Des Kaisers alte Kleider: Die Beinlinge Heinrichs III
Der Titel wäre eigentlich gut für eine ganze Serie, aber im Moment wollte ich mich einmal schnell mit den Beinlingen Heinrichs III befassen. Hintergrund ist das ich seit etwa 10 Jahre schöne diamantköpergebundene Wolle zu Hause hatte, die leider etwas Gilb angesetzt hatte und ich den Zwang verspürte diese zu verarbeiten. Nun hatte ich die Wolle rot gefärbt und hatte vor einiger Zeit die Form von Beinlingen angenommen um sie als Strümpfe für meinen Karolinger zuverwenden. (Ich hatte über das warum hier geschrieben) Als Schnitt verwendete ich den der Beinlinge Heinrichs III. und da ich mich mit denen befasste, möchte ich noch einmal darüber schreiben, zumal ich mit denen ein paar Probleme habe.
Als Quelle diente mir ein PDF des Hornemann Instituts, welches für die Konservierung der Beinlinge zuständig war1, denn ich war zwar damals in der Ausstellung „Des Kaisers letzte Kleider“, hatte aber versemmelt mir den Katalog zu kaufen und nun gibts den nirgendwo…
Zum Fund der Beinlinge: Das recht etwas an Kleidung aus den Kaisergräbern in Speyer erhalten blieb ist ein kleines Wunder. Als erstes wurde in Speyer Kaiserin Gisela, die Frau Konrads II. beigesetzt. danach Konrad II. und später sein Sohn Heinrich III. und später dessen Sohn Heinrich IV. Ihre Gräber waren ursprünglich als Platten vor dem Altar und im Boden zu sehen. Als dann der letzte Salier Heinrich V starb, wollte man scheinbar die Symmetrie der Gräber nicht zerstören, erhöhte den Boden und packte dann den Sarg Heinrichs V. darauf. Da der aber verlängert wurde und ein unschöne Flickstelle hatte wurde der Boden nochmals erhöht so das nur noch die Verschlußplatte zu sehen war. Mit der Zeit kamen weitere Gräber dazu: Philipp von Schwaben, Beatrix , die Frau des Staufers Barbarossa, sowie dessen Tochter Agnes, König Albrecht von Österreich, König Adolf von Nassau und diverse andere. Später wurde der Boden nochmal erhöht und eine Tumba darauf errichtet auf der Platten die Namen der Beigesetzten trugen.
1688 besetzten französische Truppen im pfälzischen Erbfolgekrieg Speyer und 1689 plünderten sie die Kaisergräber. D.h. nicht alle. Man bohrte mit schwerem Gerät und stieß auf die obere Lage der Gräber und verwüstete diese bis auf Philipp von Schwabens Grab. Mit Heinrich III Kopf sollen sie gerüchteweise gekegelt haben. Ob das stimmt sei dahin gestellt, der Kopf fehlt aber bis auf den Unterkiefer. Die Sage will es das Heinrich V mit Helm, Schild und zerbrochenem Siegelring, als Zeichen das er der letzte seiner Familie war, beigesetzt wurde. Aber auch das kann niemand mehr bestätigen.
Die Franzosen bohrte mit einem Minenbohrer noch tiefer, verfehlten aber die darunter liegenden Gräber und so blieben diese erhalte. Bis sie dann im Jahr 1900 geöffnet wurden. Und dort wurden dann unter anderem die Reste der Kleidung geborgen. (Wer sich die Geschichte der Öffnung durchlesen möchte, Hermann Grauert, der bei der Öffnung mitwirkte, hielt Ende 1900 darüber einen Vortrag über die Öffnung , der als PDF hier lesbar ist)
Die Beinlinge Heinrichs III. und daraus resultierende Irritationen
Heinrichs Beinlinge waren aus Seide gefertigt, wobei jedes Bein aus 4 Teilen zusammengenäht wurde. Die Beinröhre wurde am oberen Ende um einen Keil erweitert und war über der Ferse zusammengenäht. Die Naht lief bis unter den Fuß. Der vordere Fuß war angesetzt und besaß ebenso eine angenäht Sohlenpartie. Die Länge bis zur Ferse beträgt 100cm, der Bund am Oberschenkel jeweils 84cm.
Was mich tatsächlich irritiert ist die Größe der Beinlinge. Bis auf den Keil am oberen Ende der Beinlinge entspricht der Schnitt der Meinen exakt denen Heinrichs. Leider fand ich keine Angaben über die Größe Heinrichs III. oder seiner Knochen. Nur von Heinrich IV. weiß ich das er recht groß gewesen sein soll. Was auch immer das bedeuten mag. Um also einigermaßen einen Wert über die Körpergröße Heinrichs III zu bekommen muss ich ein bisschen rechnen.
Die Länge meiner Beinlinge beträgt bei 172cm Körpergröße 84cm bis zur Ferse, die Weite am Oberschenkel ist 56cm. Sie sind bequem zu tragen und passen ohne Probleme über meine Wollhose. Das Verhältnis der Innnenbeinlänge zu Körpergröße ( Innenlänge/Körpergröße) liegt im Normalfall zwischen 0,45 und 0,5. Bei mir ca. 0,488
Für Heinrich III rechne ich nun Rückwärts. Da die Beinlinge nicht wie später am oberen Ende in eine Spitze auslaufen die in Richtung der Hüfte läuft und dort mit Nestelbändern am Leibgurt befestigt war, gehe ich zunächst davon aus, das die 100cm Länge identisch mit der Innenbeinlänge sind. Für Heinrich III bedeutet das bei einer Idealproportion von 0,475 (100cm/0,475) Heinrich III 210cm groß gewesen wäre. Das kann nicht stimmen!
