Der Mann von Bernuthsfeld – Teil 2 – Die Kleidung
Die Kleidung im Allgemeinen
Das Moor sorgt zwar für einen guten Erhaltungszustand von Textilien, aber nur, wenn es sich nicht um pflanzliche Materialien handelt. So würde eine Leinentunika schnell zersetzt werden. Wolle und Fell bleiben dagegen erhalten. Wenn also der Mann einen Untertunika oder eine Hose aus Leinen trug, werden wir das wohl nie erfahren! Ähnlich verhält es sich mit Eisen. Während sich Buntmetall im Moor erhält, reagiert Eisen mit der Säure des Moores und zersetzt sich.
Hahne rekonstruierte die Liegeposition des Toten und die Abfolge seiner Kleidungsstücke. Dies war ihm Möglich durch die Aussagen der Beteiligten, an der Bergung des Toten, aber auch durch die Falten, die die die mehr als Tausend Jahre im Moor hinterlassen hatten. Und das obwohl die Kleidung gewaschen und gebügelt worden war.
Der große Mantel ( Wollmantel)
Der Mann trug auch einen großen Mantel bei sich. Eine 170cm x 195cm messende Wolldecke mit Fransen an einer Kurzseite. Bei der Auffindung befand sich die Fransenseite auf Höhe der Knöchel, wies also nach unten. Der obere Rand war umgeschlagen.
Der Mantel bestand aus feiner Grundwolle, gemischt mit langen Deckhaaren und besaß ein Fischgratmuster. Er war wohl mit einer Gewandnadel oder Fibel geschlossen. Bei der Restaurierung 2016 wurden Restaurator Jens Klocke an der linken oberen Ecke des Gewebes mehrere kleine Löcher entdeckt, die wohl von dieser Nadel oder Fibel herrühren. Sie sind immer paarweise Symmetrisch angeordnet, zeugen also vom Umschlagen des Mantels. Das Heumüller nun daraus schließt die Mantel sei über der linken Schulter geschlossen gewesen1 Ist wohl ein Fehler, hervorgerufen durch die Abbildung des Mantels Hahne, der die Außenseite zeigt (also spiegelverkehrt), dies aber auch notiert.
Sieht man sich die Abbildungen der Lage der Leiche an, kann man erkennen, dass der Mantel auf der rechten Körperhälfte geschlossen gewesen sein sollte.
Die Zeichnung Hahnes zeigt auch eine Verfärbung des Mantels, die zum einen wieder an der Umschlagkante gespiegelt ist, zum Anderen wohl mit dieser Verfärbung auch die Liegeposition des Toten widerspiegelt. Als der Verwesungsprozess des Toten eingesetzt hatte, trat wahrscheinlich Leichenflüssigkeit aus dem Körper aus. Wohl zunächst auf der Höhe des Gürtels, zersetzte hier Teile der Tunika und ließ Flecken auf dem darunter liegenden Mantel zurück. Diese Leichenflüssigkeit zersetzt wohl auch eine Ecke des Mantels.
Der Mantel war in einem ausgezeichneten Zustand, gegenüber den restlichen Textilien des Ensembles. Dies erzeugt die Idee, der Mantel könnte von der Person stammen, die den Toten im Moor fand und bestattete. Er könnte dem Toten ihn als Grabbeigabe mitgegeben haben. Andererseit könnte der Tote den Mantel aber auch vor seinem Tod erhalten haben. Irgendjemand sah den armen Kerl im Winter ohne richtigen Mantel und sagte sich “Ich hab doch noch einen alten Mantel von Opa im Schrank, nimm den, bevor du mir erfrierst…”
Das Schultertuch (kleiner Mantel)
Das Schultertuch des Mannes, das wohl die Funktion eines Schals übernahm, hatte eine Größe von 140cm x 92 cm und besteht aus zwei Stoffen. Es wurde unter dem Mantel getragen. Die Stoffe bestehen aus einem gestreiftes Gewebe und umfasst dabei ein einfarbiges Gewebe an zwei Seiten. Dabei ist das gestreifte Gewebe noch einmal geteilt worden, so das die Streifen an der Längsseite horizontal, an der Kurzseite Vertikal liegen.
