Die Schweizer und der Sacco di Roma
Ich schreibe heute mal über eine Zeit mit der ich so gar nichts am Hut habe. Das 16. Jahrhundert, den Sacco di Roma und die Schweizer Garde. Und ich versuche ein bisschen am Lack zu kratzen, den die Sache so mit sich bringt.
Während dem Nähen der Tunica habe ich des öfteren das Lied “The Last Stand” von Sabaton gehört. Einfach weil ich den choralsartigen Pathos Sound irgendwie gut fand in dem Moment. Kann man mögen, muss man aber. Auf jeden Fall hab ich mich mal mit der Story hinter dem Song auseinandergesetzt.
Die Sache spielte sich im Jahr 1527 ab. Die Zeit der Ritter war vorbei. Nicht ganz unschuldig daran war der Habsburger Kaiser Maximilian I. (1459-1519) der den Beinamen “der letzte Ritter” erhielt.
Die klassischen Tjost, das Lanzenstechen oder oftmals einfach als “Ritterturnier” bezeichnete, war nicht mehr Training und Zweikampf der Ritter. Es war ein Sport geworden. Gerade die Patrizier die es sich leisten konnten nahmen daran Teil und vielfach schmückt noch heute ein “Stechhelm” ihre Wappen.
Auch das Heerwesen hatte sich geändert. Nach dem Vorbild von Schweizer Gewalthaufen, die mit Piken und Hellebarden in ihrem Bauernheer beachtliche Erfolge erzielten und sich schon länger als Söldner verdingen ( sogenannte Reisläufer oder Reisige) , lässt Kaiser Maximiliam Landsknechte ausheben – Söldner die selbst für Ihre Ausrüstung zu sorgen hatten, aus dem einfachen Volk kamen, die aber nach einem festen Regelsatz besoldet wurden. Was sich erst mal nach einfachen Kämpfern anhört konnte in hochspezialisierten Söldner wie Arkebusenschützen gipfeln.
Mitunter konnten sich diese Landsknechtheere aber auch verselbstständigen. Wenn etwa der Sold ausblieb und keine Führung mehr vorhanden war.Und so etwas wird 1527 passieren.
Auch in Rom waren andere Zeiten angebrochen. In Italien und auch in ganz Europa brodelt es. Und selbst wenn der 30 Jährige Krieg noch mehr als hundert Jahre entfernt ist, wirft er in den damaligen Koflikten seinen Schatten vorraus.
1494 waren die Italienischen Kriege ausgebrochen. Beteiligt waren unter anderem die Ghibellinen (Waiblinger) , Anhänger des röm.-deutschen Kaisers, einstmals Anhänger der Staufer und den papstreuen Guelfen, den italienischen Welfen. Frankreich meldet Anspruch auf Mailand an, Spanien verbündet sich mit Frankreich.
In den folgenden Jahren bilden sich immer neue Ligen aus Verbündeten mit Beteiligten wie Ferdinand II von Aragon, Kaiser Maximilian, Heinrich VIII von England, der Republik Venedig, Frankreich und den Schweizer Eidgenossen. Wobei sich fast alle mal irgendwie die Köpfe gegenseitig einschlagen aufgrund wechselnder Bündnisse…
Spätestens seit 1476 sind die Schweizer Reisigen, jene schon genannten Reisläufer, gefürchtete Gegner und gelten mit ihren Gewalthaufen als nahezu unaufhaltsam. Am 2. März 1476 hatten die Schweizer in den Burgunderkriegen Karl den Kühnen bei der Schlacht von Grandson besiegt und in panikartige Flucht versetzt. Am 22. Juni 1476 schlagen sie Karl den Kühnen erneut bei der Schlacht bei Murten dank ihrer Fußtruppen vernichtend.
Papst Julius II. will sich daher in diesen schweren Zeiten eine Schweizer Leibgarde organisieren, die er 1505 in der Schweiz beantragt. Bezahlen kann er sie nicht, er muss ja den neuen Petersdom bauen, aber das übernehmen für ihn ja die Fugger aus Augsburg. Und im Januar 1506 schlagen 150 Schweizer Söldner mit ihren Familien in Rom auf und bilden die neue Leibwache des Papstes.
1513 wird mit Leo X als der erste Medici den päpstlichen Thron besteigen. Ein Machtmensch durch und durch. Als er 1522 stirbt, möglicherweise vergiftet, geht das Gerangel um den Papstthron weiter. Mit Hadrian VI wird ein Deutscher als Kompromniskandat Papst. Unter ihm wäre wahrscheinlich vieles anders geworden, wenn er nicht schon im September 1523 gestorben wäre. Schließlich wird als Clemens VII Giulio de Medici Papst. Der war schon vorher Lieblingskandidat von Kaiser Karl V gewesen. Der Mann ist zwar Prior der Johanniter in Capua, aber kein Priester. Sein Vetter, der verstorbene Papst Leo X hatte ihn, ihn mit der Aussage er sei ein unehelicher Sohn, adoptiert, was ihn ganz schnell zum Erzbischof von Florenz (ab 1513), von Narbonne (ab 1515) , Bischof von Albia (1513-15) , von Bologna(1518) und Eger (1520-23) werden ließ. ( Er war immer noch kein Priester! Zustände sind das! Wie im alten Rom!) Allesandro de Medici, der möglichweise sein unehelicher Sohn ist, verheiratet er 1533 erfolgreich mit der unehelichen Tochter Karls V. und vermählte sein Mündel Katharina de Medici mit Heinrich von Orléons, dem späteren französischen König Heinrich II. Beziehungen sind alles!
