Tod und Wein in Trebur
Normalerweise habe ich es nicht so mit den volkskundlichen eigentümlichkeiten Treburs, aber ich mach mal eine Ausnahme. Jeder Ort hat so seine eigenen Gebräuche und Sitten, so auch Trebur.
1896 wird in den liturtgischen Ordnungen des ev. Pfarramtes von Trebur in einer Fußnote noriert:
Die Gemeinde ist seit altersher in vier Viertel geteilt, über die je ein Viertelmeister gesetzt ist. Dieser hat bei vorkommenden Beerdigungen die nötigen Gänge und Besorgungen zu erledigen. Der Beitritt zu dem Viertel ist freiwillig und und gilt für die ganze Familie des Betreffenden. Mit dem Eintritt verpflichtet man sich zum 1. zur Begleitung jeder Viertelleiche durch ein Familienmitglied., 2. zur Zahlung von 1 Thaler beim Aussterben einer Familie (gemeint ist der Tod beider Ehepartner) . Das eingehende Geld wird wird gesammelt und bei einer bestimmten Höhe gemeinsam vertrunken.
Die nötigen Gänge des Vierltelmeisters waren für das Geläut um 5 Uhr morgens und eine Stunde vor Beerdigung zu sorgen. Seine Besorgungen waren die Bestimmung von 4 Grabmachern, die vor dem Begräbnis die Grube ausheben mussten. Zudem musste er die Leichenträger bestimmen, die den Sarg vom Haus des Toten zum Friedhof bringen mussten. Da aber der Weg für vier Männer alleine oft zu beschwerlich war wurden auch noch Stellvertreter bestimmt, so dass man sich abwechseln konnte. Die Träger bekamen von der Frau des Toten ein Rosmarinsträußchen gereicht bzw. angesteckt. Man nimmt an das es den Leichengeruch übertünchen sollte. Es war den Trägern auf Strafe verboten die Schulter zu wechseln oder gar den Sarg abzusetzen. Die Strafe bestand in einer Flasche Wein. Für beide Tätigkeiten waren alle Männer unter 60 verpflichtet. Wer über 60 Jahre alt war, war von allem befreit und durfte auch bei der Beerdigung zuhause bleiben.
Bei der Beerdigung war dann Anwesenheitspflicht für das jeweilige Viertel. Falls jemand doch nicht erschien gab es wieder eine Strafe: zunächst 1 Gulden 30 Kreuzer, später dann 3 Mark oder 1 Taler oder eine Flasche Wein… man nahm es aber dann doch nicht so ernst mit der Anwesenheit, denn durch Kuchen backen für die Kerb, im Wald Tätige oder wegen einer Schlachtung Fehlende bekamen schon mal keine Strafe.
War die Trauerfeier in der Kirche beendet, verließen die Mitglieder des Viertels als erstes die Kirche und standen nun Spalier bis alle die Kirche verlassen hatten. Dort mussten sie solange stehen bleiben bis der Viertelmeister das Komanndo zum nach Hause gehen gab, lediglich die Grabmacher durften vorher das Spalier verlassen.
Unter die Beerdigunngssitte des Viertels fielen Eltern und deren Kinder, solange bei diesen ein Elternteil am Leben war. Starb ein lediges, volljähriges Kind mussten 2 Taler gezahlt werden. Der Grund für die Bezahlung wird in der Erhöhung des Erbteils der anderen Kinder vermutet an dem sich das Viertel beteiligt sah. Starb eine Ehe aus dem Viertel aus, also wahren 2 miteinander Verheiratete gestorben war ein Taler zu bezahlen, die Rechte von Eltern vererbten sich aber nicht automatisch auf deren Kinder. Diese konnten sich bei der Beerdigung des letzten Elternteils „einkaufen“ und zwar mit einer Flasche Wein beim nächsten Talerverzehren.
Das Talerverzehren wurde angesetzt, wenn mindestens 2 Taler in der Kasse des Viertels durch eine Beerdigung zusammen gekommen waren. Am selben Tag, aber nicht direkt nach der Messe, traf man sich dann im schwarzen Anzug um einen großen Tisch auf dem das Protokollbuch lag. Dort setzte man sich nieder und durfte die Hände nicht auf den Tisch legen. Nur der Viertelmeister hatte das Recht zu sprechen und wenn doch jemand etwas mitzuteilen hatte musste er dies dem Viertelmeister sagen, der es dann weiterleitete. Der Viertelmeister verlas dann die zuletzt Verstorbenen. Anschließenden wurden die auf dem Tisch stehenden Gläser umgedreht und gefüllt. Ohne Trinkspruch oder ähnliches musste der Wein in aller Stille geleert werden worauf im Anschluss der Älteste ein Gebet sprach. Anschließend folgte das „fröhliche“ Beisammensein wobei bei jedem Talerverzehren ein neuer Viertelmeister gewählt werden musste. Der abtretende Viertelmeister musste eine Flasche Wein ausgeben., ebenso wie der Antretende, der auch gleich die neuen Sargträger bestimmen musste, die wiederum einen Wein ausgeben mussten… Anschließend kam dann der Wein der neu Beigetretenen auf den Tisch. Zunächst nur eine Flasche, ab 1880 dann pro Tisch eine Flasche.
Noch in den 1950er Jahren gab es diesen heute ausgestorbenen Brauch. Auch in Darmstadt gab es einen ganz ähnlichen Brauch innerhalb der Ratsbrüderschaft, Hofbrüderschaft und Ackerbrüderschaft wie Diehl in „Alt-Darmstadt“ notiert haben soll.
Ohne genaueres Hintergrundwissen zu besitzen, vermute ich das dieser Brauch aus der Zeit des 30 Jährigen Krieges oder Zeiten großer Epidemien stammt, als man dafür sorgen musste das die Verstorbenen auch unter die Erde kamen.
Quelle: Trebur im Wandel der Zeit 822-1949 , Hans Kaus 1949
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