Bei der Untersuchung der Stoffe konnte Farke feststellen, dass das einfarbige Gewebe locker und voluminös gewebt ist. Die langen Faser wurden nachdem Weben aufgebürstet, so das ein flauschiger Pelz entstand. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um die bekannten friesischen Stoffe. Dies gilt auch für den großen Mantel.
Dieser kleine Mantel weckt Erinnerung an die Aussage von Notker Balbulus, die dieser Karl dem Großen in den Mund legt, in der er sich über die kurzen friesischen Mäntel beschwert, mit denen man sich nicht zudecken könne.
Wadenbinden und Fußlappen(?)
Bei der Leiche wurden ebenfalls zwei lange, schmale Webstreifen gefunden, die ihrerseits wiederum aus zwei Teilen zusammengenäht sind. Das vollständig erhaltene Exemplar besitzt eine Länge von 361 cm. Die zum Teil verlorenen Lederriemen gehörten möglicherweise zu den Wadenbinden und dienten der Befestigung. Zwei rechteckige Textilien deutete Hahne als Fußlappen. Fußlappen sind Tücher, die um den Fuß gewickelt werden und in aller Regel Socken ersetzen. Gerade beim Militär waren sie lange Zeit in Benutzung und die russische Armee schaffte sie erst offiziell 2013 ab2 , wobei sie wohl im Moment wieder genutzt werden… Die Verwendung von Fußlappen könnte wiederum für Schuhe sprechen, die dem Toten aber abgenommen wurden, wobei dies nur eine Idee meinerseits ist.
Ich gehe davon aus, dass Restaurator Jens Klocke und Dr. Katrin Kania daraus das Täschchen rekonstruierten, ähnlich einer Geldkatze, das über dem Gürtel getragen wurde und das bei der heutigen Rekonstruktion zu sehen ist.
Sonstiges
Die Messerscheide, die der Tote mit sich führte, enthielt vermutlich ein Messer von ca. 15cm Länge und maximal 3cm Breite. Die Klinge ist nicht erhalten. Möglicherweise hatte sich das Eisen im Moor zersetzt. Oder aber jemand hatte das Messer an sich genommen. Wie das Messer am Gürtel befestigt war scheint nicht ganz klar. Hahne rekonstruiert in seinen Zeichnung aus einem der gefunden kleinen Lederriemen eine Art Schlaufe in der die Scheide gesteckt haben könnte.
Der Haselstab der bei der Leiche gefunden wurde, wird in einem Zeitungsartikel von 1907 als armdick bezeichnet. Er ist heute nicht mehr erhalten und besaß eine Länge von mindestens 120 cm. Zu seiner Funktion gibt es zwei Ideen. Die Ältere geht davon aus dass die Leiche damit in der Grabgrube verkeilt wurde , damit sie nicht durch das Moor nach oben gedrückt wurde. Die Aktuelle vermutet eher eine Art Wanderstab darin. Dabei könnte der Tote den Stab auch genutzt haben, um die Hüftarthrose erträglicher zu machen.
Die Mützen
Tatsächlich wurden bei dem Mann von Bernuthsfeld zwei Mützen gefunden. Eine aus Wolle und eine aus Fell.
Da die Fellmütze erst kurz bevor ich diesen Text schreibe (Oktober 2024) wiedergefunden wurde, lassen sich nur wenige Aussagen darüber machen. Am 22.9.2024 veröffentlichte dann Kultur in Emden3 die Meldung das die Mütze im Magazin des Ostfriesischen Landesmuseums wieder gefunden wurde.
Ein wenig problematisch ist die Fundlage der Fellkappe im Verhältnis zur Leiche. Nach einer Zeichnung Hahnes wurde die Kappe ein wenig nördlich der eigentlichen Grabgrube in ca. 1m Tiefe in schwarzem Torf gefunden. Hier stellt sich die Frage, wie die Mütze hier hin ins Moor gelangen konnte.
