Der karolingische Schild – Teil 2 – Die Abbildungen und ihre Entsprechungen
In diesem Teil der Reihe möchte ich mich mit den Abbildungen von Schilden aus karolingischer Zeit befassen. Wieder einmal habe ich mir bergeweise Digitalisate von Handschriften zu Gemüte geführt und versucht diese zu beurteilen.
Beginnen möchte ich mit Stuttgarter Psalter und dem Goldenen Psalter von St. Gallen.
Das ich beide in einer Gruppe zusammenfasse liegt in ihrer Farbgebung. Beide nutzen bei der Kolorierung ein ähnliches Konzept.
Ziel ist es in beiden Handschriften bei den Abbildungen einen möglichst starken farblichen Kontrast zu erzeugen, was natürlich die Erkennbarkeit erhöht, aber nicht zwingen eine farbliche Korrektheit darstellt.
Stuttgarter Psalter (825-830)
Der Stuttgarter Psalter nutzt als Hauptfarben Farben Rot und Grün, ergänzt durch Blau und Gelb und deren Mischungen (hauptsächlich Lila, Grün scheint als separates Pigment vorhanden gewesen zu sein und wurde nicht durch Mischung von Blau und Gelb hergestellt). Der Psalter von St. Gallen nutzt in der Hauptsache Rot und Grün, also Komplementärfarben und schraubt so noch einmal am Kontrast. Mauern, bzw . deren Mauersteine sind zum Beispiel im Wechsel Rot und Grün dargestellt, wobei ein blasses Gelb noch verwendet wird.
Wenn ich mich nicht verzählt habe existieren im Stuttgarter Psalter 55 Schilde. 19 davon rot, 36 weiß. Andere Farben werden nicht genutzt. Weiß wird immer dann genutzt wenn ein farbiger Hintergrund, meist grün, zum tragen kommt.Da dies die meist verwendete Hintergrundfarbe ist und wahrscheinlich das dunkle Rot nicht stark genug kontrastierte, auch wenn es das Komplementär zu grün ist, entschied man sich die Schilde weiß zu gestalten. Tauchen 2 oder mehr Schilde auf, wechseln die Farben zwischen den Schilden.
Eine Besonderheit im Stuttgarter Psalter ist ein Schild der wir eine Regen- oder Sonnenschirm mit eingezogenem Rand wirkt.
Der regenschirmartige Schild, der zu Beginn des Stuttgarter Psalters zu sehen ist, gleicht der Schildverzierung Byzantinischer Schilde, die zum Beispiel auf einigen Terracotta Ikonen zu sehen sind. Der selbe Schild, nun jedoch ohne die Einkerbungen am Rand, also nun kreisrund und absolut identisch mit den byzantinischen Schilden erscheint noch einmal bei der “Entseelung”, Verbrennung der Waffen im Stuttgarter Psalter. Es liegt also nahe zu vermuten das dieser Schild aus der spätantiken bzw. byzantinischen Vorlage des Psalters fehlerhaft übernommen wurde.
Die Schilde selbst unterscheiden sich nur minimal. Meist ist die Oberfläche spiralförmig verziert. Um die Schild herum führt ein breiter Rand auf dem kreisförmige Punkte zu sehen sind. Spirale und Rand fehlen auf einigen Schilden und auf einem Schild ist die spiralförmige Verzierung “verunglückt”, wohl wegen der Perspektive hat es mit einem Arm der Spirale nicht funktioniert. Auch erscheinen auf einigen Schilden auch Dreiergruppen von Punkten auf der Schildfläche. Bis auf den Schild mit der verunglückte Spirale sind die Dreierpunkte ohne die Spirale dargestellt.
Zwei Abbildungen im Stuttgarter Psalter zeigen einen Schild von hinten. Bei der Abbildung eines roten Schildes erkennen wir in der Hauptsache einen Griff hinter dem Buckel dessen Enden sich zweiteilen. Sie wirken dem Griff aus Frankfurt Harheim sehr ähnlich. Bei dem zweiten, weißen Schild erscheint nur ein kurzer Griff, dessen Farbe eher auf Holz hindeuten könnte (wenn den auf die Farben verlass wäre). Ansonsten ist die Rückseit von Segmentbogen geteilt an deren Ränder kleine Punkte zu erkennen sind.