Doch nun zu den Geschehnissen von 1527.
Noch immer toben die Italienischen Kriege in Oberitalien. Kaiser Karl V kann den französischen König Franz I. als Geisel festnehmen und lässt ihn den Vertrag von Mailand unterzeichnen.
Franz I wird aus der Geislhaft entlassen und sofort Eidbrüchig. Der Papst aber erteilt Franz die Absolution und Karl V steht ohne Geld da, da der Vertrag nichtig ist. So kann Karl V 1525 seine Truppen, bestehend aus italienischen und spanischen Söldnern, sowie deutschen Landsknechten, nicht mehr regelmäßig besolden. Diese bedienen sich nun aus dem was Oberitalien und die von ihnen besetzten Gebiete so hergeben. Zudem kocht es in den Reihen der deutschen Landsknechte, von denen viele Protestanten sind und vom Papst nur wenig halten. Zumal dessen, Absolution Franz I gegenüber, sie um den Sold gebracht hat.
Im März 1527 kommt es zum Aufstand der deutschen Söldner. Der Landsknechtführer Georg von Frundsberg, der den Satz: “Viel Feind, viel Ehr” erfand, versucht die Truppen zu beruhigen, regt sich aber wohl so sehr dabei auf das er einen Schlaganfall erleidet und ausfällt. Sein Ersatz Konrad von Boyneburg, genannt “der kleine Hesse” hat auch keine relevante Kontrolle mehr über seine 35 Fähnlein . (1 Fähnlein = 400 Landsknechte!) Er wird schokiert über die Schrecken der kommenden Vorfälle in Rom seinen Oberbefehl niederlegen.
Am 16. März 1527 verweigern die Söldner dann den Gehorsam. Sie geben dem Medici Papst die Schuld an ihrer Lage und wollen ihn zur Rechenschaft ziehen. Das Belagerungsgerät wird vor Florenz zurückgelassen und der Tross aus Italienern, Spaniern und Deutschen zieht in Richtung Rom. Papst Clemens versucht den verblieben Söldnerführer Charles de Bourbon zu bestechen um die Truppen zurückzuhalten. Doch dieser lehnt ab und hat ohnehin keine Kontrolle mehr über die Truppen.
Am 4. Mai 1527 treffen 24000 Söldner bei Rom ein. Rom besitzt fast keine Verteidigung da der Papst aus Kostengründen das stehende Heer zusammengestrichen hat und am 6. Mai erfolgt der Angriff.
Bei der Porta del Torrione schaffen es die Spanier die Mauer zu überwinden und stehen nun im Borgo, jenem Stadtteil westlich des Tiber zudem auch der Vatikan bis 1929 gehörte und der eigentlich zu dieser Zeit nur aus dem Vatikan und der Engelsburg bestand. Die eigentliche Stadt befand sich auf der Ostseite des Tiber. Bei dem Sturm auf die Mauern fällt der letzte Hauptsöldnerführer Charles de Bourbon
Ohne irgendeine relevante Führung dreht das Söldnerheer nun vollkommen frei.
Die letzte Verteidigung des Papstes stellen seine 189 Schweizer Reisläufer dar, die seit 1512 den Ehrentitel “Hüter der Freiheit der Kirche” tragen. Sie sind ebenfalls Söldner, die, sollten sie ihren Auftraggeber im Stich lassen, keinen Sold sehen werden und von den Landsknechten kurzerhand einen Kopf kürzer gemacht werden.
Sie würden aber nicht etwa an einer “Uniform der Schweizer Garde” erkannt werde, dennoch aber an ihrer schweizer Kleidungstil. In aller Regel war das weiße Kreuz der Schweizer auf ihr Wams oder den Hosen genäht. Die klassische Uniform der Schweizer Garde gab es noch nicht. Auch ihre Bewaffnung machte sie erkennbar. Nur sie trugen das “schmale Schwert zu Anderthalb, das Schweizerschwert/ den Schweizerdegen und den Schweizerdolch während die Landsknechte den Zweihänder und den Katzbalger bevorzugten.1 Sie waren also erkennbar.
Auch die Familien der Schweizer waren in Rom und die konnte man höchstens durch den Kampf schützen. Die Schweizer Reisigen hätten aber auch im Fall sich zu ergeben für einen riesigen Vertrauensverlust in die Eidgenossenschaft oder zumindest für ihren Kanton gesorgt. Es bleibt ihnen nichts anderes übrig als um das nackt Überleben zu kämpfen. Selbst wenn man den Papst, ihren (Sold-)Herren, nach heutigen Maßstäben nicht also sonderlich ausgeprägten Menschen mit christlichen Tugenden sehen würde.