Eine Datierung der Mütze, mit der der Zusammenhang zum Mann von Bernuthsfeld gesichert werden soll, steht noch aus. Die Mütze besteht aus Fell und sieht ein wenig aus wie eine fellene Bundhaube. Die Mütze besteht aus 2 etwa dreieckigen Teilen und einem kleinen Kreis, an dem die Teile verbunden sind. An der Seite befinden sich aus dem selben Fell zwei Bändchen mit der die Haube unter dem Kinn zusammengebunden werden kann. Die Zeichnungen Hahnes zeigen eine dunkle Fellfärbung in der Mitte. Nun kenn ich mich damit nicht ganz so aus, aber ich hatte mal ein Ziegenfell das in der Mitte ebenfalls eine solchen dunklen Streifen besaß.
Die zweite Mütze ist, wie die Tunika auch, aus Wollflicken gefertigt. In einer von Hahnes Zeichnungen wird die Mütze wie die Kapuze eines Kapuzenpullis dargestellt, die fest an der Tunika befestigt ist. Sie scheint dabei aus 9 Stücken hergestellt. Jedoch ist sie ein separates Stück.
Das Interessante an dieser Mütze ist, dass sie das nächstbeste Äquivalent zu einer Gugel ist, die sonst im Frühmittelalter fehlt!
Die Tunika des Mannes von Bernuthsfeld
Was die bekannte Tunika des Mannes von Bernuthsfeld angeht, ist zunächst festzuhalten, dass es sich nicht um eine nachträglich geflickte Tunika handelt! Es gab also keine “ursprüngliche Tunika“, die irgendwann verschlissen war und immer wieder geflickt wurde, bis das erhaltene Patchwork entstand. Auch wurden keine Spuren eines vergangenen Trägerstoffes, wie etwa Leinen, gefunden, der im Moor vergangen wäre.
Die Tunika wurde vielmehr direkt aus Flicken gefertigt. Dabei wurden Stoffe in Zweitverwendung genutzt. Dünne oder abgenutzte Stoffe wurden dabei doppelt gelegt. Die ganze Konstruktion ist so einfach wie möglich gehalten.
Wichtig ist es auch, sich gedanklich von der Vorstellung zu verabschieden, die Tunika bestünde in ihrer jetzigen Form aus einer gezielt hergestellten Vorder- und Rückseite, bzw. aus aus zwei geraden rechteckigen Bahnen. Zunächst sind sie nicht rechteckig und zum anderen ist es falsch, die Bahnen als 2-dimensionales Objekt zu verstehen, denn Vorder und Rückseite sind nicht einfach vernäht. Immer wieder greifen Teile von vorne nach hinten. So etwa bei den Stücken 12, 21 und 39 (Nummerierung nach Hahne)
Auch die seitliche Schlitzung, die an einer Seite bei Schlabow mit 20cm angegeben wird, ist keine gezielte Schlitzung. So hört Stück 21, das von vorne nach hinten greift, einfach in etwa dieser Höhe auf. Auch Stück 39 ist nicht einfach an der Rückseite befestigt, sondern greift über. So entstehen zwar Schlitzungen bzw. seitliche Öffnungen, die aber nur gezielte Schlitzungen imitieren. Es wird also nicht “geschlitzt”, sondern einfach ausgelassen.
Darstellungen, Präsentation und der Stehkragen der Tunika
Die älteren Darstellungen der Tunika (nach Hahne, Schlabow, Farke) sind in vielen Teilen keine 1:1 Darstellung der der Tunika von Bernuthsfeld. Vielmehr handelt es sich um schematische Darstellungen.
Auf Hahne ist auch der vermeintliche Stehkragen zurückzuführen. Er versuchte die Mütze, die eigentlich separat war, mit der Tunika zu verheiraten. Für eine sinnvolle Konstruktion musste ein Stehkragen geschaffen werden. Hinzu kam zu diesem Zeitpunkt das die Textilien gewaschen und gebügelt worden waren, was den ursprünglichen Faltenwurf verschleierte.
Als Hahne 1925 publizierte war er bereits von der fest verbundenen Mütze abgekommen, es blieb jedoch der verbindende Stehkragen an seiner Zeichnung erhalten, der aus bestehenden Textilien aus dem Verbund der Tunika konstruiert wurde. Diese Zeichnung blieb die Grundlage für weitere Zeichnungen.
