Die wetterauer Stadtlinie vor Ort
Wie angekündigt habe ich mir die Stadtlinie in der Wetterau etwas genauer betrachtet, wozu ich zuerst auf den Glauberg gefahren bin. Leider regnete Bindfäden, was die Sache nicht unbedingt angenehmer machte.
Der Glauberg wird ja meist auf seine keltische Vergangenheit reduziert, was aber seiner Bedeutung in der Geschichte eigentlich nicht gerecht wird. Schon in der Jungsteinzeit war der Glauberg besiedelt. Die frühste Befestigung reicht vielleicht bis um 800 v. Chr., in römischer Zeit blieb er auf Grund der nähe zum Limes unbesiedelt. Um 260 siedeln germanische Stämme in der Region und auf dem Berg. Ab dem 4. Jahrhundert wird der Glauberg zum Sitz eines alamannischen Kleinkönigs, später dann eine fränkische Großburg , wie sie etwa auch der Christenberg und die Büraburg war im Kampf gegen die Sachsen. Im 12. Jahrhundert wird der Glauberg staufische Reichsburg, man versuchte eine eigene Landeshoheit mit einer Stadtgründung auf dem Glauberg zu schaffen (ähnlicher Konstruktionsplan wie Friedberg u. Trebur annehmbar), wahrscheinlich wurde die Burg und Stadtgründung um 1258 von den Büdinger Ganerben zerstört, ein Johann von Glauberg ist 1267 als Schöffe in Frankfurt nachweisbar.
Mit dieser wichtigen Bedeutung des Glaubergs für die östliche Wetterau sollte dieser mit der (östlichen) Stadtlinie , sofern diese keine Einbildung ist, in Verbindung stehen.
Das Hofgut Leustadt,(hier ein Plan zur eigentlichen Burg) auf halben Weg zwischen Glauberg und Bergrücken der Stadtlinie bzw. Ober- Mockstadt, welches direkt dahinter liegt. Um780 besaß das Kloster Fulda hier Güter aus einer Schenkung, und liesesn wahrscheinlich eine Burg zur Sicherung ihrer Güter errichten. Im 14. Jahrhundert gehörte die Burg mehreren Ganerben, darunter mehrer Seitenlinien der Herren von Wolfskehlen. Zur Burg gehörte ebenfalls eine Siedlung die zu unbekannter Zeit wüst wurde. 1533/37 wurde die Burg zum Adelshof erweitert und in der Folge nur noch als Hof bezeichnet.
Warum liegt nun die Stadtlinie nur nördlich des Glauberges und nicht südlich? Eine Lösung dieser Frage bietet der Blick vom Glauberg selbts. Der Blick nach Norden offenbart das recht schmales Tal der Nidderau und dem dahinterliegenden Ausläufer des Vogelsberges. im Tal, schon am gegenüberliegenden Hang gelegen liegt das Hofgut Leustadt.
Ober -Florstadt
Das Römerlager Ober-Florstadt, zurückgezogen hinter der Limeslinie bei Staden, liegt an einem leichten Hang, über dem Zusammenfluß von Nidda und Horloff. Noch heute heßt eine Straße an dem Lager „Auf der Warte“. Dieser Punkt ermöglicht ungetrübten Blick ins Tal nach Norden, nach westen zum Taunus, sowie in das Tal der Nidda nach Osten und wurde noch im Mittelalter zur Sicherung genutzt.
Mockstadt
Während Nieder-Mockstadt noch am Eingang des Tales der Nidda liegt, befindet sich Ober-Mockstadt schon direkt im Tal.
Das Foto in Obermockstadt wurden an der evangelischen Kirche aufgenommen, an deren Stelle früher die Stiftskirche stand. Wenn nicht die heutige Bebauung den Blick über das Tal verdecken würde, hätte man einen fantastischen Blick über das Tal der Nidda. Im Osten von Ranstadt bis zum Westen nach Florstadt.
Die Altenburg gegenüber bei Dauernheim ist ein Siedlungsplatz der Michelsberger Kultur und sollte eigentlich nichts mit der Statdlinie zu tun haben, interessant ist aber die Steinsetzung bei Dauernheim (PDF hier).
