Karolingische Bildung – Teil II – Die Schulen
Mit dem Kapitular von 798 waren die Grundlagen für eine Bildungsreform gelegt worden. An Klöstern und an Domkirchen sollten Schulen entstehen, in denen sowohl unfreie als auch freie männliche Kinder unterrichtet werden sollten. Doch was muss man sich unter diesen Schulen vorstellen?
Klosterschulen
Die ersten Bildungseinrichtungen im fränkischen Raum waren die Klöster und die ihnen angeschlossenen Klosterschulen.
Gerade Orte wie York oder Canterbury, mit der noch heute bestehenden “The Kings School“ (gegr. 597), im späten 6. und frühen 7. Jahrhundert sind hier Vorreiter für Klosterschulen.
Mit der Iro-Schottischen Mission kamen auch die Gedanken der Klosterschulen auf den Kontinent, auch wenn es bereits seit Augustinus und wiederholt beim 2. Konzil von Toledo auf Grund der arianischen Westgoten in Spanien, die Forderung nach solchen Einrichtungen gegeben hatte.1
Die erste offizielle Klosterschule auf dem Kontinent wird somit die Abtei Saint-Pierre (Bèze). Deren erster Abt erhielt seine Ausbildung nach der Regel des heiligen Kolumban, eines iro-schottischen Missionars.
Bis nun das Admonitio generalis 789 als Startpunkt der karolingischen Bildungsreform in Kraft tritt, hatten sich einige später sehr bedeutende Klosterschulen gebildet: 724 war St. Gallen entstanden, 748 Fulda, 752 Prüm, 769 Hersfeld, um nur einige zu nennen.
Zwar wurden auch die Söhne Adliger in den Klosterschulen unterrichtet, wie etwa Einhard, das Hauptaugenmerk der Klosterschulen richtet sich aber auf die puerri oblati , jene Kinder, die für das klösterliche Leben und den Priesterstand vorgesehen waren.
Dabei war der Unterricht adeliger Söhne an den scholae exteriores ( “äußere Schulen” im Gegensatz zu den scholae interious – “innere Schulen” ) ein finanziell durchaus lukratives Geschäft für die Klöster.
Mit dem Hauptaugenmerk auf die puerri oblati versuchte man dem Mangel an zukünftigen Mönchen und Priestern entgegenzuwirken, denn waren im Zuge der Christianisierung oftmals Männer im Erwachsenenalter nach der Taufe direkt in ein Kloster eingetretet, fehlte diese Gruppe an Personen inzwischen nahezu vollständig. Zudem hatte dies zum Problem geführt, dass Mönche weder lesen noch schreiben konnten und auch sonst nicht den Wissensstand mitbrachten, der für einen Kleriker erforderlich war. Ein Problem das sich auch noch in der Synode von Tribur 895 niederschlägt, bei dem bemängelt wird, dass Landpfarrer des Lateins nicht mächtig sind und daher den Segen falsch spenden.
Mit der Einrichtung der Schulen sollte somit Nachwuchs mit entsprechender Vorbildung herangezogen und an das klösterliche Leben gewöhnt werden.2
In aller Regel verließen die adeligen Schüler die Klosterschulen mit Erhalt der “niederen Weihen”. Ließ sich der Schüler nun eine Tonsur scheren, wurde er de facto zum Priester und war zum Empfang von Pfründen, also dem Einkommen aus einer Pfarrstelle, berechtigt. Es ist jener Zustand, der im Hochmittelalter so erstrebenswert für die zweitgeborenen adeligen Söhne war, denn sie waren versorgt, dennoch hatten sie nicht die Priesterweihe abgelegt und wenn die Erbfolge es erforderte, etwa beim Tod des Erstgeborenen, konnten sie ihre bepfründete Stelle verlassen und das weltliche Erbe als normaler Adeliger antreten.
Das fortschreitende Ende der Klosterschulen kam im 11. Jahrhundert mit der Cluniazensische Reform und ihrer Ausprägung auf deutschem Boden, der Hirsauer Reform. Nach Meinung der Reformer hatten sich die Klöster zu sehr dem weltlichen Leben geöffnet. Auch die Schulen wurden als Teil dieses Problems verstanden, ermöglichte es doch Laien den Zugang ins Kloster.