Auch Schlabow nutzte sie als Vorlage, doch scheint er zumindest einen Fehler oder Unstimmigkeit bemerkt zu haben. Im Gegensatz zu Hahne rutscht nun die Halsöffnung nach vorne. Dies war nötig, da das streifenförmige Element 1 (nach Hahne) nicht soweit oben saß, wie es Hahne einzeichnete. Auch war es nicht als Stehkragen konzipiert sondern gerade an das Stück 28 (links dabenen) und 26 (darunter) das auf der vorderen linken Schulter sitzt. Um dies zu kompensieren wanderte der ganze Kragen nach vorne, verblieb aber als Stehkragen. Genauso verhält es sich mit der Schlitzung. Sie ist in wirklichkeit nur eine geöfnete Naht zwischen Stück 28 und 26.
Als nun Farke die Tunika untersuchte, erstellte sie eine neue Zeichnung, basierte diese wieder auf Hahne, veränderte sie aber in geringen Teilen. Erstmals wird die Form nun realistischer dargestellt und man kann auf der linken Körperhälfte eine Taillierung der Tunika erkennen. Dafür erscheint aber wieder der Stehkragen, wenn auch leicht abgeflacht, wie bei Hahne. Jedoch verschwindet seltsamerweise Teil 40 und die seitliche Schlitzung scheint nun mit Teil 41 zu beginnen. Gleichzeitig wird die Tunika fotografisch abgebildet, wobei man sehen kann das sie sich auf einem Gestänge, ähnlich einer Vogelscheuche, befindet.
Für die folgende Ausstellung im schwedischen Silkeborg 1998 wurde die Tunika auf eine neue Unterlage montiert und mit einem feinen Netz gesichert. Dabei wurde die Tunika erstmals gerade und komplett ausgebreitet montiert, um schädigende Faltenwürfe zu vermeiden. Durch diese Ausbreitung wurden die Maßangaben die Schlabow mit 60cm x 105cm machte hinfällig. Die Tunika hatte nun eher eine größe von ca. 65cm x 115 – 120cm. Wie Restaurator Jens Klocke mir mitteilte rührt daher die Annahme das der Mann wesentlich größer war als bisher angenommen wurde. Zudem soll es einen Rechenfehler bei der ursprünglichen Größenberechnung der Knochen gegegeben haben. Klocke schätzt die Größe eher auf 180-185cm ein. Was den Mann zu einer imposanten Erscheinung macht.
Im Rahmen des 2011 begonnen Großprojekts zur Untersuchung des Mannes von Bernuthsfeld wurden die Textilien zunächst von Restaurator Jens Klocke und später durch Klocke und Textilforscherin Dr. Katrin Kania untersucht, um schließlich eine Rekonstruktion zu erstellen.
Klocke entdeckte dabei ein loses, dreieckiges Stück eines Diamantköperstoffes mit Randsaum an der Langseite. Dieses fügte sich and die Fehlstelle über Stück 1 , eben jenem vermeintlichen Stehkragen, ein, wo seit dem gerade aufziehen der Tunika eine Lücke klaffte. Das aufgebrauchte feine, kaum sichtbare Netz verhinderte allerdings, dass Klocke und Kania die Tunika von innen untersuchen konnten.
Die Form der Tunika
Zeigten nun die ursprünglichen Zeichnungen der Tunika einen geraden Körper mit leicht angewinkelten Schultern ( Hahne, Schlabow), hatte Farke erstmals dem Körper mehr Form gegeben.
Die heutige Präsentation und die Rekonstruktion zeigen dagegen eine noch deutliche Figurbetonung der Tunika. Auf der linken Seite ist die Tunika im Verhältnis von Achselbereich zu Taille um ca. 10cm weiter. Auf der rechten Seite dagegeen ist fast kein Unterschied auszumachen, dafür weitet sich die Tunika im Rockteil um ca. 5cm.
Ebenso sind auf der Vorderseite die Ärmel eingesetzt. Zwar sind es keine Armkugeln, aber dennoch wird der Sitz des Ärmels ergonomischer und weist somit leicht nach vorne.