Goldener Psalter von St. Gallen (um 880 bis 900 )
Im Goldenen Psalter von St. Gallen sind die Schilde immer gleich dargestellt. Vom Zentrum gehen spiralförmige Streifen aus an deren Innenseite Punkte zu erkennen sind. Umfasst wird der Schild von einem Rand der meist größere Punkte besitzt.
Aber auch der Psalter von St. Gallen zeigt zwei Rückseiten. Auch hier sind Segmentbögen mit Punkten zu erkennen, aber auch der Griff, der sich in diesem Fall in drei Streben teilt. An diesem Griff scheint auch der Riemen befestigt zu sein an dem der Reiter den Schild über der Schulter trägt.
Trierer Apokalypse (erstes Viertel des 9. Jahrhunderts)
Auch die Trierer Apokalypse enthält Schilddarstellungen. Diese sind jedoch recht einfach gehalten. Die Schilde von 2 Zweiergruppen lassen mit etwas Fantasie eine Spirale auf dem Schild erkennen, jedoch scheint sie vereinfacht oder verunglückt. Zwei der Schilde sind rot, eines nicht koloriert und ein weiteres in einem hellen blau.
Es existiert noch weitere eine Vierergruppe von Schildträgern. Diese Abbildung scheint von einer anderen Person gemalt, zumindest unterscheiden sich die Darstellung der Gesichter, Beine usw. Die Schilde hier besitzen keine Spirale, die Streifen laufen gerade vom Zentrum zum Rand. Bei einem Schild scheint ebenfalls ein Rand dargestellt.
Evangeliar Lothars I. (Um 850)
Das Evangeliar Kaiser Lorthars I. entstand wahrscheinlich in Lothars Hofschule die in Aachen vermutet wird. Der Schildträger, der zur Linken Lothers neben dem Thron steht, stützt sich mit der linken Hand auf einen orange-roten Schild. sämtliche Zierelemnte sind mit Goldfarbe dargestellt. die Gruppen von Dreierpunkten jedoch in schwarz. Die Anordnung der Dreierpunkte verwirrt. Sie ordnen sich nicht in Kreisform um den eigentlichen Schildbuckel, sondern scheinen sich um ein imaginäres Zentrum um Bereich des Throns anzuordnen. Der goldenen Schildbuckel ist spitzzulaufend und endet in einem Spitzenknopf, der deutlich auf den Rahmen des Bildes hinaus reicht.
Am rechten Rand des Schildes sind zwei Schildrandbeschläge die X-förmig auf dem Schild auslaufen. Sie entsprechen jenen, die uns auch noch später begegnen werden.
Codex Aureus von St. Emmeram (um 870)
Im Goldenen Codex von St. Emmeram befindet sich eine einzige Darstellung eines Schildes. Die Leibgarde zur Rechten Karls des Kahlen trägt einen weißen Schild. Deutlich erkennbar ist der Schildrand an dem einige Klammern zur Verstärkung angebracht sind. Diese reichen nicht bis auf die Fläche des Schildes, scheinen also optisch denen von Birka zu entsprechen. Wieder ist auf der Fläche des Schildes ein Wirbel zu erkennen, an dessen Bogenaußenseit kleine Punkte verlaufen. In jedem sichtbaren Segment des Wirbels finden sich 3 Punkte. Im oberen und unteren Segment befinden sich zusätzlich zu den drei Punkten, darüber, bzw. darunter wieder eine Reihe von 3 Punkten. Dabei könnte es sich um die Nietpunkte der Angel handeln, jedoch tauchen diese in keiner weiteren Darstellung auf.
Vivian Bibel. (845/846)
In der Vivian Bibel finden sich zwei Darstellungen von Schilden. Jeweils bei den Leibwachen Karls des Kahlen, bzw. bei König David (Krethi und Plethi) Diese sehen nicht nur gleich aus, sie sind es auch. Die Abbildungen der zwei sind absolut Deckungsgleich (mit Photoshop getestet) müssen also von der identischen Vorlage abgepaust worden sein.
