf den Speer in die Ecke und versuchte auf Kommando einzuschlafen, wie er es früher so oft getan hatte.
Ruodperts Nacht war unruhig. Er träumte schlecht, vor allem von seiner Zeit beim Pannonienfeldzug.
Hat mir sehr gefallen und ich habe mich immer auf den nächsten Teil gefreut. Der Text schuf wirklich eine intensive…
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…
Ab heute mit Jahresangaben nach Holozän-Kalender? Ich finde das gut; überlege ebenfalls, den öfter zu verwenden. (Es wird das Jahr…