Die Rekonstruktionen der Beinlinge als solches ist aber gar nicht sicher. So ging man in älteren Rekonstruktionen davon aus, das die Keile geöffnet waren und um die Hüfte geschlungen wurden. Wenn dem so wäre kann man ca. 20cm von der Länge abziehen, also vom Schritt bis auf Höhe der Hüftknochen. Nun sieht es bei der Rechnung besser aus. (80cm/0,475) Demnach wäre Heinrich III etwa 180cm groß. Ein Wert der für eine gut genährte Person hohen Standes durchaus normal sein kann.
Aber schauen wir uns noch mal die Weite am Oberschenkel an. Bei Heinrich III sind 84cm angegeben. Bei mir sind es 56cm. Mein Quelle schreibt zur Größe: „Die obere Weite von ca. 84 cm eines jeden Beinlings und ihre Länge von 100 cm ermöglichen ein bequemes Tragen.“ Nun habe ich mal fast 60kg mehr als heute gewogen und meine Wollhose stammt noch aus dieser Zeit2 , aber auch so kommt sie bei weitem nicht an die Größe Heinrichs III heran. Sie hat eine obere Weite von lumpigen 62 cm!
Ich fasse nochmal zusammen: Wenn Heinrich III seine Beinlinge/Strümpfe wie Pontifikalstrümpfe trug, müsste er 2,10 m groß gewesen sein und Beine wie Baumstämme gehabt haben!
Wäre er aber ca 1,80 m groß, bei normaler Statur, gewesen und die Beinlinge wie im Text beschrieben lediglich am Leibgurt befestigt gewesen wäre, analog zu Abbildungen von Beinlingen des Hochmittelalters, wären sie bei der Weite nach unten gerutscht ohne weitere Befestigung. Selbst wenn man davon ausgeht, das die gefunden Seidenbänder als Knieriemen gedient haben könnte, wäre der ober Teil der extrem weiten Beinlinge darüber gerutscht und hätte einen Wulst gebildet.
Die von mir genutzte Quelle gibt nun als Zitat die Notziten zur Grabung an. Darin heißt es zunächst das man den Unterkörper Heinrichs III als Ganzes dem Grab entnehmen konnte. Die Nähte der Beinlinge waren zum Teil schon vergangen, so das die Reste aufgetrennt werden konnten und die Knochen entnommen wurden. Zwar war der Stoff stark verschlissen , aber große Stücke konnten gut geborgen werden und „auch der Schnitt vollständig sicher abgenommen und die Hose auf roter Seide wieder haltbar montiert werden“.
Demnach werden die Beinlinge dann wie folgt beschrieben: „(…) für jedes Bein eine eigene Hose. Vom Gürtel bis zum Fuß [sic] in einem Stück geschnitten, an der Rückseite bis auf den Bauchschlitz zusammengenäht. (…) Die Hosen sind am oberen Ende sehr weit, so daß sie sowohl am Bauch wie am Kreuz mehrfach übereinander gefaltet werden konnten (…)„.
So wurden sie auch wurden sie dann entsprechend auch ausgestellt. Erst bei den letzten Konservierungen hegte man Zweifel an dieser Ausführung. War doch kein vergleichbares Modell bekannt. Also entschied man sich die Beinlinge wie hochmittelalterliche Beinlinge zu rekonstruieren.
Letztendlich habe ich für das Problem auch keine Lösung. Einige Sachen geistern mir jedoch im Kopf herum. Aus einem Grund den ich nicht fassen kann erinnern mich die Wicklungen der Hosen in der ursprünglichen Rekonstruktion an liturgische Kleidung, vielleicht durch das Humerale in katholischen Kirche (war mal Ministrant, da hat man sowas noch schwach im Kopf).
Ich hatte mich mal grob umgeschaut ob ich Beinkleider einer ähnlich Richtung vielleicht aus Byzanz finden kann, aber auch hier musste ich mich geschlagen geben.
Andererseits frage ich mich in welchem Zustand der Körper Heinrichs III. war als man ihm seine Funeralkleidung anzog. Er starb am 5. Oktober 1056 in Bodfeld. Von dort aus brachte man die Leiche nach Goslar wo die Eingeweide entfernt und beigesetzt wurden. Dann wurde der Körper nach Speyer gebracht und dort am 28. Oktober beigesetzt. Man hat den Körper also 23 Tage durch die Gegend getragen, sicherlich gewaschen und entsprechend mit Ölen behandelt. Aber taufrisch war sicherlich etwas anderes. War die Weite und die Befestigung der Beinkleider vielleicht eine Notlösung weil der Körper entsprechend aufgequollen war?
Wenn jemand ne Idee hat, oder was weiß, nur raus damit!
Online hier: https://www.hornemann-institut.de/german/epubl_txt/2012_KURProjekt_Kaufmann.pdf ↩
Ich denke gar nicht daran die auszutauschen, die ist Diamtköper handgewebt!! ↩
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…
Ab heute mit Jahresangaben nach Holozän-Kalender? Ich finde das gut; überlege ebenfalls, den öfter zu verwenden. (Es wird das Jahr…
Großartig! Und deprimierend. Ich habe den Artikel von Google News vorgesetzt bekommen, und er war völlig in style. Vom letzten…