Dennoch unterscheidet sich das Schild in einem Punkt. Die Wirbel auf dem Schild weisen in verschiedene Richtungen. und ein Schild besitzt Punkte an den Außen der Wirbel, der andere nicht. Die Schilde sind rot, die Verzierungen goldfarben dargestellt. Am Schildrand finden sich wieder Verstärkungsklammern. Hier nun aber elaborierter. Aus der eigentlichen Klammer ragt eine X-förmige Verzierung auf die Fläche des Schilds. Zwischen den Armen des X finden sich 3 Punkte. Ebenfalls wieder gruppieren sich auf den Segmenten dreier Gruppen von größeren Punkten.
Bibel von St. Paul vor den Mauern (um 870)
Die vom Mönch Ingobertus für Karl den Kahle um 870 entsandene Handschrift zeigt den karolingischen Schild wie auch bereits die anderen Handschriften zuvor:; Wirbelspireale, 3 Punkte die sich um einen eigentümlichen Schildbuckel Gruppieren, Verstärkungsklammern am Rand. Die Verstärkungsklammern sind hier wohl am genausten bzw. detailreichsten dargestellt.
Desweiteren könne wir erkennen das nicht zwischen “Freund und Feind” beim Träger des Schildes unterschieden wird. So trägt die Schildwache Karls des Kahlen den Schild , der von hinten wieder mit den Segmentbögen dargstellt wird, genauso wie die Israeliten und die Bewohner Jerichos bei deren Belagerung. Übrigens tragen die Israeliten antikisierende Muskelpanzer und die ominösen antikisierenden Helme haben hier Wangenklappen. Ein Hinweis das auch hier eine Vorlage verwendet wurde.
Weitere diverse Handschriften
Weitere Schildabbildungen finden sich zum Beispiel im Utrechter Psalter, Johannes Apokalypse, Drogo Sakrementar, Psychomachia des Prudentius MS8085, Psalter von Corbie, Harley MS 2886, Die Kapitularische Sammelhandschrift MS CLXXV aus Vercelli und dem De Laudibus sanctae crucis.
Der Utrechter Psalter deutet in seinen feinen Zeichnungen lediglich die Schilde als Linsenförmig an. Der Psalter von Corbie (um 800) zeigt uns einen Schild mit byzantinischer Verzierung , wie wir in auch als Regenschirm im Stuttgarter Psalter und byzantinischen Ikonen finden. Dennoch erscheint er wie ein Schildbuckel vom Typ „Galgenberg“ (dazu später mehr). In der Kapitularischen Sammelhandschrift aus Vercelli ( um 825) sind Schilde mit Spiralen und drei Punkten dargestellt. zusätzlich sind Randklemmen angedeutet und ein spitz zulaufender Schildbuckel. Auch das De Laudibus sanctae crucis (um825) zeigt in seiner Darstellung Ludwigs des Frommen einen Schild.Hier ist nur der Schildbuckel zu erahnen dessen Kugelform spitz zuläuft. Im Drogo Sakrementar (um 850) sind nur klein zwei Schilde abgebildet ohne das diese konkrete Informationen bieten könnten, außer einem kuckerhut artigem Schildbuckel. Harley MS2886 (um 875) zeigt wieder Spiralformen, drei Punkte auf der Schilldfäche und einen spitz zulaufenden Schildbuckel. Die Psychomachia des Prudentius (um 870) zeigt an mehreren Stellen Schilde mit Spiralmuster. Auf dem Schild sitzt ein spitz zulaufender Schildbuckel der scheinbar in einem Knopf ausläuft. In der Johannes Apokalypse ( um 890) werden Schilde nur als farbiger Kreis auf dem Rücken von Reitern gezeigt ohne Details abzubilden.
Schildbuckel
Die Schildbuckel auf allen Abbildungen erscheinen gleich oder zumindest ähnlich. Farblich hervor sticht dabei ein Schildbuckel im Stuttgarter Psalter der mit weißen Strichen verziert ist. Hier könnte es sich um Einlegearbeiten mit Silberdraht handeln.