Die Domschulen
Wenn es am Bischofssitz kein angeschlossenes Kloster mit Klosterschule gab, waren eigene Schulen hier bisher nicht vorhanden. Erst die Admonitio generalis von 789 forderte dies zwingend für die Bischofsstandorte.
Dabei wandert die Bedeutung der Schulen von den zunächst bevorzugten Klosterschulen hin zu den Domschulen.
Ab dem 12. Jahrhundert entstanden neue Schulen, quasi Zweigstellen der Domschulen vor Ort, die “Pfarrschulen” und “Küsterschulen” die bis in die frühe Neuzeit hinein die Standard Schulform in ländlichen Gebieten bildete
Damenstifte
Zu Beginn der 550 Jahre floh Königin Radegunde vor ihrem Mann, dem merowingischen König Chlothar.
Die ursprünglich thüringische Prinzessin war infolge der Schlacht an der Unstrut ins Frankreich gebracht worden, wo ihr Latein in Sprache und Schrift beigebracht wurde und sie den Chlothar I, Sohn Chlodwigs I heiraten musste.
Wahrscheinlich schon am Thüringer Hof hatte Radegunde erste Kenntnisse des Latein erworben, denn sie war am Hof ihres Onkels König Herminafrieds aufgewachsen, der mit einer Nichte des ostgotischen Herrschers Theoderich dem Großen verheiratet war.
Sie gründete in Poitiers ein Kloster, jedoch nahm sie nicht den Schleier, trat also nicht als Nonne in das Kloster ein. Dies war auch gar nicht möglich , denn sie war verheiratet und ihr Mann noch am leben. Sie wurde daher als diakona / Diakonisse geweiht und war daher nicht zur Einhaltung der Klausur gezwungen.
In ihrem Kloster pflegte sie Invalide und empfing Bettler zu Tisch. Diese Akte der christlichen Nächstenliebe wurde jedoch nicht als karitativer Zweck des Stiftslebens empfunden. Vielmehr waren sie ein Zeichen extremer asketischer Übung und Selbsterniedrigung, die bei weitem nicht dem Standard entsprach.3
Diese frühe Episode eines Stiftslebens, ja sogar der Stifterin selbst, gibt einen Einblick in die zukünftigen Damenstifte und umreißt einige Eckdaten für Damenstifte. Dabei ist die Erforschung der frühen Damenstifte heute erst am Anfang, da man sich in der Forschung primär auf die Männerkloster stürzte, wo die Quellenlage auch um ein Vielfaches besser ist.
Die Damenstifte waren an Eigenkirchen Adeliger eingerichtet worden. Die Aufgabe der Stiftsdamen / Kanonissen war es für die Memoria, also das Totengedenken des Stifters zu sorgen. Man könnte sie als institutionalisierte Klageweiber in christlichem Kontext verstehen.
Formell waren die Stiftsdamen bis 816 keine Kanonissen, da sie sich nicht offiziell an den namensgebenden krichlichen Kanon hielten und halten mussten.
Mit der Synode von 816 in Frankfurt wurde das kanonische Recht jedoch verbindlich. Zudem sollten die Stiftsdamen, entsprechend der benediktinischen Regeln schwarz tragen. Diese Vorgaben setzten sich jedoch erst völlig im Hochmittelalter durch. Zudem muss man sich nach der Auslegung dieser Vorschrift fragen. Möglicherweise trugen lediglich die die Stiftsdamen die Farben der Benediktiner, während die Leiterinnen, die oftmals aus dem Hochadel stammten, an ihrer prunkvollen Kleidung festhielten. So ist etwa Äbtissin Mathilde auf dem Otto-Mathilden-Kreuz aus dem 10. Jahrhundert, die Leiterin des ottonischen Stifts Essen war, in einer Kleidung abgebildet die klar prunkvolle Seidenstoffe zeigt.
Denkbar wäre auch das die Stiftsdamen /Kanonissen ähnliche Überwürfe wie den Skapulier, jedoch ohne Kapuze, trugen um somit ihren Stand anzuzeigen, ohne auf die normale Kleidung zu verzichten. Ich muss in diesem Zusammenhang an das “Hemd der heiligen Balthilde” denken.
