Augmented Reality und Rekonstruktionen: Burg Falaise
Bei jedem meiner bisherigen Normandie Aufenthalte besuchte ich die Burg Falaise. Seit 2006 vier mal.
Zwischen 1987 und 1997 war die Burg renoviert, restauriert und wieder begehbar gemacht worden, wobei die Restaurierung fehlender Bauteil mit Stahl, Beton, Glas und einem Teflontuch als Dach nicht unumstritten war, aber eine gute Lösung darstellt um zwischen Rekonstruktion und Original zu unterscheiden.
Durch meine Besuche konnte ich auch die Veränderungen in der Ausstellungstechnik verfolgen. Zu meinem ersten Besuch gab es lediglich gedruckte Führer in Form von Flyern durch die Räume die mit Schautafeln ausgestattet waren. Über die Zeit wurden Audioguides eingeführt. Die Räume optisch aufgehübscht. Projektoren zeigten Filme oder warfen Bilder von Teppichen auf Wände und Böden und erzeugten so die Illusion von früheren Zuständen.
Nun sind einige Jahre ins Land gezogen und wieder hat man sich dem Fortschritt und der Technik angepasst. Schon der Eingangsbereich wies Veränderungen auf. Fast alle Mauern und Bastionen der Vorburg waren begehbar, wobei gleich neben dem Tor in einem Raum eine Film mit Rekonstruktionen der Anlage aus den Zeiten 1027, 1160, 1250, 1450 und Gegenwart gezeigt wurde.
Über das ganze Gelände der Vorburg, aber auch später auf dem Donjon, stehen schmale rote Säulen mit 2 Okularen, ganz ähnlich wie Bezahlfernrohre. Schaut man hindurch sieht man erst einmal schwarz. Dreht man nun aber das Rad an den Seiten, klappt man im Inneren eine Spiegel um und blickt auf auf eine 3D-Rekonstruktion mit dem Blick , den man eben an jener Stelle zu einer frühern Zeit gehabt hätte. Auf den Säulen finden sich noch weitere Informationen zu dem Blick (englisch und französisch) und ein QR-Code, die jedoch bis auf einen zur Zeit noch ins Leere führen.
Die eigentliche große Veränderungen kommen aber im Inneren. Die Audioguides sind verschwunden, stattdessen bekommt man im Eingangsbereich ein IPad in die Hand. Darauf sieht erst einmal nicht sonderlich viel, nur das Bild das die Kamera des Apple Produkts (Alle Markenzeichen sind überklebt bzw. nicht sichtbar, wohl kein Sponsoring) auf dem in der Mitte ein Fadenkreuz mit nervösem Rahmen leuchtet. Sobald man das Fadenkreuz aber auf bestimmte markierte Punkte richtet die wie große Münzen aussehen, beginnt sich um das Fadenkreuz ein gelber Ladebalken zu füllen, das Bild blendet über zu einer digitalen Rekonstruktion des Raumes in der man frei umherblicken kann. Durch den Raum zu gehen ist nicht möglich. Die Darstellung sind schön gerendert und sparsam, aber ausreichen animiert. Da sprühen Funken aus dem Kohlebecken und der Kamin knistert angenehm wenn man auf ihn blickt. Zusätzlich kann man sich beachtenswerte Punkte anzeigen lassen und bekommt dazu einen erklärenden Text. An zwei Stellen kann man sich umlaufende Wandbemalungen ansehen, die man dann mit dem Pad bequem durchscrollen kann. Lediglich die Rückkehr zum normalen Fadenkreuz aus dieser Anzeige zeigte war etwas hakelig und ich weiß nicht wie ich es letztendlich hinbekommen habe.
Daneben erzählen Wilhelm der Eroberer, Elenonore von Aqutanien, Johann Ohneland und Andere als Videoprojektionen an den Wänden ihre Lebensgeschichte und ihre Beziehung zu Falaise. Die Personen sind von Schauspielern dargestellt und ihre Kleidung nach zeitgenössischen Darstellungen gefertigt. Am Ende ihre Erzählungen nehmen die Personen die jeweilige Position der Abbildung ein und das Bild überblendet zu dieser und verschwindet dann ganz um kurz darauf wieder von vorne zu beginnen. Die Damen und Herren sprechen im Französisch und sind aber auch Englisch untertitelt.
Für Besucher die die Burg, den Geburtsort Wilhelm des Eroberers, zum ersten Mal Besuchen sei gesagt das die Auschilderung des Rundweges zwar gut ist, man jedoch leicht das Hinweisschild in den Keller, bzw. den Lagerraum des Rundturmes verpassen könnten. Wobei auch hier das Pad helfen kann. Denn hier finden sich auch Pläne der Gebäude und eine Prozentangabe ob man alle Punkte abgegangen ist.
Alles in Allem handelt es sich hier um ein State-of -the Art System , das hier Verwendung findet. Natürlich gibt es einige Sachen die ich gerne etwas anders hätte. Etwa die Fernglas-Rekos. Warum blickt man nicht hindurch und sieht erst mal nur den heutigen Zustand, legt den Hebel um und sieht den Ur-Zustand? (Wahrscheinlich hätte keiner kapiert das man den Hebel umlegen muss und es für ein simples Fernglas gehalten). Schöne wäre es auch wenn man auf den Pads eine frei begehbare Rekonstruktion hätte. (Scheitert wahrscheinlich an der Positionsbetimmung innerhalb des Baus). Das ist allerdings Gejammer auf sehr, sehr hohem Niveau.
Gerade für Orte wie Ingelheim könnte ich mir ein solches, oder ähnliches System sher gut vorstellen. Das 3D-Model wurde ja für den Film vor Ort erstellt und es müssten eigentlich nur die jeweiligen Orte neu gerendert werden. Aber das liebe Geld…
Viele der Aktualisierungen vor Ort sind dem Projekt „Norman Connections“ (online hier) geschuldet, an dem sich auch der Colchester Borough Council, Hastings Borough Council, Norfolk County Council, Comité Départemental du Tourisme du Calvados, Conseil Général du Calvados, Commune de Caen und die Commune de Bayeux, neben Falaise beteiligen um das Anglo-Normannische Erbe aufrecht zu erhalten. Es steckt hier also eine Menge Geld darin, das sich wohl nicht ohne weiteres leisten könnte. Das Interregionale Büro Manche schreibt von 4,5 Millionen Euro auf einer Laufzeit von 63 Monaten und listet in den Hauptzielen auf „- Enhancement of the Norman world via innovative techniques: archaeological excavations, virtual tours etc.“
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…
Ab heute mit Jahresangaben nach Holozän-Kalender? Ich finde das gut; überlege ebenfalls, den öfter zu verwenden. (Es wird das Jahr…
Großartig! Und deprimierend. Ich habe den Artikel von Google News vorgesetzt bekommen, und er war völlig in style. Vom letzten…