Die Schildbuckel erscheinen zapfenförmig bis zuckerhutförmig meist mit ein Spitzenknopf. Dieser erscheint meist dann wenn die Zeichnung detaillierter bzw. größer ist. Dies erscheint seltsam, denn dieser ist eigentlich zeitlich längst überholt.
Der Paderborner Karolinger Katalog zeigt uns auf S.296/297 fünf Schildbuckel. Zwei davon sind Zuckerhut förmig, davon einer mit eingezogenem Rand. Drei weitere sind ebenfalls zuckerhutförmig, jedoch mit ausgezogener Spitze. Erstere stammen aus der 1. Hälfte des 8. Jahrhunderts, letztere aus der 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts. Nur entfernt ähneln sie den Abbildungen in den Handschriften wobei vielleicht noch letztere denen der Trierer Apokalypse ähneln.
Liest man den Begleittext zu den Abbildungen kann einem jedoch ein Licht aufgehen: Alle Schildbuckel stammen aus Gräbern, dabei fanden sich oft Saxe und sie stammen aus dem Gebiet der Sachsen. Es handelt sich also primär erst einmal nicht um karolingisch/fränkische Modelle sondern erst mal um zeitgleiche Sächsische! Was aber nichts zu heißen hat. Es soll eben nur an dieser Stelle vermerkt sein.
Interessant ist dazu eine Elfenbeinschnitzerei aus der Aachener Hofschule von Anfang des 9. Jahrhunderts.1 die den Erzengel Michael zeigt. Dieser trägt ebenfalls, und das dreidimensional, einen solchen Schildbuckel wie er auch auf den Abbildungen zu sehen ist. Ansonsten gleicht sein Schild den bereits beschriebenen, zeigt Randklemmen, mit der Ausnahme das kein Wirbel erkennbar ist sondern die Streifen wir gerade Strahlen vom Zentrum ausgehen.
Eine weitere Elfenbeintafel, von einem Kasten stammend, zeigt bei einer Kreuzigungsszene neben der bereits bekannten Rückseite eine Schildes auch die Vorderseite mit einem Schildbuckel. Auch dieser erscheint wieder mit Spitzenknopf. Goldschmidt2 schrieb sie 1914 der Zeit um 900 mit Provinienz der Hofschule Tournai zu. Dieser Schildbuckel wirkt aber zeitlich noch früher, eher aus dem 5./6. Jahrhundert. Er ähnelt sogar langobardischen Funden aus jener Zeit.
Um ganz sicher zu gehen das hier nicht Darstellung von Konsulars Dyptichen oder ähnlichem verwand wurden kontrollierte ich auch diese. So zeigt etwa das Dyptichon des Stilicho einen anderen Schildbuckel. Optisch vergleichbar mit einer Zitronenpresse, der auch aus dem Fundgut bekannt ist.
Diesem eigenartigen Schildbuckel der karolingischen Abbildungen, zuckerhutförmig mit ausgezogener Spitze und Spitzenknopf, nur einer Phase oder Ort der Entstehung zuzuschreiben ist so nicht möglich. Dennoch sind mit St. Germain, Tours, Reims und der Hofschule Karls des Kahlen, Westfranken stark Vertreten und es wird auch spekuliert das die Künstler des St. Gallener Psalters von dort nach der Zerstörung durch die Wikinger nach St. Gallen flohen. Aber auch Fulda mit dem De Laudibus sanctae crucis und Aachen sind vertreten.
Und das ist der Moment wo es wirklich seltsam wird! Um vielleicht doch irgendeinem Schildbuckel habhaft zu werden dehnte ich meine Suche nach Mähren und Kroatien aus, wo es noch Bestattungen mit Beigaben und Waffen gab . Aber auch hier nichts! Alexander Ruttkay3schreibt dazu das es wohl einige Fragmente gab, die zumindest Hrubý 1955 in “Stare Mesto Velkomoravske pohrebiste” erwähnt, aber dieser schreibt dort auch nur das es rostige Bröckchen oder Bodenverfärbungen gab, die dann im Katalogteil nicht einmal auftauchen.
Ich erweiterte mich ins 8. Jahrhundert, aber auch hier wurde ich nicht direkt fündig: Die abgebildeten Schildbuckel entsprechen nicht den gängigen Typen Walsum (Rundkonisch, eingezogener Rand, Verbreitung entlang des Rheins)) , Göggingen (Spitzkonisch, eingezogener Rand, Süddeutschland und Österreich) oder Galgenberg (Verbreitung entlang der Nordseeküste und Mainz, ohne Rand, mit Spitze), denn allen fehlt im Fundgut der Spitzenknopf.
Eine eheste Ähnlichkeit findet sich bei den angelsächsischen Schildbuckeln von Typ “tall-curved cone” bzw. Gruppe 7 angelsäschischer Schildbuckel die noch einen Spitzenknopf besitzen und nach 650 in England auftauchen4
Anne Nørgård Jørgensen sieht in den Buckeln aus dem Stuttgarter Psalter und dem Buckel Ludwigs des Frommen im De Laudibus sanctae crucis Schildbuckel vom Typ Galgenberg (hier auch alternativ Typ SBD).5 Bei der Abbildung Ludwigs des Frommen mag dies vielleicht noch stimmen da hier kein Spitzenknopf zu erkennen ist. Im Stuttgarter Psalter ist er jedoch deutlich zu sehen.
Tackenberg ergänzt die Walsum, Göggingen, Galgenberg Typologie noch mit der Information: „Ihnen schließen
sich nach Westen ein englisch-nordfranzösischer und ein speziell englischer Typ an.“6
Bei diesen Typen, zunächst dem „englisch-nordfranzösischen“, handelt es sich um Schildbuckel vom Typ des kontinentalen “ straight cone“. Diese sind nach Frauke Stein und Vera I. Evison direkte Abkömmlinge germanischer Schildbuckel des 4. Jahrhunderts (Rhenen-Vermand Typ). Ihre Verbreitung reicht von Neuwied, über Belgien bis nach Boulogne-sur-mer bei Calais und einem Fund aus Norwegen, also auch über Aachen hinweg, und besteht aus einer kleinen Gruppe von 7 bekannten Funden. Alle Funde stammen aus Fundkontexten des 8. Jahrhunderts. Ihre Fortsetzung finden sie nördlich des Ärmelkanals in den englischen Schildbuckeln des des Typs „tall curved cone“ und dessen Verwandten. Die Übergänge zwischen den Typen sind fließen und mit unter soll eine klare Abgrenzung schwierig sein.7
Möglicherweise handelt es sich bei dem in Handschriften dargestellten Schildbuckeln um solche oder ähnliche Typen, was dann auch wieder Jørgensens Idee in Teilen mit eingliedern würde. Denkbar wären dann auch Varianten mit mehr oder minder ausgeprägten Spitzenknopf. Bei einer Fundlage von nur 7 Exemplaren ( Stand 1963) ist noch sehr viel Luft nach oben!
Anmerkung: Zunächst hatte ich mir Gedanken gemacht ob der Schildbuckel, oder gar der ganze Schild vielleicht ein antikisierender Rückgriff ist. Die Option des ganzen Schildes schied schnell aus, da er auch in nicht antikisierendem Kontext zu finden ist. Weshalb letztendlich dann das antikisierende Konzept des Schildes oder Buckels als Ganzes Ausschied. Dennoch ist es bemerkenswert das diese Schilde und Schildbuckel auch dann Verwendung finden wenn sie in einem antikisierendem Kontext verwendet werden. Etwa bei der Bibel von St. Paul. Entweder wusste man nicht mehr wie ein „echter“ römischer Schild aussah, oder aber man wollte bewusst den römischen Tugenden, dargestellt durch die Muskelpanzer und Helme ein Symbol fränkischer Tugenden in Form der Schilde, oder der Schildbuckel an die Seite stellen. Angriff und Verteidigung? Römisches Kaisertum und germanische Dominanz? Neues Rom mit fränkischen Werten verteidigt? Mir fiele da einiges ein.
Farbe und Bespannung der Schilde
Es scheint unerheblich ob das auf den Schilden zu sehende Muster Spiralförmig oder strahlenförmig ist. Wahrscheinlich hat sich der zwanghafte Eindruck nach der Spirale durch die vielfache Überflutung mit Bildern aus Stuttgarter Psalter und Vivian Bibel verbreitet. Ihre Funktion erfüllen beide und die wird sich gleich erklären, denn sie steht wohl in Zusammenhang mit der Farbe!
Ich messe der Farbe der Schilde durchaus eine wichtige Bedeutung zu, weshalb ich deren Farbe auch immer wieder erwähnt habe. Rolf F. Warming8 hatte bei seinen Beobachtungen und Untersuchungen von Schilden festgestellt das Schilde zum Teil mit Leder und nicht mit Rohaut bezogen waren. Bei diesem Leder handelt es sich, wie sich zeigte, um Schafsleder welches mit Eichenlohe gegerbt war wodurch das Leder einen rötlichen Ton erhält.
Die Haut eines Schafes oder Ziege reicht jedoch nicht um einen großen Schild im Ganzen zu bedecken. Vor Allem nicht wenn man eine gleichmäßige Stärke des Leders erzielen möchte. Bei Warmings rekonstruierter Bespannung nach dem Schild von Birka BJ 850 ist dies auch erkennbar, da im unteren drittel der Teil einer zweiten Haut angenäht wurde und sich daher eine Nahtlinie über den Schild zieht, die im übrigens nicht nur durch das Leder, sondern durch das Holz des Schildes reicht. (Bild hier auf Facebook: https://www.facebook.com/combatarchaeology/photos/a.1696875160459269/2338136962999749 ) Auch gab es wohl Funde die belegen das mehrere Teile Leder zusammengenäht wurden. Diese Rekonstruktion Warmings bestätigte mich in der Vermutung die ich schon länger hegte.
Ich gehe davon aus das die Spiral- oder Strahlenform auf karolingischen Schilden nichts anderes darstellt als die Nahtlinien der einzelnen, überlappenden Lederteile. Einziger Unterschied zu Warmings Schild ist dabei eine symmetrische Anordnung der Lederteile auf dem Schild. Die Punkte die an den Spiralarmen der karolingischen Schilde erkennbar ist wäre dann nichts anderes als die Linie der Naht oder Nahtpunkte, der eigentliche Spiralarm die verdickte Stelle an der zwei Ledersegmente überlappen. Die Farbe der karolingischen Bespannung ergäbe sich durch eine Eichenlohgerbung des Leders. Eine Bemalung somit nicht vorhanden. Die auf der Rückseite der Schilde erkennbaren überschneidenden Segmente sind die Verlängerung der Segmente auf der Vorderseite, die um den Schildrand umgeschlagen wurden und sich dann auf der Rückseite fortsetzten und weiter abgerundet überlappend vernäht und aufgeklebt wurden
Griffangel und Beschläge der Schilde
Für Griffangeln gibt es diverse Varianten. Hölzerne, kurze und metallene kurze Griffangeln sind bekannt und durchaus nachweißbar. Eine Biegung des Schildes daran festzustellen ist dabei nicht möglich denn diese Griffangeln bedecken lediglich das Loch hinter dem Schildbuckel und sind noch im Bereich des Schildbuckels mit dem Schildkörper verbunden.
Dennoch sind uns auch gebogene Griffangeln bekannt die für gewölbte Schilde hergestellt worden sein müssen. So hahen sich auch in England Griffangeln gefunden die eine Biegung aufwiesen und somit auf gewölbte Rundschilde verweisen. In England fallen diese Griffangeln unter Kategorie III der Griffangeltypologie. (siehe Abbildungen unten)9. Auch aus langobardischen Funden sind gewölbte, bzw. gebogene Griffangeln bekannt, die als Teil gewölbter Rundschilde rekonstruiert werden.10
Die Griffangel aus Frankfurt Harheim ist zwar nicht gewölbt, gabelt sich aber an ihren Enden. Am Punkt der Gabelung, als auch an den von der Mitte am weitesten entfernten Punkten befinden sich Nieten, die einst am Schild befestigt waren. Auf der Außenseite der Schilde waren daher an zwei sich gegenüberliegenden Punkten zwei Dreiergruppen von Nieten zu erkennen.
Die sonstigen Dreiergruppen von Punkten auf der Außenseit stellten wahrscheinliche simple Ziernieten dar, die die Symmetrie, analog zu den Ledersegmenten, herstellen sollte. Auch diese sind aus dem englischen Fundgut bekannt (z.B. Snell´s Corner Grab S20, Berinsfield Grab 24) kommen aber auch in Birka vor.
Wie auch die Schildangel aus Grab 31 von Lyminge zeigt musste sich die Griffangel nicht zwingend in eine Dreipunkthalterung verzweigen um an einem gebogenen Schild befestigt zu sein. Auch eine Befestigung an einem Punkt ist machbar, was dann lediglich zu mehr Ziernieten führen würde.
In Birka Grab 850 etwa fanden sich 3 Schildrandbeschläge mit einer Länge von 2,3 bis 2,6cm aus Bronzeblech die mit drei Eisennieten am Schild befestigt waren. Die Beschläge aus Grab 628 waren dagegen aus Messing gefertigt. Als Verzierung besaßen die Beschläge von Grab 850 drei gepunzten Punktreihen. Der Beschlag saß auf dem Leder des Schildes auf und umschloss den aus Kernleder bestehenden Rand.11
Fazit
Bis auf den Schildbuckel lassen sich die Bestandteile des in Abbildungen gezeigten karolingischen Schildes gut rekonstruieren. Ebenso sind diese bis auf den Schildbuckelauch gut aus dem Fundgut rekonstruierbar. Ich hätte mir gewünscht mehr Information zu Schildbuckeln zu finden, vorallem aus dem französisch sprachigen Regionen Europas, was aber nicht von Erfolg gekrönt war.
Was aber noch im Kopf behalten werden sollte, ist das es sich bei den in Handschriften abgebildeten Schilden, vor allem in den Prachthandschriften Karls des Kahlen, mit Sicherheit um Schilde von Eliten handelt. Der einfache Krieger besaß möglicherweise keine Randbeschläge oder nutzte kein gegerbtes Leder sondern einfachere, bemalte Rohaut für die Bespannung der Schilde. Auch hölzerne Griffangeln, von denen es in England eine ganze Reihe von allen möglichen Konstruktionsvarianten gibt, wären hier denkbar.
Der nächste Teil wird sich dann mit möglichen Konstruktionen, historisch belegt oder auch für den der nur einfach einen Rundschild aus Pappelsperrholz will, beschäftigen und versuchen einen Überblick zu geben.
Abb. 799 Kunst und Kultur der Karolingerzeit S748. ↩
A. Goldschmidt, Die Elfenbeinskulptur aus der Zeit der karolingischen und sächsischen Kaiser Band I S79 ↩
Waffen und Reiterausrüstung des 9. bis zur ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts in der SlowakeiS.337 ↩
T. Dickinson, H. Härke, Early Anglo-Saxon Shields S21 ↩
Anne Nørgård Jørgensen Waffen und Gräber – Typologische und chronologische Studien zu skandinavischen Waffengräbern 520/530 bis 900 n.Chr. S86/87 ↩
K.Tackenberg, Über die Schutzwaffen der Karolingerzeit und ihre Wiedergabe in Handschriften und auf Elfenbeinschnitzereien S280 ↩
Angaben nach V. I. Evison, Sugar-Loaf Shield Bosses S38ff ↩
R.F.Warming, R. Larsen, D.V.P. Sommer, L.O. Brandt, X.P. Jensen Shields and hide – On the use of hide in Germanic Shields of the Iron Age and Viking Age, in Bericht der römisch-germanischen Kommission Band 97 2016 ↩
T. Dickinson, H. Härke, Early Anglo-Saxon Shields S26 ↩
Vgl. J. Werner, Die Langobarden in Pannonien Band II Tafel 43 und 44 ↩
H. Ardman Birka I – Die Gräber S325 und S208 ↩
Sehr schöne detaillierte Analyse. Nur ein Punkt ist mir nicht so recht klar: Was sind die Punkte auf dem Schildrand? Mit „Beschlägen“ meintest Du doch sicher diese „Klammern“, die man teilweise auf fränkischen Schildern sieht, oder?
Genau in dem Fall meine ich die Schildrandbeschläge, die anderen Beschläge sind die erwähnten Tiernieten, die in etwa wie Polsternägel aussehen