Ihnen beiseite stand der verbliebene Rest des stehenden Heeres Roms.
Die Gardisten nehmen zunächst Stellung am Vatikanischen Obelisken, der damals noch nicht auf dem Petersplatz stand, sondern sich südlich des Langhauses in Richtung des Campo Santo Teutonica ( dem Friedhof der Deutschen) befand, denn aus dieser Richtung strömten die Söldner auf den Vatikan zu.
Die Garde beschließen nun sich aufzuteilen. Kommandant Kaspar Röist hält die Nachhut am Petersdom die mit ihm 147 Mann stark ist, unterstütztdurch die verbliebenen Stadtwache, während 42 Mann unter Herkules Göldli den Papst über den Petersdom und die Passetto di Borgo, einem in einer Mauer verborgenen Gang, in die Engelsburg bringen und sich dort zu verschanzen.
Nur die 42 Schweizer in der Engelsburg werden überleben. Drei Tage, anderen Texten zufolge 8 Tage, lang verwüsten die Söldner Rom, vergewaltigen, morden und plündern. Kaspar Röist wird verletzt gefangen genommen, er hatte sich in sein Haus geflüchtet und wurde vor den Augen seine Frau Elisabeth Klingler getötet. Unbestätigten Berichten zufolge sollen die letzten Schweizer, gemeinsam mit in den Petersdom geflüchteten, auf den Stufen des Altars dahingemetzelt worden sein.
90% der Kunstschätze Roms sollen geraubt worden sein. Die Vatikanische Bibliothek überlebte nur weil dort Philibert de Chalon. Prinz von Orange, einer der Führer der Söldner dort sein Quartier einrichtete.
Vor der Engelsburg wird durch die Söldner eine Prozession persifliert, bei der man den Papst auffordert Segel und Ruder des Petrusschiffchens an Luther zu übergeben.
Am 7. Juni kapituliert der belagerte Papst in der Engelsburg.
Er muss 400000 Dukaten Lösegeld zahlen,wofür unzählige Kunstschätze, darunter eine Krone Stephans I von Ungarn , eingeschmolzen werden mussten um genug Edelmetall für die Münzen zu haben. Zudem muss er die Festungen Ostia, Cicitaveccia und Civita Castellana übergeben und auf die Städte Modena, Parma und Piacenza verzichten. Weiterhin wurde die Schweizer Garde abgeschafft und der Dienst von 200 Landsknechten übernommen. Zwar setzte der Papst durch das die verbliebenen 42 Schweizer auch in die neue Garde eintreten durften, aber nur 12 taten dies auch.
1548 wird die Schweizer Garde wieder hergestellt. Der 6. Mai, der Tag der Schlacht, ist heute der Tag an dem die Schweizer Garde neue Gardisten vereidigt. Und die bekannten Uniformen der Schweizer Garde? Während Wissen.de2 sich nicht sicher ist ob die so bekannt Uniform der Schweizer Garde tatsächlich von Michelangelo entworfen wurde, wie so gerne kolpotiert, ist sich die Garde selbst da ziemlich sicher das sie das nicht wurde! Kommandant Jules Remond (1910-1921) entwarf die Uniform. Er lehnte sich an Landsknechtskleidung an, entlieh sich die Farben der Medici und fertig war die Laube.
Anmerkung in eigener Sache: Ich begann mit diesen Text 2 Tage bevor Putins Russland widerrechtlich in der Ukraine einmarschiert ist. Und einen Bezug zu einer möglichen Belagerung Kiews oder anderer Städte hatte ich zunächst gar nicht bemerkt. Inzwischen befürchte ich aber das es zu ähnlichen Zuständen etwa in Kiew oder einer anderen Stadt der Ukraine kommen könnte wie sie 1527 beim Sacco die Roma herrschten. Dabei ist es unerheblich ob man mit dem Bidenhänder, Katzbalger oder dem Kolben einer Kalaschnikow den Schädel eingeschlagen bekommt. Zwar sind die Bilder aus der Ukraine bei weitem nicht so clean wie aus amerikanisch geführten Kriegen , aber dennoch sieht man bei weitem nicht alles. Ich habe den Fehler gemacht und mich in ukrainischen Telegram Gruppen herum getrieben und Bilder gesehen die ich lieber nicht gesehen hätte. Es gibt keinen sauberen Krieg, Krieg ist immer schrecklich.
Homo Sapiens heißt der „Vernunftbegabte Mensch“, doch es scheint tatsächlich nur eine Begabung zu sein. Eine Begabung die viele schon länger nicht mehr nutzen.
Birgit von Seggern, Der Landsknecht im Spiegel der Renaissancegraphik S.85 ↩
https://www.wissen.de/wurde-die-uniform-der-paepstlichen-schweizergarde-tatsaechlich-von-michelangelo-en ↩
Hat mir sehr gefallen und ich habe mich immer auf den nächsten Teil gefreut. Der Text schuf wirklich eine intensive…
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…
Ab heute mit Jahresangaben nach Holozän-Kalender? Ich finde das gut; überlege ebenfalls, den öfter zu verwenden. (Es wird das Jahr…