Obwohl wir es mit einer notdürftig hergestellten Tunika zu haben, macht es dem Eindruck das ihr Schöpfer, der wohl mit dem Träger identisch ist, hier eine Form nachahmte die ihm zum einem bekannt war und zum anderen wohl im Status höher angesehen war als er selbst. Oder um es anders zu sagen, er versuchte, sich aufzuwerten.
Die Tunika, die er schuf, nahm dabei indirekt Formen vorweg, die aus dem Umfeld von Haithabu durchaus bekannt sind. Da ist zum einen die Körperbetonung der Tunika. Die entsprechenden Einsätze für Ärmel, aber auch die Naht der Ärmel selbst. Bei einem Ärmel liegt sie nicht auf der Unterseite, wie man es heute meist realisiert, sondern auf der Rückseite. Genauso wie es bei dem bekannten Haithabu Ärmel der Fall ist.
Ob nun die Tunika, die als friesisch anzusprechen ist, eine Vorfahr der in Haithabuh verbreiteten Tunika war, oder in wie fern diese sich von der im fränkischen Raum verbreiteten Tunika unterschied, muss offenbleiben.
Erste eigene Beobachtungen durch das Nachnähen der Tunika
Da ich die Tunika zur Zeit nachnähe, habe ich zur Formgebung bereits eine Vermutung zu äußern. Die recht hohe Weite der Schultern könnte den engen Ärmeln geschuldet sein, die ohne Keile eingesetzt sind. Die Ärmel haben an der Schulter einen Umfang von 34cm, bei einer Länge von etwa 50cm. Um nun in diese Ärmel zu gelangen, ohne ein Schlangenmensch zu sein oder die Tunika zu zerreißen, woran dem Träger wohl kaum gelegen war, ist es daher sinnvoll einfach die Weite der Brust zu erhöhen.
Auch die rückwärtige Naht an einem Ärmel und der Flicken auf dem Ärmel mit unterer naht lässt sich verhältnismäßig leicht erklären. Da die Ärmel eng anliegen, ist der Zug auf die Naht erhöht, wenn sie direkt auf dem Ellbogengelenk aufliegt. Da die Nähte auch eher schlecht ausgeführt sind, könnte die Naht an dieser Stelle aufreißen. Um dies zu vermeiden, ist sie versetzt. Auf dem Ärmel, der in gewohnter Weise vernäht ist, befindet sich an der Stelle des Ellbogengelenks ein Flicken, der den Zug auf die Naht abfängt oder möglicherweise einen bereits vorhandenen Riss abdeckt.
Unterschiede von Vorder- und Rückseite
Bei der heutigen Präsentation wird nur die Vorderseite der Tunika gezeigt, dabei besitzt die Rückseite durchaus interessante Aspekte. Die Vorderseite bestich durch eine Vielzahl von größeren und kleineren Flicken. Ihre Webrichtung, also der Verlauf des Kettfadens ist dabei immer wieder unterschiedlich. Auch findet sich hier ein großer diagonaler Flicken.
Die Rückseite bietet dagegen ein homogenes Bild. In aller Regel dominieren Rechte Winkel und größere Teile. Bis auf ein Stück ist die Kettrichtung immer gleich.
Es liegt die Vermutung nahe, dass die Rückseite eine ursprünglicheren Zustand besitzt als die Vorderseite.
Klar als Flickstellen erkennbar sind hier zwei Stellen zu nennen. Zum einen ein großer Rechteckiger Flicken aus dunklem Fischgratköper, der unterhalb der Gürtellinie sitzt. Hier könnte ein Flicken notwendig geworden sein, da er sich an der Stelle befindet von der anzunehmen ist das der Träger darauf saß. darüber findet sich auf der linken Körperhälfte der Flicken in Form eines Viertelkreises. Er könnte durch die Reibung des Gürtels notwendig geworden sein.
Verwendete Webarten und Farbe
Durch die Lagerung im Moor haben alle Textilien eine rotbraune Farbe angenommen. Mal heller, mal dunkler. Daher wollte man bei den Untersuchungen ab 2011 auch untersuchen, ob sich Farbreste in den Textilien erhalten haben. Ein Farbstoff konnte aber leider nur im Flicken Nr. 40 ( Vorderseite, rechte Körperhälfte unten, an der Schlitzung) nachgewiesen werden. Dabei handelte es sich um den gelb färbenden Farbstoff Quercetin, der aus Birke oder Färberweide gewonnen wird.4 Bei allen anderen Teilen konnten keine Farbstoffe mehr nachgewiesen werden, wohl weil sie zersetzt oder ausgewaschen wurden.
