Der Weg zur ottonisch-salischen Pfalz Tribur – Teil 4 – Saalbau 2
Durch den vergleich mit der 1020 geweihten Thomaskapelle haben wir eine Zeitstellung in der wir die Marienkapelle datieren können. Wir haben einen Plan wie die Saalbauten des 11. Jahrhunderts aufgebaut waren. Nun sollte sich doch, in einem gewissen Rahmen herausfinden lassen wo sich in der Pfalz Tribur der Saalbau befunden haben könnte.
Sehen wir uns zunächst einmal einen Katasterplan von Trebur von ca. 1890 an. Er ist die älteste, Bildliche Quelle zur Parzellenaufteilung in Trebur. Mit seiner Hilfe und einem ältesten, sich zuordnen lassenden Brandkataster von 1777, könne wir einen Blick auf die Besitzverhältnisse werfen. Uns interessieren in diesem Moment zunächst nur die Gebäude und Grundstücke die im Besitz der Gemeinde oder der Landesherrlichkeit, in unserem Fall die Landgrafen von Hessen Darmstadt als letzte Nachfolger des Münzenberg Erbes und Erbe der Herrn von Katzenelnbogen, sind. Bei diesen Grundstücke besteht die größte Möglichkeit da sie noch aus der Zeit der Pfalz in den im Besitz sind. Zumal je attraktiver ein Grundstück ist, etwa durch Bebauung oder Lage, desto länger bleibt es in Besitz.
Zur besseren Lesbarkeit habe ich die Grundstücksnummer noch einmal leserlich auf der Karte notiert.
- 605/606 Das Pfarrhaus, bis 1664 Landesherrlich, dann als Entschädigung an St.Alban ,die kümmerten sich um St. Laurentius nachdem St Alban 1557 als abgebrochen bezeichnet wird, dann im Besitz des Domstifts Mainz (und das im protestantischen Trebur!) wird ab 1794 wieder landesherrlich. Wobei der Pfarrgarten (606) ursprünglich tiefer lag und später erst verfüllt wurde, wie bei allen Gärten im Osten.
- 614/615 Die Kaplanei. Da das Pfarrhaus ja St. Alban/ dem Domstift gehörte musste der ev. Pfarrer eben dort Wohnen, später Lehrerwohnung. 615 ist dabei ein niedriger liegendes Gartenstück.
- 622/23, die Knabenschule, auf den Grundmauern der Marienkapelle, wobei der Garten 623 höher liegt, etwa auf dem Niveau der Laurentiuskirche 604
- 602/603 – „Die Mägdleinschule“ , heute als Mädchenschule bezeichnet. Gebaut 1715.
- Das Große Haus ( im Bild links oben am Rand das zugehörige Gartengrundstück) war im Besitz von St. Alban, ging dann an den Landgrafen und weiter in Privatbesitz, über das links an die Marienkapelle anschließende Grundstück sind die Besitzverhältnisse zuvor unbekannt. 1777 war es Privatbesitz (Es wird aber im folgenden noch kurz erwähnt werden)
Die Frage die sich nun stellt, ist die Frage ob es irgendwo auf diesen Feldern, ausgehend von der Marienkapelle eine sinnvolle Anordnung für einen Saalbau mit ca. 40 bis 50m länge gibt?
Tatsächlich gibt es nur eine Möglichkeit für ein solches Gebäude. Schauen wir uns die Areale einmal an:
Leider ist nicht bekannt mit was, oder ob überhaupt der Bereich der Mädchenschule vor 1715 bebaut war. Die Grundstücksform, bzw. die Ummauerung der Laurentiuskirche lässt vermuten dass dass Grundstück der Mädchenschule einst zur Laurentiuskirche gehörte und von diesem weggenommen/abgetrennt wurde. Zugleich scheint aber das Grundstück bzw. Die Mauern des Kirchhofs ebenfalls auf die Gartenparzelle der Marienkapelle/Knabenschule zuzulaufen. Dabei könnte es durchaus möglich sein das kleine Gartengrundstück neben dem Garten der Marienkapelle/Knabenschule mit einschloss. Die Mauer dieses Grundstücks (heute Obere Pforte 5) ist die Fortsetzung der Mauer die das Grundstück der Marienkapelle umgibt (Heute unterbrochen durch einen wiederhergestellten Brunnen unbekannter Datierung), die eigentliche Mauer endet mit einem leichten Knick an der Toranlage des Hofs. Die Besitzverhältnisse vor 1777 sind unbekannt, jedoch war das Grundstück bebaut, An dem heutigen Haus ist ein Schild mit der Aufschrift „Anno 1778“ angegeben. Ob Das 1778er Haus mit dem 1777 Haus identisch ist lässt sich nicht sagen.
Durchaus möglich ist, dass Anhöhe der Laurentiuskirche im 17. Jahrhundert noch bis zur Marienkapelle gereicht haben könnte und die Durchfahrtsstraße erst mit dem Bau der Mädchenschule entstand. Ein Hinweis könnten auch die Straßennamen geben. Von der Groß Gerauer Straße bis Obere Pforte 5 wurde die Bezeichnung „Kirchgasse“ verwendet. Nach der Oberen Pforte 5 galt die Bezeichnung „Bei der Kirche“. Dies Gilt für die Kirche, das Pfarrhaus, die Mädchenschule, die Knabenschule, sowie für zwei Grundstücke die an das Pfarrhaus anschließen (Auf dem Plan rot umrandet). Die weiteren Häuser auf dieser Seite, also gegenüber der Knabenschule/Marienkapelle werden als „Kaplaneygaße zur Linken Hand“ bezeichnet (Linke Hand, bzw. rechte Hand bezeichnet die Lage rechts oder links der Straße, in der Kaplaneigasse gab es jedoch kein Rechte Hand. Jeweils aus der Perspektive des Erfassenden Beamten der das Kataster erstellte). Was auch bedeutet das die Kaplaneigasse von der Nauheimer Straße ausgehend erfasst wurde. Die Kirchgasse wurde von der Groß-Gerauer Straße kommen erfasst, auf die Kirche zulaufend. bei der Bezeichnung „Bei der Kirche“ steht alleine für sich ohne links/rechts Angabe im Brandkataster. Was nördlich der Marienkapelle lag, und eigentlich „Kaplaneygaße zur Rechten Hand“ hätte heißen müssen, nennt sich Beßheimergaße zur Rechten Hand“ und zählt damit zur heutigen Nauheimer Straße. Dies rührt wohl daher das das Hofgelände bis zur Nauheimer Straße reicht und auch von dort über ein Tor erschlossen wird.
Wie bereits angedeutet gibt es von der Fläche her letztendlich nur ein Bereich der uns ausreichend Raum bietet. Von der Marienkapelle aus in Nord-Süd Richtung zur Laurentiuskirche laufend. Ein hier stehender Saalbau könnte/ würde sich dann repräsentativ nach Westen, zum Platz der Oberen Pforte hin, öffnen.
Ich versuche nun den potentiellen Verlauf nun näher zu Betrachten. Hierzu habe ich eine etwa 10 Jahre alte Katasterkarte genommen, da diese genauer ist als das was 1890 im verfügbar war und im Gegensatz zur neusten auch grundstücksbegrenzende Mauern einzeichnet, als Overlay den Grundriss der Marienkapelle, als auch einen Plan Diefenbachs der Laurentiuskirche passend eingefügt und sowohl die Flucht der Schmalseite der Marienkapelle zur Laurentiuskirche verlängert, als auch die Flucht der Laurentiuskirche zur Marienkapelle verlängert. Für die Laurentiuskirche habe ich dies noch mit der Flucht der westlichen Seite des Querhauses wiederholt
Da die Ausrichtung der Beiden Gebäude um ca. 4,5° von einander abweichen erhalten wir zwei verschiedene Linien. Linie Blau (von Marienkapelle ausgehend) und Linien Rot (von der Laurentiuskirche ausgehend)
Beobachtungen:
- Linie Blau läuft auf den Bereich vor der Laurentiuskirche zu. Meine erste Vermutung war, sie könnte die Nord-Süd verlaufenden Mauerreste vor der Kirche treffen, weshalb ich nochmals das Overlay zur Laurentiuskirche einfügte. Sie treffen nicht auf diese Mauer! Und dennoch möchte ich einen irgendwie gearteten Zusammenhang nicht endgültig verwerfen. Diese Mauern wiesen in der Untersuchung eine „eingeschwemmte, buchblätterartige Schicht“ auf, die auf eine längere Zeit offen Liegende Baustelle hindeutet, also einen Baustopp zu einem gewissen Zeitpunkt markiert.
- Linie Rot läuft, von der Laurentiuskirche kommend, direkt auf die Süd-West-Ecke der Marienkapelle zu. Nun gehe ich von gewissen Ungenauigkeiten aus, sowohl bei meiner Zeichnung als auch auf Grund der Qualität der zu Grunde liegenden Karte (Auflösung der Karte). Dennoch sind wir bei etwa 1-2° Abweichung durchaus noch im Toleranzbereich bei meiner Zeichnung. Obwohl beide kirchlichen Gebäude im Ursprung nicht zeitgleich errichtet wurden, zeigt sich doch ein Bezug zueinander
Fazit:
Eine sinnvolle und für einen Saalbau der typisch für die Zeit des späten 10./ 11. Jahrhunderts findet sich im Areal nur an einer Stelle. Von der Marienkirche zur Laurentiuskirche führend. Grundlegend würde dieser ein Schema wie in Bamberg aufgreifen.
Die Argumentation, Trebur könnte, als ländliche Pfalz, lediglich Gebäude aus Holz besessen haben ist durchaus gerechtfertigt, entbehrt aber letztendlich jeder Grundlage. Gerade die Forschung der letzten Jahre hat gezeigt, das auch ländliche Pfalzen, so etwa der Königshof Zizers (ch), einen steinernen, wenn auch schlichten, Vielzweck-Saalbau besaß. 1 Zu dem ist das Argument der „ländlichen Pfalz“ auf Trebur nur bedingt zutreffend. Die Vermutung einen Königshof zu installieren, der für den Zweck der Festkrönung zwei Kapellen besitzt, sonst aber lediglich mit Holzgebäuden ausgestattet2 ist entbehrt jeder Grundlage. Zumal Trebur mit einer solchen Ausstattung wohl kaum Ingelheim und Frankfurt hätte ersetzt haben können.
Archäologie: Hier kann vorgebracht werden, das es keinerlei verifizierte archäologische Belege dafür gibt. Dies ist korrekt. Die Grabungen die von Diefenbach und Müller 1934 und 1953 in Trebur durchgeführt wurden beschränkten sich in der Hauptsache auf die Laurentiuskirche, wobei hier der Westen den Vorzug hatte. Zwar grub Müller auch an der Nord-West Ecke. Dies aber hauptsächlich um die bei Grabungen gefundenen Knochen früherer Begräbnis wieder beizusetzen. Durch die Nutzung des Areals als Friedhof bis in die Neuzeit könnten vielfach Mauerreste zerstört worden sein. Wenn dann wären sie lediglich in größerer Tiefe zu finden. Weitere Schäden an archäologischem Material traten bei dem Einbau der im Norden, außerhalb der Kirche gelegenen Heizungskellers auf, der nicht archäologisch überwacht wurde. Gleiches gilt für Straßenbauarbeiten vor der Mädchenschule. Einzig und alleine der Garten der Marienkapelle scheint relativ unbearbeitet, wobei hier auch einen Nutzung für Begräbnisse nicht ausgeschlossen werden kann. Aus dieser Perspektive heraus wäre eine Grabungsschnitt, oder zunächst eine Prospektion mittels Georadar im Bereich des Gartens der Marienkapelle wünschenswert.
Anmerkungen:
Nicht verifizierbare, bzw. berücksichte Hinweise, die aber ins Gesamtbild passen würden:
- Mir wurde berichtet das bei Straßenbauarbeiten der 1980er Jahre Mauerreste vor der Mädchenschule gefunden wurden, die nord-südlich verliefen, aber nicht vermessen, gemeldet oder fotografiert wurden.
- Der Keller der Mädchenschule, er befindet sich in quadratischer Form nur im Westen der beiden Gebäuden soll einem Karner/Ossuarium (Beinhaus) ähnlich sein. Wenn dies stimmen würde hätte es einst als Beinhaus für den Friedhof der Laurentiuskirche gedient. Als solches hätte es aber auf einer Höhe mit dem Kirchhof liegen müssen, sprich diese Stelle wurde erst später vom Kirchhof abgetrennt.
Und das Große Haus?
Ich persönlich schließe das Große Haus, bzw. die West-Ost Ausrichtung des Saalbaus vom großen Haus zur Marienkapelle aus. Erstes Argument dagegen wäre die Lage am ungeschütztesten Punkt der Anlage, parallel zur Nauheimer Straße, das aber noch schwerwiegendere Argument ist das im Garten des Großen Hauses, wie auch im Pfarrgarten bereits einmal archäologische Sondagen stattfanden. Es konnten keine Siedlungsrückstände gefunden werden!
Information: http://www.churerzeitung.ch/pages/archive/201601/zizers.pdf und https://www.ikonaut.ch/portfolio/koenigshof-zizers/ ↩
früher hätte ich „besserer Campingplatz“ geschrieben ↩
Hat mir sehr gefallen und ich habe mich immer auf den nächsten Teil gefreut. Der Text schuf wirklich eine intensive…
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…
Ab heute mit Jahresangaben nach Holozän-Kalender? Ich finde das gut; überlege ebenfalls, den öfter zu verwenden. (Es wird das Jahr…