Zu unserem Dreh für Arte
Vergangenes Wochenende habe ich es getan. Ich habe bei Reenactmentszenen für eine Doku mitgewirkt. Mehr noch. Ich stand nicht irgendwo im Hintergrund, ich war Karl der Große bei der Taufe Widukinds. Damit habe ich alles erreicht, was man als Karolinger erreichen kann und ich gehe in Rente…
Der Film, ein 90-Minüter, mit dem Arbeitstitel “Sachsen – von Piraten zum Kaiser”, wird wohl Anfang nächsten Jahres zunächst in Arte und im Sommer dann in den Dritten laufen.
Na gut, in Rente gehe ich nicht. Aber bisher habe ich nur auf der anderen Seite der Mattscheibe gestanden, nun kann ich aber aus dem Nähkästchen plaudern, wobei diese Reenactmentszenen wohl nicht exemplarisch für Histotainment sind. Dabei bekommt auch die Gegenseite, gemeint ist das Filmteam, ein menschliches Antlitz und man bekam einige Erklärungen für das, was man manchmal sieht.
Regie führte Volker Schmidt, der auch für Terra-X schon “Der Dreißigjährige Krieg” drehte (No Comment), der sich aber mit uns auf ein Experiment einließ. Schon im Vorfeld hatten wir deutlich gemacht, dass wir uns keinen Dreck auf Klamotte oder Rüstung schmieren lassen wollten, stattdessen wurden Waffen und Rüstzeug poliert.
Jedoch kam es etwa zwei Wochen vor dem Dreh zu einer kurzen Diskussion, bzw. Unstimmigkeit. Das Gesicht des ursprüngliche Karl war bereits als Otto bei der Kaiserkrönung verbrannt worden, weshalb ich auf Grund der Seide an meiner Tunika und dem Seidenmantel von “Kaiser Otto” ( Thomas Günter) für die Rolle vorgeschlagen wurde. Ich sagte zu und bekam kurz darauf eine Anfrage des Filmteams wegen meiner Kleidergröße, denn man wollte was aus dem Fundus organisieren. Ich antwortete darauf, dass ich alles hätte, aber gerne die Stiefel aus Grab 1 von St. Ulrich und Afra nehmen würde. Gab aber brav meine Größe an.
In unserer Orga Gruppe sorgte das für Erheiterung und Verwirrung gleichermaßen. Letztendlich war es wohl so, dass hier eine historische Beraterin meinen Seidenmantel für Kunststoff hielt… Ironischerweise habe ich von der Dame nie wieder etwas gehört und Karl trägt nun eben diesen Seidenmantel.
Nun prallen beim Filmdreh grundsätzlich zwei Welten aufeinander: zum einen LH- und Geschichts-Enthusiasten die alles möglichst authentisch haben wollen und ein Kamerateam auf der anderen, das versucht, Bilder fernsehtauglich zu machen.
Ich hatte mir im Vorfeld nochmal vieles von Volker Schmidt angesehen und schon da fiel mir viel Nebel auf, oder wie es beim Team hieß: “Haze”. Dieser “Haze” sollte zwar auch mystisch wirken, war aber für die Macher die filmische Version des “Fog of War”, bzw. “Fog of weiß-man-ja-nicht-genau”, oder eben der “Nebel der Geschichte”. Der Nebel, oder von mir aus auch “Haze”, soll also zeigen, dass das Gezeigte lediglich Mutmaßung ist. Muss man nur auch wissen, für mich war das einfach Nebel für die Stimmung und eine Metaebene war mir da bisher entgangen.
Am besten lassen sich aber Teile unserer Einflussnahme an einer Szene erklären: Der Taufe Widukinds. Die wirkliche Taufe Widukinds fand 785, wahrscheinlich zu Weihnachten, in der Kirche der Pfalz Attigny statt. Wir aber hatten weder Weihnachten noch die Pfalz Attigny.
Johannes Guilleaume (Austrasigenae), als auch ich, hatten uns um die Szene Gedanken gemacht. Da Johannes den Bischof spielte und auch sonst das Kirchliche sein Metier ist, überließ ich ihm gerne das Feld für die religiöse Handlung und Zeremoniell, während ich mich um den Hofstaat kümmerte.
So musste etwa eine Fastrada her, da die Königin die Oberhoheit über die Höfe und Geschenke hatte und ihr dann entsprechend der Kämmerer, der Säckler und der Zahlmeister unterstanden. Zudem ist zu vermuten das sie am Weihnachtsfest anwesend war. Sie war also für die “reichen Geschenke” verantwortlich die Widukind von Karl erhielt. Dafür hielt sie symbolisch einen Ballen Seide in der Hand, während von der Seite dann ein Schmuckkreuz und ein Schwert hinzukamen.
Da wir nun keine Pfalz Attigny, keine Kirche und auch kein Taufbecken hatten, sondern nur die Tilleda und einen Bottich, wobei nicht klar ist ob an Widukind noch die Immersionstauf oder schon die Infusionstaufe erhielt, musste eine Freifläche und der Bottich mit simulierter Immersionstaufe herhalten.
Nachdem Johannes sein Zeremoniell auf das Nötigste eingedampft hatte, er hätte ohne Probleme ein komplettes Hochamt durchführen können (und hätte das auch getan!), positionierten wir uns an den Stellen, an denen es durchaus realistisch sein könnte. Da der Bottich sehr hoch war, Jörg Stolzmann als Widukind noch sehr viel größer, und ich als Karl der Große sehr klein bin (welche Ironie), musste ich mit Fastrada auf eine Bank hinter dem Bottich steigen. Das wiederum ermöglichteste es mir möchlichst abfällig und dominant auf den Täufling zu blicken.
Nachdem wir uns so alle positioniert hatten, wurden die Kameras eingerichtet und nur noch Feinheiten umgestellt (“Bei der Einstellung gehst mal einen Schritt nach rechts, damit die Kamera das Gesicht kriegt.”. solche Sachen) und “Haze” wieder eingebracht.
An dieser Stelle möchte ich auch erwähnen, dass alle verwendeten Requisiten von uns kamen! Sogar meine Krone hatte ich vorher im Eilverfahren zusammen gedengelt, weil ich unbedingt Pendilien an meiner Krone haben wollte und mich nicht auf Plastikrequisiten verlassen wollte.
Natürlich gab es auch Sachen die eher etwas doof waren, wie „nehmt den Schild etwas runter, damit man das Gesicht sieht” oder uns in Karolinger Klamotte in der VWZ in den Hintergrund zu setzen. Es sollte aber nicht ganz so dramatisch sein. Aber letztendlich kommt es darauf an was im Schnitt daraus gemacht wird, ob die Bilder entsättigt oder sonstige Filter verpasst bekommen usw. Sachen auf die wir dann keinen Einfluss haben. Es gab noch einen weiteren Knackpunkt, auf den ich hier aber nicht eingehen möchte. Wer dabei war weiß , wovon ich rede.
Laut Volker Schmidt war ein weiteres Experiment seine Arbeitsweise. Gefilmt wurde, wie wohl bei ihm üblich mit 3 Kameras (Canon DSLR) gleichzeitig, in 50 oder 100FPS, wohl um etwas Luft für Zeitlupendramatik zu haben. Bei uns kamen aber mitunter 2 weitere Kameras und eine Drohne ( sah stark nach einer DJI aus) zum Einsatz.
Auch über die Situation der Dokus allgemein hatte ich mir noch einmal Gedanken gemacht, denn den Konflikt auf einen Konflikt zwischen Szene und TV runterzubrechen greift viel zu kurz. Denn all diese Menschen die dort uns filmten, beleuchteten, Drohnen flogen und ähnliches sind alles Freiberufler. Die wiederum arbeiten für eine Produktionsfirma und die muss das geplante Projekt erstmal einem Sender pitchen. Wir haben also eine Menge Zwischenstufen, an denen ein realistisches Projekt scheitern kann. So kann eine Filmcrew das gut Finden und der Sender könnte es auch gut finden, bekommt es aber nie zu Gesicht weil die Produktionsfirma zwischendrin sagt “Nein, das ist uns zu risikoreich”. Das wollte ich nur angemerkt haben bevor mir der Gedanke wieder entfleucht.
Sorry, hat etwas gedauert... Ist aus einem Plan der sich bei Rudolf Kautsch, Der Dom zu Worms (1938), aber auch…
Hi, zur Baugeschichte des Doms: "Das Langhaus besitzt die Abmessungen des heutigen Domes und endet an einem Spannfundament am zweiten…
Man könnte hier auch noch den Bericht der Annales Nazariani zum Tassilo-Prozess in Ingelheim 788 anführen: "Und als das so…
Hat mir sehr gefallen und ich habe mich immer auf den nächsten Teil gefreut. Der Text schuf wirklich eine intensive…
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl