Nähen für Anfänger oder was ich bisher an Tuniken genäht und gelernt habe
Meine erste Tunika entstand um 2005 herum. Ich wollte damals beim FFC mitmischen und wollte daher etwas selbst per Hand nähen. Auf einem Mittelaltermarkt kaufte ich Wollstoff. Als Schnitt hatte ich mir etwas einfaches ausgesucht, T-Form mit vier Geren am Rock. Da ich Angst hatte, Keile unter die Achsel zu nähen, schnitt ich die Ärmel einfach in Form. Aber mit meinen Nähkünsten war es nicht ganz so weit her, weshalb man an den Geren das Leinengarn sieht. Ursprünglich war die Tunika am Hals noch mit weißem Leinenstoff belegt. Diese Näherei löste zu diesem Zeitpunkt einen Schreikrampf bei mir aus.
Auch der Nähprozess als solches war damals eher chaotisch. Ich hatte keine Ahnung wie man das macht und habe ziemlich aus Gefühl heraus gehandelt. Vor dem Vernähen hatte ich sämtliche Teile mit einem Deckenstich versäubert und im Anschluss einfach mit einem Rückstich alles zusammengenäht.
Da ich damals wesentlich fülliger als heute war ist die Tunika 70 x 105cm entsprechend groß. So groß, dass sie inzwischen sogar schon mal als Kleid erhielt.
Sie diente einmal im Treburer Heimatmuseum als Darstellung eines einfachen Saliers auf einer Puppe. Inzwischen nutze ich sie noch immer unter der Kette, nur die Nähte gehen langsam auf, da das Garn morsch geworden ist. Für diese Sekundärnutzung habe ich den Belag am Hals entfernt und mit grünem Wollgarn alles mit einem Zierstich umrandet.
Meine Zweite Tunika entstand als mit dem Blog angefangen hatte. Es war eine karolingische Tunika. Ebenfalls ein einfacher Schnitt. Eine gerade Bahn am Körper die lediglich bis zur Hüfte geschlitzt war. Gedanklich war Bernuthsfeld vom Schnitt die Vorlage. Die Säume hatte ich sämtlichest belegt, die Nähte waren inzwischen einigermaßen korrekt, aber schlecht ausgeführt. Ursprünglich wollte ich mir damals mehr Zeit für die Fertigstellung lassen, jedoch musste sie aus Gründen dann doch schneller fertig werden. Dementsprechend hat das mit den Besätzen auch nicht so Klasse funktioniert.
Auch damals hatte ich noch mehr Gewicht, weshalb auch sie entsprechend groß ausfiel, aber 2016 dann eigentlich schön fiel.
Diese Tunika kam zum letzten mal für das Archäologische Museum Frankfurt 2016 zum Einsatz und wurde diversen Trebur Führungen getragen. Sie überlebte leider den großen Mottenkrieg von 2016 nicht.
Zwischenzeitlich hatte ich bereits einige Tuniken entworfen und mir Gedanken zum Schnitt gemacht , diese aber nie umgesetzt. Ein Problem war dass man zunächst nicht an Seidenrepliken kam und ich eigentlich nicht die Notwendigkeit sah eine zu nähen. U.a. wurde ich bereits auf dem Museumsuferfest in Frankfurt auf die Schnitte angesprochen worden, mit der Aussage das diese gut funktionieren.
2020/21 setzte ich dann meine Ideen erstmals richtig um. Es entstand eine grüne Tunika mit orangefarbenem Seidenbrokat. Ursprünglich war als Farbe blauer Diamantköper vorgesehen, aber den bekam ich zu dem Zeitpunkt nirgendwo her.
Der Rock ist separat aus sechs Teilen zusammengesetzt. Eine Idee die ich früher einmal hatte, unwissend, dass dies auch für einige Funde aus Haithabu vermutet wird.
Zusätzlich versuchte ich mich erstmals an echten Armkugeln und taillierte den Körper, der an seiner breitesten Stelle 56cm hat. Zusätzlich ist der Oberkörper länger geschnitten als notwendig, damit der Stoff über den Gürtel fällt. Somit wollte ich den Abbildungen näher kommen. Inzwischen bin ich von dieser Technik wieder weg. Ich tendiere mittlerweile dazu, das Überlappen über den Gürtel durch eine insgesamt größere Weite zu erzielen. Bei der komplett seidenen Prunktunika von 2024 ging ich dann erstmals bewusster diesen Weg. Vorbilder dazu finden sich in Byzanz, aber auch die Bernuthsfeldtunika könnte meiner Ansicht nach Hinweise dazu geben. (Dazu bei Gelegenheit mehr) Was ich auch nicht bedacht hatte bei dieser Tunika, war das ich im Grunde eine Haithabu Tunika im karolingischen Look genäht habe.
Fast zur selben Zeit hatte ich ein prunkvolles karolingisches Kleid genäht und von den Belägen noch viel Oseberg Seide übrig. Es entstand die Idee zu einer weiteren Tunika.
Dieses Mal sollte die Beläge aber nur in kleinen Streifen aufgebracht werden, ohne das Muster zu berücksichtigen. Etwa so wie es aus nordischen Funden bekannt ist. Zudem wollte ich einen Kragen mit asymmetrischer Schlitzung nach Vorbild des Psalters von Corbie ausprobieren. Und wo ich schon mal beim Ausprobieren war, wollte ich auch die Haithabu Ärmel ausprobieren. Dabei verwendete ich wieder Armkugeln, doch schnitt ich die Tunika nicht so tailliert wie zuvor und machte ich den Rockteil kleiner als zuvor, Schlitzte ihn dafür aber links und rechts. Warum die Rückseite länger als die Vorderseite ist, kann ich mir nicht erklären.
Als wir dann in Tilleda für Arte drehten und ich dabei Karl den Großen spielen musste, ich trug dabei die grüne Tunika mit den orangenen Seidenbesätzen, entstand in meinem Kopf die Idee doch mal die herrschaftliche Kleidung eines fränkischen Kaisers darzustellen. Gesagt getan!
Vorbild waren zum einen die Abbildungen Karls des Kahlen, zum anderen byzantinische/ koptische Funde. Da die Seide recht dünn ist fütterte ich sie mit feinem Leinen. Den Ärmeln verlieh ich dieses mal richtig Überlänge. Ein Ärmel ist ca. 90cm lang, um die geschoppten Ärmel der Abbildungen zu erzeugen.
Ich wollte auch soviel wie möglich von dem teuren, aber schmalen Stoff verbrauchen. Daher Ist die Tunika mit 105cm genauso lang wie meine Allererste und mit 60cm wieder breiter als meine Neueren. Die seitlichen Keile setzen sich direkt unter dem Arm an und weiten sich bis zum Saum, zusätzlich sind sie etwa 20cm geschlitzt. Die Seidenbesätze wurden zusätzlich noch mit Perlen gefasst. Der Die Halsöffnung ist recht eng und daher auf der linken Schulter zusätzlich geschlitzt. Verschlossen wird es mit einem Goldknopf.
Bald schon musste ich noch ein einfaches Frauenkleid nähen (übrigens das erste mal das ich einen Schlüssellochausschnitt nähte) und hatte dabei noch einmal Wolle für mich mitbestellt. Nach dem ganzen Seidenkram wollte ich doch noch etwas einfaches mit dem man auch mal durch den Wald gehen kann ohne Angst haben muss sich den Seidenbesatz auf- oder abzureißen.
Da ichs aber nicht lassen kann, irgendwelche Experimente zu machen, habe ich auch hier ein klein wenig experimentiert. Ich blieb bei der bequemen Weite von 60cm und der Länge von 105cm. Zwei Keile an den Seiten weiten die Tunika und bestehen ihrerseits auch wieder aus zwei Teilen. Dabei reichen die Keile nicht ganz unter die Arme, sondern enden ein Stückchen darunter, weiten aber dennoch entsprechend die Tunika. Die Ärmel sind mit 50cm vielleicht 1 od. 2cm zu lang, aber etwas weiter als sonst um sie einfach mal bequem hochschieben.
Für den Hals wählte ich mal einen Stehkragen, vermeintlich nach der Tunika von Bernuthsfeld, nicht ahnend, was das noch in mir auslösen würde. Men eigentliches experiment war aber wie schnell ich eine Tunika nähen kann. Ich habe drei Tage gebraucht. Wäre ich konsquent an einem freien Tag dran geblieben. hätte ich sie vielleicht an einem Tag komplett fertig bekommen. Das sagt zumindest, dass jemand, der im Mittelalter anständig nähen konnte, so etwas sicherlich an einem tag hinbekommen hat. Ich muss gestehen, dass ich hier meine bisher besten Nähte gesetzt habe. Im Grunde ist es eine Allzwecktunika.
Nach der ganzen Näherei und dem Aufräumen bemerkte ich erst einmal, wie viele Stoffreste ich hier in verschiedensten Webarten habe. Da müsste sich doch was machen lassen? Gab es da nicht mal was mit einer Größe von 60*105cm, wie ich sie des öfteren jetzt verwendet hatte? Ja, die Tunika von Bernutshfeld, die hier schon erwähnt werde. Ich bin bereits ziemlich tief in dieses Loch eingetaucht und hoffe nächst Woche erste Erkenntnisse kund tun zu können. Ich glaube auch das man aus der Tunika mehr lernen kann, als nur Flicken zu recyclen!
Sorry, hat etwas gedauert... Ist aus einem Plan der sich bei Rudolf Kautsch, Der Dom zu Worms (1938), aber auch…
Hi, zur Baugeschichte des Doms: "Das Langhaus besitzt die Abmessungen des heutigen Domes und endet an einem Spannfundament am zweiten…
Man könnte hier auch noch den Bericht der Annales Nazariani zum Tassilo-Prozess in Ingelheim 788 anführen: "Und als das so…
Hat mir sehr gefallen und ich habe mich immer auf den nächsten Teil gefreut. Der Text schuf wirklich eine intensive…
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl