Der karolingische Hofstaat …
Vergangene Woche bekam ich die Anfrage zu einer Publikation einen größeren Text beizusteuern. Da ich zur Zeit ohnehin an meiner Publikation zu Trebur arbeite und das Thema des Aufsatzes thematisch Fragen abdeckt, die ich ihnehin beantworten muss, sagte ich, obwohl extrem wenig Zeit ist, ohne mit der Wimper zu zucken zu.
Da ich den Text selbst aufgliedere und dessen Grundteile auch allein stehend funktionieren, dachte ich mir ich könnte die Rohfassungen auch hier posten. Es handelt sich dabei um frühe Fassungen die ich dann und wann posten werde, die sich noch sehr stark vom fertigen Produkt unterscheidenwerden. Hier nun ein erster Teil, den ich direkt aus OpenOffice rüber geholt habe und der deshalb etwas eigenartige Fußnoten hat.
Der karolingische Hofstaat und die Frage wie groß der Zug war der von Hof zu Hof zug
Eine einzigartige Quelle zu den Hofämtern (ministerien) der Karolingerzeit bildet die Mahnschrift „De ordine palatii“ des Hinkmar von Reims. Das 882 entstandene Werk richtet sich an König Karlmann II. der soeben den Westfränkischen Thron bestiegen hatte, sowie an die Bischöfe des Reiches1, mit dem Ziel diese zu Ermahnen und ideale Herrschaftsstrukturen aufzuzeigen.
Hinkmar war noch zu Lebzeiten Karls des Großen geboren worden, kam unter Ludwig dem Frommen 822 als Kaplan an den königlichen Hof wo er die Konflikte um die Thronfolge und die Reichsteilung miterlebte. 845 wurde Hinkmar Bischof von Reims2.Hinkmar gibt in seinem Text an sich auf Adelhard von Corbies (+826) libellus de ordine palatii zu berufen, dessen Werk er selbst in klösterlicher Arbeit abschrieb und deren Autor er noch persönlich kennengelernt hatte3.
Nach Hinkmar bekleideten die wichtigsten weltlichen Hofämter der senescalcus (Seneschall), der butticularius (Mundschenk),der camerarius (Kämmerer), der comes stabuli (Stallgraf/ Marschall) sowie der sich in einer gewissen Sonderstellung befindende comes palatii (Pfalzgraf).Diese Hofämter waren rein organisatorischer Natur, enthielten aber zentrale Aufgaben der Reichsverwaltung4
Der senescalcus betreut die Ämter die unter den Merowingern von den maiordomus, den Hausmeiern, deren Amtsinhaber die Karolinger selbst waren, bedient wurden. Möglicherweise ist der senescalcus sogar der direkte Nachfolger des maiordomus. In seinem Aufgabenbereich lag die Hofhaltung mit einer speziellen Ausrichtung auf die Verpflegung., woraus seine weiteren Bezeichnungen, wie Vorsteher des königlichen Tisches“, „Meister der Köche“ (Küchenmeister) und „Träger der Speisen“, resultieren5. Aus dem capitulare de villis erfahren wir weiterhin das der senescalcus auch für die Verwaltung der Krongüter zuständig war und diesen gegenüber Weisungsbefugt war6.
Der buticuliarius wurde auch als Oberschenk oder Meister der Schenke bezeichnet und war für die Getränke bei Hof zuständig. Jüngere am Hof lebende Männer dienten ihm als Schenken.
Der camerarius bekleidete als Schatzmeister und Kämmerer eine Art von Leitung des Hofwesens, wobei er der Oberhoheit der Königin unterstand. Er betreute den Schmuck und die Geschenke, die bei Hof Verwendung fanden. Ihm unterstanden die cubicularii, die wie die Schenken aus dem Kreis junger Männer bei Hofe kamen.
Dem comes stabuli unterstand der Pferdestall und das Transportwesen des Hofes allgemein. Drüber hinaus bekam sein Amt in der Funktion als Marschall zunehmende Bedeutung als Heerführer bei der Durchführung bedeutender Kriegszüge7
Dem comes platii kommt eine gewisse Sonderstellung zu, da er als Vorsitzender des königlichen Hofgerichtes Rechtsfälle selbständig verhandeln durfte, wenn diese nicht die Anwesenheit des Königs erforderten8.
Hinzu kommen die weiteren Hofämter des mansonarius (Quartiermeister), der dem senescalcus unterstellt war und der nicht nur anzeigen musste wo sich dem König aufzuhalten gedachte, sondern dem auch die Obhut von Wohnungen von Äbten, Bischöfen, Grafen und ähnlichen bei Hofe bei deren Abwesenheit unterstand. Dem magister ostiariorum, summus ostiarius, auch nur als ostiarius, auch scario oder aedilis, bezeichnet (Obertürwart, Meister der Türhüter), der mit einem Stab, hinter dem König schreitend die Funktion eines Zeremonienmeisters zukam und an den sich Auswärtige die als Bittsteller an den Hof kamen wenden mussten.Der Bäckermeister unterstanden Untergebenen die aus niederen Dienstleuten bestanden und auch aus den Hörigen und Unfreien bei Hof genommen wurden. Für persönliche Dienstleistungen des Königs, etwa das reichen von Früchten an Karl den Großen, gab es den armiger (Schwertträger), dem aber auch die Aufgabe zukam das Richtschwert zu tragen, woher der Name rührt. Der sacellarius (Säckler)und der dispensator (Zahlmeister) unterstanden dem camerarius im Bereich der Finanz- und Güterverwaltung9. Der scapoardus (Kellermeister) taucht außer bei Hinkmar in keiner weiteren karolingischen Quelle auf. Ihm unterstand der Weinkeller.
Ergänzend existierten noch die venatores pricipales quatour(vier obersten Jäger) und der fulconarius (Falkner). Die Anzahl dieser für die Jagd und all ihre Belange Zuständigen zeigt den Stellenwert des Jagens innerhalb der fränkischen Herrscherhaus.
Die Ämter der weltlichen Ministerien wurde mit Personen aus verschiedensten Reichsteilen besetzt, damit sich ale Parteien des fränkischen Vielvölkerstaates bestens vertreten sahen10, wobei die Ämter durchaus mehrfach besetzt sein konnten um eine möglichst vielfältige Herkunft zu sichern.
Im Umfeld der Königin und möglicher Töchter gab es ebenfalls Frauen freien Standes und vornehmer Herkunft. Die Aufgaben oder Titel dieser „Hofdamen“ ist jedoch nicht bekannt.
Eine originär karolingische Erfindung ist die Hofkapelle11. Erstmals wird ein cappelanus 741 in Verbindung mit den karolingischen Hausmeiern erwähnt12 .Ihren Namen haben die Kleriker, die seit dem Übergang der Königswürde an die Karolinger zu Hofgeistlichen aufstiegen, von der cappa, der Mantelreliquie des hl. Martin, die auch dem merowingischen Reliquienschatz den Namen capella gab.
Da der Reliquienschatz mit dem König durch das Land reiste, wurden seine Verwahrungsorte, die Oratorien ebenfalls als capella, also Kapelle, bezeichnet, was sich ebenso auf die Oratorien der Fiskalgüter, den königlichen Eigenkirchen, ausdehnte13.
Den capellani oblag auch die Ausfertigung von Urkunden, wobei sie in dieser Funktion als notarius (Notare) bezeichnet wurden und in der Kanzlei zusammengefasst waren. Als Leiter der Kanzlei bildete sich unter Ludwig dem Frommen der protonotarius (oberster Notar/ Erznotar) heraus, der unter Ludwig II. dann zum archinotarius (Erznotar) und archicancellarius (Erzkanzler) wird14. Oberster Leiter aller capellani war seit 825 der archicapellanus (Erzkaplan). Zuvor lässt sich für diesen keine gesonderte Bezeichnung finden, auch wenn er gelegentlich als custos oder „Erzpriester Frankens“ bezeichnet wird. Die Bezeichnung apocrisiarius, die Hinkmar verwendet, lässt sich dagegen nicht nachweisen und ist Hinkmars Idealvorstellung einer päpstlichen Vertretung am Hofe Karls des Großen geschuldetet15
Zu all diesen Ämtern die bei Hofe existierten kamen eine unbekannte Anzahl von Milites ohne Ämter, Bittsteller, Berater, sowie deren Gefolge.
Hinkmars Werk zeigt die Realitäten am hochkarolingischen Königshof, wie sie zu Zeiten Karls des Großen in Aachen speziell oder etwa bei Reichstagen und Synoden allgemein existiert haben mag, zumal die erwähnten Ämter sich durchaus in Urkunden und Weisungen wiederfinden.
Es ist aber dennoch als idealisiert zu betrachten, da mitunter ein und die selbe Person mehrere Ämter inne haben konnte oder nicht bei jeder Gelegenheit Vertreter aller Ämter anwesend gewesen waren, was dazu führte das Ämter kurzfristig umbesetzt wurden.
Wie groß nun das Umfeld des Königs während seiner Züge durch das Reich waren ist unklar. Keine Quelle der Karolingerzeit gibt hierzu eine Zahl an. Erst aus der Zeit Ottos III. ist der Begleitzug Boleslaws von Polen, der sich mit Otto III von Polen auf dem Weg nach Aachen befand, mit 300 Reitern angegeben, was für diesen wohl als angemessen betrachtet werden darf. Die Zahl der Begleiter Ottos III. wird höher eingeschätzt.
Die Forschung nennt dabei Zahlen von 300 bis über 1000 Personen, die von Hof zu Hof und von Pfalz zu Pfalz zogen, wobei zuletzt Rosamond McKitterick in ihrer Publikation „Charlemagne“ von 2008 betont, dass mit einer weitaus geringeren personellen Besetzung zu rechnen sei.
1Gerhard Schmitz in Francia 8 S.790
2Neue deutsche Biographie, Bd.9 S.184
3Gerhard Schmitz in Francia 8 S.790
4Ulrike Wanderer „Die weltlichen Hofämter der karolingischen Verwaltung in Hinkmars de.ordini palatii.“ S.4
5Georg Waitz „deutsche Verfassungsgeschichte“ Bd.3 S.415
6Werner Rösener „Hofämter und Königshöfe des Frühmittelalters“ in „Nomen et Fraternitas – Festschrift für Dieter Geuenich zum 65. Geburtstag“ S.539
7Werner Rösener „Hofämter und Königshöfe des Frühmittelalters“ in „Nomen et Fraternitas – Festschrift für Dieter Geuenich zum 65. Geburtstag“ S.539
8Werner Rösener „Hofämter und Königshöfe des Frühmittelalters“ in „Nomen et Fraternitas – Festschrift für Dieter Geuenich zum 65. Geburtstag“ S.535
9Ulrike Wanderer „Die weltlichen Hofämter der karolingischen Verwaltung in Hinkmars de…“ S.9
10Ulrike Wanderer „Die weltlichen Hofämter der karolingischen Verwaltung in Hinkmars de…“ S.4
11Werner Rösener „Hofämter und Königshöfe des Frühmittelalters“ in „Nomen et Fraternitas – Festschrift für Dieter Geuenich zum 65. Geburtstag“ S.540
12Günther Binding „Deutsche Königspfalzen von Karl dem Großen bis Friedrich II.“ S.36
13Günther Binding „Deutsche Königspfalzen von Karl dem Großen bis Friedrich II.“ S.37
14Theodor von Sickel „Beiträge zur Diplomatik I-VIII“ S.148
15Georg Waitz „deutsche Verfassungsgeschichte“ Bd.3 S.433
Man könnte hier auch noch den Bericht der Annales Nazariani zum Tassilo-Prozess in Ingelheim 788 anführen: "Und als das so…
Hat mir sehr gefallen und ich habe mich immer auf den nächsten Teil gefreut. Der Text schuf wirklich eine intensive…
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…