Auch wird in solche Fällen mitunter von einfachen, rauhen Unterkleidern berichtet. Womit man für sich, in aller Stille, das einfache Leben führte, während man außen noch den adeligen Status zur Schau stellen konnte.
Unklar ist wie es sich mit den Stiftsdamen und der Krankenpflege verhielt. Während Stiftung und Krankenpflege oftmals in einem Atemzug genannt werden, geht Katrinette Bodarwé dagegen in ihrem Beitrag “Pflege und Medizin in mittelalterlichen Frauenkonventen” im Medizinhistorischen Journal4 davon aus, dass sie die Stiftsdamen nicht primär in der Krankenpflege involviert waren, sondern dies der angeschlossenen Männergemeinschaft überlies.
Auffällig ist, dass es im späten 8. und frühen 9. Jahrhundert zu einer vermehrten Gründung von Stiften in den Gebieten des heutigen Niedersachsen und Sachsen-Anhalt kommt, also eben jenen Gebieten die von den Sachsen erobert und dem fränkischen Reich einverleibt wurden und später für Damenstifte wie Freckenhorst, Gandersheim, Quedlinburg usw. bekannt werden.
(PS: Zu Damenstiften werde ich vielleicht in Zukunft aus Interesse noch einmal einen separaten Artikel machen )
Klassenräume
Was die Schulräume oder Klassenräume angeht, führt Franz-Michael Konrad aus: “Im Schulraum saßen die Schüler längs den Wänden des Saales und zwar jeder auf seinem eigenen Stuhl, während der Lehrer von einem erhöhten Sitz aus vortrug.”5 Dies ist die einzige Literatur, die ich fand, die dies entsprechend ausführt.
Möglich ist das Konrad sich in seinem Text auf eine Darstellung einer Miniatur bezieht, die er einige Seiten später zeigt und die aus dem Jahr 1372 stammt, denn sonst ist den Klassenräumen ist fast nichts bekannt, nicht einmal ein eigener Begriff ist klar überliefert. Das Wort auditorium war seit dem 6. Jahrhundert nicht mehr in Gebrauch, einzig findet sich das Wort schola (auch scuola, skuola, scola ) , das jedoch eine große, begriffliche Weite abdeckte. 6 Es kann für einen einzelnen Raum stehen, genauso wie eine Abhandlung, Vorlesung, einem Ort der Muße, oder ein ganzes Gebäude.
Letztendlich wissen wir daher kaum etwas über die Räume oder Gebäude, in denen die Schüler unterrichtet wurden. Riché geht davon aus, dass es sich lediglich um kleinere Räume handelte, die entweder im direkten Umfeld des Klosters oder Bischöflichen Komplexes, oder im eigentlichen Bereich davon befanden.
F.-M. Konrad, Geschichte der Schule, Von der Spätantike ins frühe Mittelalter , leider liegt mir das Buch nur in einer Ebook Version vor in der ich keine Seitenzahlen angezeigt bekomme… ↩
F.-M. Konrad, Geschichte der Schule, Die Dom- und Klosterschule des hohen Mittelalters ↩
K. Bodarwé. Pflege und Medizin in mittelalterlichen Frauenkonventen in Medizinhistorisches Journal, Bd. 37, H. 3/4 (2002), S249 ↩
K. Bodarwé, Pflege und Medizin in mittelalterlichen Frauenkonventen / Cure and Medicine in Medieval Nunneries in Medizinhistorisches Journal, Bd. 37, H. 3/4 (2002), S 231-263 ↩
F.-M. Konrad, Geschichte der Schule, Von der Spätantike ins frühe Mittelalter ↩
P. Riché, Education and Culture in the Barbarian West S 459 ↩
Sorry, hat etwas gedauert... Ist aus einem Plan der sich bei Rudolf Kautsch, Der Dom zu Worms (1938), aber auch…
Hi, zur Baugeschichte des Doms: "Das Langhaus besitzt die Abmessungen des heutigen Domes und endet an einem Spannfundament am zweiten…
Man könnte hier auch noch den Bericht der Annales Nazariani zum Tassilo-Prozess in Ingelheim 788 anführen: "Und als das so…
Hat mir sehr gefallen und ich habe mich immer auf den nächsten Teil gefreut. Der Text schuf wirklich eine intensive…
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl