Mehr Rom wagen!
Als ich diesen Text begann, wollte ich eigentlich ein, naja sagen wir mal Meinungsartikel schreiben, wollte ihn aber auch ein wenig mit Quellen unterfüttern und begann entsprechend zu lesen. Bald schon musste ich aber feststellen, das das Thema auf einer anderen Ebene schon viel mehr Leute beschäftigt hatte und ganze Bücher füllt.
Aber fangen wir erst einmal damit an, wo ich eigentlich hin wollte. Immer wieder suche ich nach Hinweisen zur karolingischen Tracht, sprich Herren Tunika. Nun richtete ich einmal meinen Blick auf die Merowingerzeit, um vielleicht dort etwas zu finden. Dabei bemerkte ich das meine frühe Auffassung der merowingischer Männertracht durchaus stark geprägt war von einer Gruppe die in den frühen 2000ern in diesem Kontext immer wieder in Dokus zu Germanen und Merowingern zu sehen war und dann eher aus anderen Gründen von sich Reden machte.
Da waren dann “echte Kerle” zu sehen. Mit langen Haaren wie aus der L’Oréal Werbung und riesigen Vollbärten. Eben “echte Kerle”, was auch immer das heißen mag. Bei diesem rumsinnieren zu dem Thema fiel dann auch wieder ein, was ich zur Haartracht der Karolinger und auch Merowinger zusammengetragen hatte1 : Je länger das Haar, desto höher der Status, wobei der König mit schulterlangem Haar wohl das Maximum darstellen. Nix wallende L’Oréal-Pracht. Auch der Hipster Bart taucht dort nirgends auf. Wenn, dann ist immer der Schnauzbart zu sehen und die Texte berichten von feinen und gepflegten Rasuren.
Meine These zur merowingischen Tunika steht nun diesen vorher erwähnten Darstellungen diametral gegenüber. Die Beschreibungen der Grabfunde Childerich zeigen diesen nicht als reinen Germanen. Er ist Auxilliar, er ist römischer Offizier.
Um 469 beschreibt Sidonius Apollinaris den Prinzen Sigismer und dessen Begleiter. Für von Rummel zeigen die Beschreibung Sigismer als hohen römischen Offizier oder Angehörigen des Kaiserhauses, während die Beschreibung seiner Begleiter ebenfalls römisch erscheint.
Wir sollten es daher mit einer Oberschicht zu tun haben, die sich in ihrer Kleidung an römischer Kleidung orientiert. Von Rummel definiert es etwas konkreter, in dem er einen gewissen römischen Military-Chique bei den frühen Merowingern erkennen will. Oder um es beim Namen zu nennen: Die Oberschicht scheint tunica manicata getragen zu haben.
Doch dieses germanische Bild, das ich früher von den Merowingern hatte, wurde auch lange von der Wissenschaft verbreitet. Grund war, dass eine glatter Schnitt zwischen Romanen und Franken propagiert wurde, meist war dies mit “völkischem Gedankengut” vermengt. Der verweichlichte, dekadente Römer vs. der edle, wilde, starke Waldgermane.
Obwohl man sich nach und nach davon distanzierte, blieb vieles doch bis in neuere Zeit bestehen. Eine ausführliche Bearbeitung des Themas liefert “Germanen und Romanen im Merowingerreich” von Herbert Fehr , Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Band Band 68. , der sich auch kritisch auch mit dem bekannten Austellungskatalog “Die Franken – Wegbereiter Europas “ auseinandersetzt. Was er hier kritisiert, werde ich gleich erwähnen. Nur bin ich beim Blättern im Katalog auf einen Text von Frank Siegmund mit dem Titel “Kleidung und Bewaffnung der Männer im östlichen Frankenreich” gestoßen, der mich mitunter kopfschüttel ließ. So schreibt er:
“ Ganz anders als nördlich der Alpen waren die römischen Schuhe beschaffen, nämlich vorne geschlossen und von schmalerem Zuschnitt, genäht und mit eigener Sohle versehen. Der Sänger unter St. Severin in Köln und die die Frau unter dem Kölner Dom trugen diese römischen Schuhe, was sicherlich ungewöhnlich war” 3
Diese Schuhe die er beschreibt sieht er im Gegensatz zu Schuhen, die aus einem Stück geschnitten sind, bebildert mit Oberflacht Grab 80. Siegesmund meint Wendegenähte Schuhe. Diese sind aber eher der Standard als ungewöhnlich.
Hätte Siegmund einen eher ungewöhnlichen Schuh wählen wollen, wäre sicherlich der Stiefel aus St. Ulrich und Afra interessanter gewesen, der den namenlosen Bischof daher gerne als Westfranken sieht und den Stiefeln auch römische Vorfahren zugesprochen werden und dann damit auch mit dem Titel “…im östlichen Frankreich” gerechter geworden wäre.
Auch nennt er für Tuniken die Möglichkeit eines tiefen V-Auschnitts und nennt als Beispiel dafür die auf der fränkischen Zierscheibe die in Darmstadt An der Windmühle gefunden wurde. Doch auf dieser Scheibe, die ich nicht nur daher kenne da ich lange knapp 500m vom Fundort gearbeitet habe, zeigt für mich alles, nur keinen V-Auschnitt!
