Und Goliath dreht sich…
Mittlerweile bin ich bei 16 Handschriften angelangt, die alle die Anordnung von David und Goliath, bzw. in dem Gestus des Stuttgarter Psalters folgen, bzw. ähnlich oder identisch sind. Alle greifen sie auf eine ursprünglich byzantinische Vorlage zurück. Dabei greifen nicht alle auf die gleiche Vorlage zurück.
Einmal wird vom anderen abgemalt, es gibt Zwischenschritte oder ältere Vorlagen die wir nicht kennen.
Die David Plates, jene Silberteller aus Zypern etwa, sind Entwicklungsgeschichtlich eine Sackgasse, da sie wohl schon um 700 schon vergraben wurden. Sie standen also als Vorlage nicht mehr zur Verfügung.
Dennoch scheint es zwei Hauptlinien zu geben. Eine im Osten, also in Byzanz selbst und eine im Westen, wozu auch der Stuttgarter Psalter gehört. Ging ich 2022 davon aus die westliche Linie mit dem Stuttgarter Psalter verebbt, muss ich mich hier korrigieren, denn tatsächlich reicht die Linie weiter.
Etwas zwischen den Stühlen scheint eine Elfenbeinplatte vom Einband des Melisende Psalters von 1131–1143 zu stehen. Da findet sich eine Darstellung von David und Goliath. Der entstand zwar für eine westliche Person, Fulko V. von Anjous Frau Melisende, das Ganze aber in Jerusalem als Eigenschaft des Königs und der Königin des Kreuzfahrerreichs von Jerusalem. Also byzantinisch geprägte Künstler im westlichen Dienst. Da muss ich noch ein bisschen Zeit reinstecken.
Aber im Westen scheint es nicht sonderlich viele zirkulierende Vorlagen gegeben zu haben. Und alle scheinen ein Manko zu besitzen. Und die liegt in der Haltung des Goliath.
Timm Weski1 hatte schon so seine Probleme mit dem Goliath im Stuttgarter Psalter. So sah er den Schild in der rechten Hand, die Lanze in der Linken Hand wobei die Lanze auf der rechten Kopfseite vorbei führt und auch rechts hinter dem Schild verläuft. Etwas, das nur funktioniert, wenn man sich den Arm auskugelt.
Schaut man sich die David Plates zum Vergleich an, erkennt man das man auf Goliaths Rücken schaut und nicht auf die Brust. Zudem ist an der Hand und dem Daumen erkennbar das die Lanze mit rechts geführt wird.
Die Daumenstellung im Stuttgarter Psalter ist identisch, aber im Gegensatz zu den David Plates gibt es keinen echten Anhaltspunkt, ob man auf Rücken oder Brust schaut. Nur die Position des Schwertes könnte noch darauf hinweisen, dass es vielleicht der Rücken ist.
Schaut man sich nun den angelsächsischen Tiberius Psalter an, der um 1050 entstanden sein soll, sieht die Welt wieder anders aus.
Goliath hat nun mit dem Oberkörper die Drehung vollzogen! Wir schauen nun gar nicht mehr auf den Rücken, sondern klar auf die Brust des Goliath, erkennbar am Halsausschnitt der Tunika. Auch das Schwert ist nun weiter nach hinten gerutscht. Die Lanze wird nun sicher mit der Linken geführt, hat aber noch die Daumenstellung einer rechten Hand!
Interessant am Tiberius Psalter ist weiterhin der Schwertgurt. Auch dieser hat eine seltsame Position eingenommen. Er läuft nämlich nicht an der Hüfte entlang, sondern läuft unter der rechten Achsel hindurch. Ganz so als sollte es eigentlich einen Schulterriemen darstellen. Dabei ist interessant das es im Stuttgarter Psalter auf fol. 47v auf einer Tunika einen eigenartigen Faltenwurf gibt, der von der Schwertscheide ausgeht. Es scheint hier so als habe man erst einen Schulterriemen zeichnen wollen, diesen aber wieder verworfen. Etwas das bei unbedachter Übernahme aus der Vorlage entstanden sein könnte.
Diese Drehung, bzw. die Verwendung der falschen Hand, findet sich nach jetzigem Kenntnisstand in dieser Form nur in den westlichen Psaltern. Zwar schauen wir im Vat. gr. 752 auch auf den Bauch Goliaths, dafür ist er aber von der rechten Bildseite auf die Linke gewechselt. Im Barberini Psalter schauen wir ebenfalls auf den Bauch, dafür ist die Haltung der Lanze eine andere, Goliath hält sie mit beiden Händen vor dem Körper, weshalb der Schild wegfällt. Dennoch führt er ihn auf der linken Körperhälfte, was für einen Rechtshänder dennoch ungewöhnlich wäre.
Es scheint als sei die Vorlage, die im Westen kursierte in ihrer Darstellung selbst nicht so fein gewesen wie etwa die David Plates, vielleicht wies sie auch nicht so viele Details auf. Denkbar wäre aber auch das die Rüstung zu einem Zeitpunkt X falsch interpretiert wurde. Diese Kopie konnte dann nicht mehr klar als Rücken Goliaths erkennbar gewesen sein. Von Kopie zu Kopie wurde die Darstellung immer verwaschener bis schließlich Goliath im Tiberius Psalter tatsächlich die Drehung gemacht hat.
T. Weski, Der Stuttgarter Psalter – (k)eine Quelle für die archäologie des Frühmittelalters in Jahrbuch des römisch-germanischen Zentralmuseums Mainz 62. Jahrgang 2015, S.433 ↩
Hat mir sehr gefallen und ich habe mich immer auf den nächsten Teil gefreut. Der Text schuf wirklich eine intensive…
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…
Ab heute mit Jahresangaben nach Holozän-Kalender? Ich finde das gut; überlege ebenfalls, den öfter zu verwenden. (Es wird das Jahr…