Bei den anderen verwendeten Stoffen konnte bei der Untersuchung der Katrin Kania und Jens Klocke nur die Beschaffenheit der Wollstoffe bestimmt werde, etwa ob is aus hellen Fasern , oder mellierten Fasern , also helle und dunkle Wolle gemischt hergestellt wurden. Für die Tunika wurde in der Hauptsache Köpperstoffe wie Diamant-, Fischgrad- , Gleichgrat, oder 2/1 Köper verwendet. Nur Stück 16 und 30 sind als Tuchbindung ausgeführt. Sie bestätigen die gängigen Beobachtungen über Webarten im Frühmittelalter.
Dabei sind die verwendeten Stücke mindestens in Zweitverwendung genutzt worden. Mitunter wurden verschlissene oder dünne Stücke doppelt gelegt.
Als Beispiel für die Doppellagigkeit ist hier der von Kania als Gewebe C bezeichnete Diamantköper zu nennen. Mit 11 bis 13 Kettfäden bei 0,5 – 1mm Stärke und 9 bis 10 weich gesponnen Schußfäde bei einer Stärke von 0,8 bis 1,3mm ein eher feines Gewebe, findet sich sowohl auf der Brust (34) unter dem Karoflicken als auch an der linken Schulter (29) während er an der Schulter doppelt gelegt ist, ist er an der Bruststelle einfach gelegt. Dieser Stoff findet sich auch als linker Arm wieder. Farblich ließ sich nur feststellen das der Schuß überwiegend helle Fasern besitzt, während die Kette sich aus hellen und dunklen Fasern gesponnen wurde.
Weitere Stoffe sind in Zweit- oder gar Drittverwendung angebracht worden. So etwa H12,13,14 unterhalb der linken Schulter. Hier wurde ein bereits vernähtes Textil wieder entfernt, in drei Teile geteilt und neu wieder miteinander vernäht.
Nähte
Der Näher der Tunika ging beim Nähen derselben eher pragmatisch vor. Die Flicken wurden aufgelegt, oft nur um Millimeter umgelegt, so dass die Fransen des Randes nicht mehr zu sehen waren und mit einem einfachen Schlingenstich angenäht. Auf diese Weise wurde versäubern und Nähen in einem Zug erledigt. Als Faden wurde ein doppelt gelegter Wollfaden verwendet.
Mein Dank für die notwendigen Informationen gilt Dr. Katrin Kania MA und Jens Klocke!
M. Heumüller, Der Mann von Bernuthsfeld und die Moorleichenforschung in Niedersachsen in MATERIALHEFTE ZUR UR- UND FRÜHGESCHICHTE NIEDERSACHSENS BAND 57 – „Bernie“ – Die Moorleiche von Bernuthsfeld S29 ↩
Quelle: SZ: https://www.sueddeutsche.de/panorama/abschied-von-fusslappen-russische-armee-fuehrt-nach-300-jahren-struempfe-ein-1.1573347 ↩
https://www.kultur-in-emden.de/2024/09/22/ist-bernies-muetze-wieder-aufgetaucht/ ↩
R. Lehmaln et al., Farbstoffanalysen in FAN Post 2018 – Mitteilungsblatt des Freundeskreises für Archäologie in Niedersachsen e.V. S36 ↩
Sorry, hat etwas gedauert... Ist aus einem Plan der sich bei Rudolf Kautsch, Der Dom zu Worms (1938), aber auch…
Hi, zur Baugeschichte des Doms: "Das Langhaus besitzt die Abmessungen des heutigen Domes und endet an einem Spannfundament am zweiten…
Man könnte hier auch noch den Bericht der Annales Nazariani zum Tassilo-Prozess in Ingelheim 788 anführen: "Und als das so…
Hat mir sehr gefallen und ich habe mich immer auf den nächsten Teil gefreut. Der Text schuf wirklich eine intensive…
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl