Die Mainzer Mauerbauordnung
Anfang des Jahres 882 stirbt Ludwig III. in Frankfurt. Ein Heer, das er noch bei Prüm wütenden Nordmännern entgegen sandte, zerschlug sich, ohne mit dem Gegner zusammenzutreffen. Da man befürchtete, die Nordmänner könnten in Richtung Mainz ziehen, beginnt man Anfang des Jahres in Mainz die alte römische Stadtmauer wiederherzustellen.1
Die Nordmänner ziehen jedoch die Mosel entlang nach Trier und Metz.
Während die Nordmänner weder die Pfalz Tribur noch Mainz je erreichen oder angreifen werden, hinterlässt die Instandsetzung der Mainzer Stadtmauer einen lange Zeit bleibenden Eindruck auch für Trebur in Form der Mainzer Mauerbauordnung.
Die Mainzer Mauerbauordnung ist uns in einem Dokument des 15. Jahrhunderts überliefert2, dessen Form aber aus dem 12. Jahrhundert stammt. Classen schließt nicht aus das sich diese Mauerbauordnung auf den Ausbau der Mainzer Stadtmauer durch Bischof Luitbert im Jahr 882 zurück zu führen ist. 3
Diese Mauerbauordnung verpflichtete zahlreiche umliegende Orte zum Unterhalt und Instandsetzung der Zinnen der Mauer im Gegenzug für Schutzrecht. Dabei ist der Unterhalt eines kompletten Stückes Mauer mit Zinne und zugehöriger Scharte zu verstehen, wobei eine Zinne mit etwa 3 m Länge gerechnet wird..
Die Liste der Orte wird durch Trebur mit den ihm angehörigen Orten angeführt, das zum Unterhalt von 30 Zinnen ( würde etwa 90m Mauer entsprechen) verpflichtet war, gefolgt von Ingelheim mit seinen entsprechend zugehörigen Orten. Nieder-Olm mit 24, Oppenheim mit Dienheim mit 18 und Algesheim mit 16 Zinnen.
Für die Instandhaltung der Mauer wird den Orten jedoch nicht nur Schutz gewährt. Auch genießen sie Zollfreiheit beim Kauf und Verkauf von Waren in Mainz4
Auffällig ist, dass in dieser Liste Rüsselsheim mit Seilfurt separat aufgeführt sind und dabei gemeinsam für 8 Zinnen verantwortlich sind.
Einige Steine innerhalb der Mauer haben sich erhalten in den notiert ist wer wieviel Zinnen zu verteidigen, bzw. Instandzuhalten hat: So findet sich z.B. die Inschrift CIVES DE ELTE VILLE HABENT IIII CINNAS also “Eltvlille hat 4 Zinnen zu betreuen”. Dabei wurde ein römischer Grabstein als Basis verwendet.5
Dabei ist Eltville nicht in der Liste der Mauerbauordnung aufgeführt und nur durch diesen Stein bekannt. Anders dagegen verhält es sich mit etwa Groß- Saulheim und Odenheim, die nach der Mauerbauordnung 14 bzw. 13 Zinnen zu unterhalten haben, nach ihrem Zinnenstein jedoch nur 6 bzw. 4 Zinnen.
Geschichte der Mainzer Stadtmauer
Die Differenzen dieser Angaben resultieren wohl zum großen Teil aus der Geschichte der Mainzer Stadtmauer.
Die in spätkarolingischer Zeit durch Bischof Luitbert (863-889) errichtete Mauer folgte der römischen Stadtmauer, von der jedoch nicht bekannt ist, wie ihr damaliger Zustand war. Schon Erzbischof Hatto I (891-913) erweiterte die Stadtmauer zum Rhein hin, wo sich auf dem noch hochwasserfreien Gebiet vor dem Rheinufer Händler und Fischer angesiedelt hatten. Hier, noch hinter der ursprünglichen Mauer lag das reichste Viertel von Mainz, das sogenannte Friesenviertel, wo sich friesische Händler angesiedelt hatten, welches aber 886, wie die Fuldaer Annalen berichten, durch einen Brand zerstört wurde. Dieser Brand gab dem Friesenviertel wohl seinen heutigen Namen: “am Brand”.6
Diese Mauer bot Mainz lange Zeit Schutz. So hatte sich 853 Konrad der Rote aus dem Geschlecht der Salier mit Luitdolf, dem Sohn Otto I., gegen diesen hier verschanzt und 3 Monate standgehalten, bis Otto I. zu Verhandlungen bereit war.
Eine Wende für die Stadtmauer kommt jedoch unter den Staufern. Friedrich I. Barbarossa hatte sich gegen den Mainzer Erzbischof Heinrich I. ersten gewandt, der gegen die Königswahl Friedrich eingetreten war. Friedrich I. erwirkte beim Papst 1153 die Absetzung Erzbischofs Heinrichs I. Als neuen Bischof setzte er seinen Reichskanzler Arnold von Seelenhofen ein. Durch verschiedenste Aktionen verscherzte es sich Arnold jedoch mit den Mainzer Bewohnern, wobei er von Anfang an nicht als Bischof gewollt war. Immer wieder musste er gegen Wiedersacher vorgehen. 1159 zerstörten die Mainzer die Bischofspfalz. Sowohl die Aufständigen, als auch Arnold wandten sich zwecks Schlichtung an Friedrich I, der jedoch zugunsten Arnolds entschied. Doch immer wieder kam es zu Unruhen. Am 24. Juni 1060 gelang es den Aufständischen in das Mainzer Kloster St. Jakob einzudringen, wo sich Arnold aufhielt, da der Abt mit den Aufständischen sympathisierte. Man ermordete Arnold und seinen Bruder und zündete die Kirche an.
Doch was hat das mit der Stadtmauer zu tun?
Als Strafe für den Bischofsmord wurde 1163 ganz Mainz exkommuniziert, zuvor erworbene Rechte und Freiheiten wurden aberkannt und die Stadtmauer geschleift. Auch hier ist wieder unklar ob nur Breschen in die Mauer geschlagen wurden oder die Mauer vollständig zerstört wurde.
Doch Mainz konnte sich wieder aufrappeln und etwa den Mainzer Hoftag von 1184 ausrichten.
Um 1200, verursacht durch den Thronstreit zwischen Otto IV. und Philipp von Schwaben, wurde die Mauer dann wieder neu errichtet. Aus dieser Zeit datieren auch die erhaltenen Inschriftensteine mit Zinnenangaben, wie der oben erwähnte. Kurz darauf wurde Seelenhofen in Mainz integriert und die Stadtmauer auch um den kleinen Ort südlich der Stadtmauer gelegt.
Versuch einer Datierung der Mainzer Mauerbauordung
Zwar wurde ist uns die Mauerbauordnung erst durch eine Abschrift aus dem 15. Jahrhundert überliefert, doch klar ist sie älter. Jedoch sicherlich nicht direkt aus der Zeit des Mauerbaus Luitberts. Sie kann aber auch nicht aus der Zeit des Wiederaufbaus um 1200 stammen, denn hier zeigen sich Unterschiede den Angaben in Inschriftensteinen.
Wie bereits zu Anfangs notiert sieht sieht Classen, auf Grund der Schriftform den Ursprung des Dokuments im 12. Jahrhundert, also der Zeit kurz vor Schleifung der Mauer. Ein Hinweis darauf bietet auch die separate Erwähnung Rüsselsheims und Seilfurts.
Rüsselsheim gehörte ursprünglich zum Fiskalbezirk von Tribur, wobei der Zeitpunkt der herauslösung unbekannt ist. Seilfurt wird 1130 erstmals erwähnt, muss aber älter sein. Der Name weist jedoch nicht auf eine fränkische Gründung hin, wobei er recht selbsterklärend ist. Direkt am Main gelegen gab es eine Furt, mit Seilen gesichert, oder mit einem Boot am Seil passierbar. Das aber nur am Rande.
Für Tribur wird letztmals 1077 der Besuch eines (Gegen-)Königs verzeichnet und verschwindet dann bis auf eine Ausnahme bis zur Verpfändung 1248 aus den Akten . Zu diesem Zeitpunkt sollte Rüsselsheim noch zum Fiskalbezirk gehört haben, da uns keine anderweitige Nachricht, wie eine Schenkung, überliefert ist. 1163 wird die alte Mainzer Mauer zerstört.
Die Mauerbauordnung sollte also zwischen 1077 und 1163 entstanden sein. Vielleicht war die Zerstörung der alten Mauer auch der Grund für die Notierung bestehenden Rechts, damit dieses nicht verloren ging, weil man in der Hoffnung war das die Mauer schnellstmöglich wieder errichtet werden konnte.
Annales Fuldenses 1891 S.97 – (MGH SS rer. Germ. 7 882) ↩
Würzburg, Staatsarchiv, Mainzer Bücher verschiedenen Inhalts 75 ↩
Peter Classen Die Geschichte der Königspfalz Ingelheim bis zur Verpfändung an Kurpfalz 1375 in Ingelheim am Rhein – Forschungen und Studien zur Geschichte Ingelheims; S115 ↩
Monika Porsche. Dörfliche Mithilfe am städtischen Mauerbau im Frühmittelalter in BD. 10 (1999): Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit; S14 ↩
Christian Forster, Inschriftenspolien. Ihre Verwendung und Bedeutung im Mittelalter in Verborgen, unsichtbar, unlesbar – zur Problematik restringierter Schriftpräsenz S.152 ↩
M. Schulze-Dörlamm, Die Friesen und das Friesenviertel in Mainz aus etwas anderer Sicht in Zwischen Machtzentren und Produktionsorten S347ff ↩
Die 7000 Pfund war Karl der Kahle 845. Die Anzahl der (bewaffneten, professionellen) Verteidiger passt, wobei man von etwa 5000…
Mal wieder intressant zu lesen. Aber die Lobhudelei und masslosen Übertreibungen der Chronisten ist schon wie bei den Römern teilweise…
Sorry, hat etwas gedauert... Ist aus einem Plan der sich bei Rudolf Kautsch, Der Dom zu Worms (1938), aber auch…
Hi, zur Baugeschichte des Doms: "Das Langhaus besitzt die Abmessungen des heutigen Domes und endet an einem Spannfundament am zweiten…
Man könnte hier auch noch den Bericht der Annales Nazariani zum Tassilo-Prozess in Ingelheim 788 anführen: "Und als das so…