Ruodperts Weg – Etappe 5 – Flucht im Schnee
In der Nacht hatte der Regen aufgehört und die Wolken hatten einen kalten Sternenhimmel enthüllt. Ruodpert hatte noch an der Morgenmesse teilgenommen, bevor er in der Dämmerung die Klause verließ, nicht ohne vorher noch einmal großzügig in das Töpfchen mit dem Fett zu greifen und den ranzigen Wetterschutz dick auf seinen Schuhen zu verteilen. Es war fast ein bisschen viel Fett gewesen denn fast wäre er auf der abgetretenen Schwelle ausgerutscht, aber er wollte nur weg von hier.
Hinter den Bergen erstrahlte ein blasses Rot und ließ ihn auf die Wärme der aufgehenden Sonne hoffen, denn der Frost kroch schnell unter seine Kleidung. Doch je höher die Sonne von Osten sich über den Grad des Berges schob, desto mehr nahm auch der kalte Wind aus Osten zu und der Wind begann langsam aber sicher dunkle Wolken über den Grat zu schieben und die junge Sonne zu verdecken. Es dauerte nicht lange und der Gipfel war vollkommen in Wolken verhüllt. Auch der Boden veränderte sich. War er zunächst noch feucht mit gelegentlichen Pfützen vom Regen des Vortages, begann er zunehmend hart und gefroren zu werden.
Schon bald begann sich der Nebel in den Bäumen zu fangen und hinterließ weißen Reif.
Auch wenn sich der Nebel nun als Reif in den Bäumen fing und der Wind unangenehm kalt war, ließ das Wetter noch gutes Vorankommen zu. Doch der Himmel bereitete ihm Sorgen. Das weiß des Nebels war mittlerweile einem dunklen Grau gewichen und es war nicht mehr zu erkennen, wo die Sonne stand. Leichter Schneefall hatte eingesetzt.
Zurück konnte er nicht mehr, er hatte fast die Passhöhe erreicht, wo er auf den Ortesveca wechseln wollte. Er drückte sich an einen Baum, nahm die Deckenrolle von seiner Schulter und öffnete das Paket. Er schlung sich die Decken um den Körper und während er wieder begann weiter zu gehen, griff er immer wieder nach möglichst trockenen Ästen auf dem Boden oder an den Bäumen. Vor allem einige harzige Stücke von Nadelbäumen würden ihm später sicherlich nützlich sein. Schon bald hatte er ein ansehnliches, aber schweres Bündel Holz zusammengesammelt, das er unter seinem Mantel trug, um es vor dem immer stärker werdenden Schneefall zu schützen.
Als er die Passhöhe erreicht hatte, war die Sicht immer schlechter geworden, so dass er fast das erste Wegzeichen verpasst hätte, doch noch war es gut erkennbar: Ein großer Steinaufen in dem ein entrindeter übermannshoher Pfahl steckte. Hier musste er nach Süden abbiegen und in einigen passus wieder nach Osten, nun auf den Ortesvesca. Ab hier ließ sich der Weg auch wieder besser erkennen, denn er zeichnete sich klar als Schneise im Wald ab.
Schon jetzt stand ihm der Schnee bis an die Knöchel und erschwerte das Gehen, doch er musste Wegstrecke machen. Immer weiter die Schneise am südlichen Bergrücken entlang, nicht stolpern, gehen. Das Stechen im Bein war wieder da.
Er griff in seine Tasche. Eine runde Dose. Das Siegel des Kaiser. Der Markgraf hatte es ihm anvertraut. Er würde es brauchen.
Der Schnee fiel immer stärker und peitschte ihm ins Gesicht, über das er sich sein Manteltuch gezogen hatte.
Die Dose. Das Siegel. Ohne das Siegel würde man ihn nicht vorlassen. Dux Haio würde nie erfahren, dass Moimarus sie mit den Bulgaren hintergangen hatte. Nicht nachlassen. Nicht jetzt!
Mittlerweile kämpfte er sich durch kniehohen Schnee. Eine Kruste aus Eis und Schnee bedeckte ihn. Erschöpfung kam in ihm hoch.
Sie dürfen ihn nicht kriegen. Er wollte nicht so gottlos sterben wie der signifer oder der Markgraf. Oder wie seine gesamte scara. Und wenn er bis nach Batavis kriechen und durch die Tonach schwimmen musste. Er würde entkommen. Er würde die Seinen warnen.
Die Slawen würden die gesamte Grenzmark auslöschen, wenn er nicht überlebt. Sie hatten versucht, ihn zu foltern, aber brechen konnten sie ihn nicht. Nicht ihn!
Er blickte zurück. Der peitschende Wind hatte seine Spuren sofort verwischt. Aber auch der Weg vor ihm war nicht mehr zu erkennen.
Als er sich suchend umblickte sah er linker Hand, eine gut 30 Fuß hohe Felsklippe mit Spalten und Überhängen. Vor einer Spalte lag ein großer Fels, der von einer Schneewehe umgeben war.
Hier konnte er sich verstecken. Er stapfte zu den Felsen, nahm einige halb unter der Schneelast umgebogene Äst, verkeilte sie mit seinem Wanderstock zwischen den Felsen nahm das große Wolltuch das ihn umhüllt hatte und schüttelte es aus. Er spannt es über die Äste und hatte einen kleinen Unterstand zwischen Felsbrocken und Spalte erzeugt in die er sich nun zwängte. Er griff das Holz das er noch immer umgehängt hatte und baute eine kleine Feuerstelle. Aus der Tasche zog er die Dose in der in einem Wachstuch Schlageisen, Feuerstein und Zunder gewickelt waren. Die Finger schmerzten als er mit einigen schnellen Schlägen Funken schlug und den Zunder zum glimmen brachte. Einige Sekunden später züngelten die ersten zögerlichen Flämmchen empor die er nach und nach zu einem kleinen Feuer fütterte. In seinen normalen Mantel gehüllt, kauerte er sich erschöpft in die Felsspalte. Erst jetzt, wo er sich nicht mehr bewegte, merkte er, wie kalt seine Füße waren. Wie sein ganzer Leib zitterte. Seltsamerweise schmerzte sein Bein, in das die Bulgaren ein glühendes Eisen getrieben hatten, nicht mehr.
Er zog ein paar Stämmchen aus dem Schnee und legte sie an den Rand des Feuer damit sie trocknen konnten und ihm in der Nacht Wärme spenden konnten.
Warum er? Warum hatte er überlebt? Warum konnte er es schaffen zu fliehen? Warum nur?
Hat mir sehr gefallen und ich habe mich immer auf den nächsten Teil gefreut. Der Text schuf wirklich eine intensive…
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…
Ab heute mit Jahresangaben nach Holozän-Kalender? Ich finde das gut; überlege ebenfalls, den öfter zu verwenden. (Es wird das Jahr…