Siegmund führt übrigens für Zierelemente auf Tuniken, in seinem Fall kreisrunde Verzierung in der Mitte der Brust , eine Gürtelschnalle mit Ritzzeichnung an (Burgundische Schnalle aus La Balme in der Westschweiz). Für mich sind aber eher die Kreisaugen am unteren Saum der Tunika interessant, denn sie wirken wie römische Orbiculi.
Doch zurück zum eigentlichen Kritikpunkt am Ausstellungskatalog den Fehr nennt. Hier wird noch immer die These vertreten, dass das erste Auftreten von Reihengräberfriedhöfen mit Waffenbeigaben, wie sie so typisch für die Franken werden, mit der militärischen Expansion der Franken zusammenhängen.
Diese Gräber tauchen zunächst im Norden Frankreichs auf und reichen bis nach Paris nach Süden. Sie wurden früher, so wie auch im Franken Katalog, als Zeichen einer gewaltsamen Inbesitznahme der gallo romanischen Region und ihrer Bevölkerung durch die Franken gesehen. Oder um es anders zu sagen: Die fränkischen Usurpatoren ließen sich dort als Eroberer und Waffenträger beisetzen.
Doch diese These war spätestens mit Guy Halsalls Veröffentlichung “The origins of the Reihengräberzivilisation: forty years on” in “Fifth-century Gaul: a crisis of identity?” von 1992 in Zweifel zu ziehen, denn die Reihengräber beginnen scheinbar schon, bevor die Franken hier einmarschieren. Und germanische Waffengräber unterscheiden sich signifikant von den Reihengräbern. Auch die Vermutung, dass es germanische Foederati waren, die so beigesetzt wurden, traf nicht zu, denn bei Westgoten, die ebenso als Foederati dienten, können solche Gräber nicht beobachtet werden.
Demnach entstanden die Reihengräber mit Waffenbeigabe als Antwort auf den Zusammenbruch der weströmischen Zentralgewalt. Die Galloromanen nahmen die Verteidigung ihrer Gebiete in die eigene Hand. Diese lokalen Führer, vielleicht römische Offiziere, waren es, die zunächst als Zeichen ihrer Gewalt mit Waffen und reichen Beigaben beigesetzt wurden, die Franken übernahmen dies nur als Zeichen ihrer Autorität und verbreiteten die Sitte weiter.
All dies sind für mich Zeichen das sich vorallem in der fränkischen Oberschicht eine römische Mode modern war. Zudem kann ich mir nicht vorstellen das die Franken, die für die Verwaltung der neu eroberten Gebiete auf die gallo römische Oberschicht angewiesen war, auf Leute wie etwa Gregor von Tours, dort wie die “letzten Barbaren” aufschlugen und den Senatorenfamilien die Spatha an den Hals hielten um sie zum Kooperieren zu bewegen. Hier musste mehr Akzeptanz geschaffen werden. So wie es etwa der Merowinger Teudeberth betrieb, der in Arles wieder Zirkusspiele einrichten ließ. Und Kleidung einer Gruppe zu übernehmen funktioniert da sehr gut um eine Fremdartigkeit zu verbergen.
Nun mag man sagen, dass doch Einhard explizit darauf hinweist, dass Karl fränkische und keine römische Tracht trug und wenn dann wohl auch nur auf Bitten des Papstes. Und von Karl dem Kahlen wird in den Jahrbüchern für 876 berichtet, das er für Aufruhr sorgte als er bei einem Fest an einem Tag in fränkischem Ornat mit Krone, und am nächsten Tag römisch gekleidet mit Seidentuch auf dem Kopf erschien.
In beiden Fällen ist mit römisch nicht Rom in Italien gemeint, sondern die Tracht der römischen Kaiser. In diesem Fall, in dieser Zeit, die von Ostrom, von Byzanz. Karls des Kahlen Seidentuch auf dem Kopf ist etwa ein Kamelaukion.
Das bedeutet für die Franken des 8./9. Jahrhunderts war eine römische Tracht nicht die Kleidung eines spätantiken Römers, sondern eben eine aus Byzanz! Wenn die Oberschicht römische Mode übernommen hatte im 4./5. Jahrhundert, so hatte sich diese nun auch schon wieder verändert. Grundzüge wie Clavi, oder Seideneinfassungen waren immer noch vorhanden. Nur betrachteten die Franken diese Kleidung nicht mehr als römisch inspiriert oder von römischer Abstammung. 300-400 Jahre später war dies die fränkische Tracht.
https://www.tribur.de/blog/2025/02/27/von-langen-haar-zum-zum-schnauzbart-die-haartracht-der-franken/ ↩
Philipp von Rummel, Prunkvolle Kleidung des 5. Jahrhunderts im Spiegel der Schriftquellen in Das Grab Des fränkischen königs Childerich in Tournai und die Anastasis Childerici von Jean-Jacques Chiffet aus Dem Jahre 1655, S.213 ff ↩
Die Franken Wegbereiter Europas (2) S. 693 ↩


Oh ja gerne!
Hallo, Bei Recherchen zur Tunika Heinrich des Zänkers bin ich auf eine ähnlich Lösung gekommen, ich habe mir das Stifterbild…
Hab jetzt gerade Terra X schauen wollen. Seit neusten mit KI generierten Stimmen. Diese Entwicklung gefällt mir nicht. Ich muss…
Gut gelungen. Dieses Miniriemchen im Riemendurchzug der Scheide hält das Ganze.
Freunde von mir waren schon da. Ich weiß nur nicht ob ich selbst schaffen werde :-(