Im Osten der Stadtlinie liegt Ranstadt. Ranstadt selbst liegt etwas erhöht, wie alle Orte an der Nidda, da das Tal mit seinem sumpfigen Boden einer Siedlung nur einen schlechten Stand bescheren würde. Ab Ranstadt verschmälert sich das Niddatal . Zwischen Nidda und Ranstadt selbst erhebt sich der Golschlu, so das das eigentlich Ranstadt von Norden her erst von der Landstraße von Dauernheim in Richtung Dauernheimer Hof einsehbar ist.
Leider fand ich bis jetzt über den Golschlu keine Information, nur das sich dort eine Steinbruchsiedlung befand und der neuere Name Konschloh lautet, der Hügel aber auf Karten immernoch Golschlu genannt wird.
Ergänzend würde ich noch diese Karte und diese Karte empfehlen.
Schade, dass das Wetter nicht so recht mitgespielt hat. Ich grüble zurzeit aber ohnehin weniger darüber, warum die Stadtorte dort sind, wo sie sind, sondern vielmehr darüber, wo sie nicht sind. Mal angenommen, es sind alamannische Gründungen, wieso dann diese Lücke zwischen den südhessischen Stadtorten und denen im Niddatal? Wieso tauchen sie dann nach einer weiteren Lücke ausgerechnet um Erfurt und westlich entlang der Saale auf, also ausgerechnet im Operationsgebiet Karls des Großen. Wenn die dort thüringischen Ursprungs wären, würde sich die Frage stellen, warum sie nur entlang der Ost- und Südgrenze auftauchen und nicht nach Westen in Richtung Franken und Alamannen. Und dann sind da oben auch noch die Sachsen, die diesen Suffix ebenfalls sehr exzessiv, aber offenbar auch zeitlich sehr begrenzt verwendeten.
Und wenn die Stadtorte im Niddatal fränkischen Ursprungs wären, dann stellt sich die Frage (neben der schwer erklärbaren Kuriosität, dass das Suffix dann nur in Grenzgebieten im Osten des Frankenreichs vorkam): gegen wen war diese Verteidigungslinie gerichtet? Sie zeigt ja ins Kerngebiet der Franken.
Irgendwie stört mich ungemein, dass absolut alles keinen richtigen Sinn gibt, weder die etablierte Meinung in der Orstnamenforschung (die von keinem „tieferen“ Sinn der Stat-Orte und daher von Zufälligkeiten ausgeht bzw. keinen entscheidenden Unterschied zu -hof, -dorf oder -hausen Suffixe sieht), noch alle alternativen Erklärungen, die mir in den Sinn gekommen sind, seit ich mich damit beschäftige. Irgendwas stimmt einfach nicht an allen Erklärungen.
Ich werde da irgendwann in den nächsten Tage noch mal so einiges dazu bloggen müssen, uns fehlt noch irgendein entscheidendes Element, das die ganze Sache erklärt.
Naja, es gibt kein schlechtes, Wetter nur falsche Kleidung.
Über die Probleme die du ansprichst hab ich mir auch schon Gedanken gemacht. Stadtorte tauchen nicht nicht bei anderen alamannischen Höhenburgen auf, nicht bei den fränkischen Höhenburgen. Wenn eine Wildbanngrenze identisch ist mit einer Stadtlinie, so existiert die Stadtlinie zeitlich bereits vor dem Wildbann und dieser orientiert sich u.U. nur daran und ist keine Begründung dafür.
Rein theoretisch sollten alle diese Orte mindestens eine sehr markante Gemeinsamkeit haben, nur welche?
Man sollte vielleicht mal eine Datenbank anlegen in der man bestimmte Faktoren einträgt. Herschaftsstrukturen, Handelswege, Ersterwähnungen, Fundmaterial usw.
Okay, ich habe mir anhand aller geschichtlichen Informationen (sprich- Wüstungen, Ersterwähnungen, Altstrassen, Kirchenpatrozinien, Fundstellen etc.) die ich schon längere Zeit in einem Rhein-Main-Autoatlas sammle und dort eingezeichnet habe durch den Kopf gehen lassen.
Ich setze mich jetzt auch nur mit der südhessischen Stadt-Siedlungen auseinander, die meiner Meinung nicht ganz zeitgleich mit jenen Orten in der Wetterau entstanden, aber wohl doch von der gleichen Volksgruppe gegründet.
Fakt ist meiner Meinung, daß sich alle Bezugsnamen ausschliesslich auf Ortslage und auf Tiere beziehen, und eben nicht auf Personen! Der Bezug auf Tiere verleit dem ganzen etwas archaisches, altertümliches.
Mit Ausnahme von Klein-Umstadt scheinen jene Orte allesamt oder unmittelbar an wichtigen Altwegen u liegen, um diese wahrscheinlich zu kontrollieren.
Die Namensgebung von Kleestadt dürfte sich auf das ahd. „hleo“ beziehen, was (Hof)stätte beim Grab- oder GRENZHÜGEL bedeutet. Nördlich gibt es dort auch noch eine Flur namens „Zollstock“, wobei mir da der zeitliche Zusammenhang leider unbekannt ist.
Die beiden Stockstadt scheinen sich ja ohnehin auf einen immaginären Grenzpunkt zu beziehen.
Ramstadt wird im Mittelalter auch als „Ramstadt am Berg“ bezeichnet. Das ahd. „hrama“ bezeichnet ein Holzbauwerk und das mhd. „rame“ eine Stütze, Rahmen, Gestell = eine hölzerne Grenzmarkierung, die sich auf einem der Berge befand.
Nun gibt es ja eine größere Stadt-Lücke zwischen Stockstadt/Rhein und Langstadt, die sich anhand der Lage der Dietwege und Römerstraßen mit der südlich von Babenhausen liegenden Wüstung „Altdorf“ schließen würde, wobei der Altname vielleicht einmal ein anderer war, oder es entziehen sich Stadt-Orte der urkundlichen Nennung.
Aufgrund der überlieferten Urkundenlage geht der Reichsforst Dreieich auf das 9. Jh. zurück, dürfte natürlich trotzdem noch wesentlich älter sein. Äußerst seltsam ist natürlich, daß sich die Südgrenze der alten Dreieich ausgerechnet an einer der frühmittelalterlichen Grenze zwischen Alamannien und Franken orientiert. Auch wenn das nun nicht direkt damit zu tun hat verwundert mich auch immer wieder, warum jene angebliche Entscheidungsschlacht bei Zülpich im Rheinland, nahe Bonn, ausgerechnet so tief mitten in fränkischem Staatsgebiet stattgefunden haben soll und nicht näher an der Grenze zwischen beiden Völkern?
Die anderen Stadt-Siedlungen um Bürstadt könnten in einem ganz anderen Zusammenhang vielleicht durch damals um Ladenburg siedelnde Sueben begründet worden sein, was vielleicht auch für Darmstadt (sprich der suebische Fund in der Innenstadt!), Otterstadt und Weiterstadt gillt. Das mit Dieburg aufgegangene Altenstadt ist ja auch wesenlich älter, sprich alamannisch, das wie eine unmittelbare Anschlusssiedlung an die untergegangene Römerstadt anmutet und worauf sich auch der Name Alt- bezieht.
Jedenfalls mache ich mir auch noch weitere Gedanken zu alledem und sage nun Gute Nacht!
Bei Klein-Umstadt halte ich es für denkbar, dass der Ort erst später in Anlehnung an Groß-Umstadt entstanden ist und daher gar nicht zu den ursprünglichen Stat-Orten gehört. Wenn Kleestadt von hleo abgeleitet ist, ist aber erklärungsbedürftig, wieso es als Cletestat auftaucht. Wo kommt das t her?
Und zur Dreieich ist zu sagen, dass zum einen die genaue Grenze erst später überliefert wird und sich offensichtlich vorschoben haben muss, da Eberstadt 1002 zum Forehahi gehört.
Da ich recht viel Literatur hab, in der die Dreieich und z.T. auch der Forehahi abgehandelt wird, werde ich mal raussuchen was denn Frau Dr. Schalles-Fischer und Herr Dr. Gockel so über die Entstehungen geschrieben haben. Ich glaube da auch etwas über jene Veränderung der „Grenzziehung“ um 1000 gelesen zu haben.
Ne Kleinigkeit habe ich noch vergessen. In der Weisung des Wildbanns Dreieich aus dem 14. Jhd. wird bei Stockstadt am Main ausdrücklich ein „isern phale“, ein eiserner Pfahl erwähnt. Das scheint zum einen eine wichtige Landmarke gewesen zu sein, außerdem finde ich das Material „Eisen“ interessant. Die meisten Pfähle, auch Grenzpfähle dürften eher aus Holz bestanden haben. Eisen als beständigeres Material könnte vielleicht darauf hindeuten, dass der Pfahl da schon sehr lange stand.
Sicher ist auch eine Ableitung bei Kleestadt auch von „cleth“ für „Hürde“ oder „Graben“ möglich, das sind ja bei einigen Ortsnamen leider die mannigfaltigen Deutungsmöglichkeiten, könnte dann aber immer noch spekulativ etwas mit einer Grenze zu tun haben. Wie alles nur Ansatzpunkte einer Möglichkeit, um ein Gesamtbild herauszuschälen.
Schaut man auf Rheinhessen, existiert dort fast kein Stadt-Ort was zu dem Rückschluss führte, daß die rechtsrheinischen Siedlungen noch vor dem Fall der römischen Rheingrenze Anfang des 5. Jh. entstanden und damit alamannisch (oder teilweise bucinobantisch?) wären. Der Ortsname Stierstadt bei Oberursel im Taunus beispielsweise ließe etwa auf einen alamannischen Stierkult und damit auch auf ein dementsprechendes Alter schließen.
Ob es sich bei Darmund und Autmund nun um Personennamen handelt ist wirklich nicht so ganz eindeutig, aber ein germanischer Vorname mit einer -mund-Silbe nun auch nicht weiter ungewöhnlich für jene Zeit! Komisch ist nur, daß gleich drei räumlich nahe beieinander liegende Umstadt-Orte auftauchen und Wenigumstadt auch den gleichen Namenssinn eines „kleineren Umstadt“, wie eben Klein-Umstadt aufweist. Oder Klein-Umstadt entstand erst später, nach Wenigumstadt.
Typisch fränkische Heim-Namen mit einer voranngestellten Tierbezeichnung sind mir mit Außnahme des Schweines, in Form der Schwanheim-Siedlungen, nun auch nicht weiter bekannt, was also im Gegensatz zu den Statt-Gemeinden, wohl ungewöhnlich für die fränkische Periode wäre!
Stimmt, die Dreieichgrenzen scheinen sich recht früh etwas verschoben zu haben, was auch öfters bei den wechselnden Ortszugehörigkeiten zu den verschiedenen Verwaltungsgauen geschah.
Ja, Jörg, deshalb bedeuten „stud“ und „stock“ ja auch Pfosten und Stange, also ein Hinweis auf einen Grenzpfahl.
Ich wollte nur schnell mal einwerfen das eiserne Grenzppfähle gar nicht so selten sind. Im märkischen Museum in Berlin findet sich einer. Ca. 1250. Der Deutschorden pflasterte die Grenze nach Polen damit. Auch sonst gab es Sie immer wieder.
Ich hab mir auch schon überlegt, dass „Stat“ vielleicht ein Lehnwort aus dem Lateinischen ist und auf die römischen Stationes zurückgeht. Dann hätte man den militärischen Ursprung.
Gut möglich, aber wer hätte sich dann gegen wen verteidigt und abgegrenzt. Zeitweise Burgunder und Alamannen, wobei
Alamannen gegen Franken dabei vom Siedlungsraum plausibler erscheint. Aber das ganze deutet schon auch auf Spätantike hin, da beispielsweise die beiden Klein- und Groß-Wallstadt-Orte bei Mannheim und jene am Main namentlich anscheinend auf „Welche“ d. h. dort lebende romanische Restbevölkerungen zurückgehen.
Hab ich auch schon überlegt, aber die Stationes sollten an den Hauptwegen liegen. Außerdem lägen sie viel zu nah beieinander, weshalb ich das schon wieder abgehakt habe.
Ich meinte auch nicht, dass die Stat-Orte tatsächlich römische Stationes sind, sondern dass sich der Begriff „Stat“ aus dem lateinischen Statio entwickelt hat und dabei den militärischen Hintergrund zunächst behalten hat, auch wenn Franken, Alamannen oder wer auch immer andere Strategien verfolgten als die Römer. Das Stat wäre dann sozusagen „Wachstationen“ entlang der Grenze.
Vielleicht Zufall aber auch auffällig ist ja, dass der „Stadt“-Begriff in späterer Zeit im Gegensatz zum Dorf eine Befestigung (Stadtmauer) und eine Wehrhaftigkeit beinhaltete. Das könnte auch auf die ursprünglich militärische Bedeutung des Wortes hindeuten.