DmiiW Teil VIII – Die Verzierungen auf der Schwertscheide und erstes Ergebnis
Ich habe die Scheide nun unter Schmerzen fertiggestellt…
Ein Grundproblem sind die modernen Sehgewohnheiten. Ich hab die Scheide zunächst als optisch extrem Scheiße befunden. Inzwischen hat sich das relativiert, nur die vergeigte Feinwicklung am Ort ärgert mich noch.
Aber zunächst möchte ich noch auf einige Sachen eingehen.
Das von mir verwendete Erlenholz, wie auch bei vielen merowingischen Scheiden genutzt, hat den Vorteil das es sich beim Trocknen kaum verzieht. Dies ist insofern relevant als das im Mittelalter Holz meist frisch verarbeitet wurde ohne es vorher einer größeren Trocknungsphase zu unterziehen. Einziges Zugeständnis war das Schlagen von Holz im Winter, wenn Bäume ohnehin weniger Wasser einlagern.
Und dennoch konnte sich das Holz verziehen und dies galt es zu verhindern bzw. auszugleichen..
“Form follows function” ist eine Design Binsenweisheit. Im Grunde bedeutet es dass sich das Aussehen eines Objektes aus seiner Funktion ableitet. Umgekehrt kann man aus Aussehen auch auf die Funktion schließen, wenn diese unbekannt ist. Die Verzierungen der Scheide sollten also aus dem Aspekt der Stabilisierung der Scheide betrachtet werden.
Zunächst einmal sind da horizontale Streifen zu sehen. Diese teilen die Scheide in quadratische bis rechteckige Felder auf. Ihre grundlegende Funktion sollte es sein die Scheidenhälften aufeinander zu halten.
Zwar konnte ich bei meiner Recherche diese Streifen auf den CTs der merowingischen Spathae nicht finden, auch auf den Lederstücken die einst Scheiden bedeckten und auf den sich die Abdrücke von Riemendurchzügen erhielten, auf das 10. Jahrhundert datiert wurden und in York/Coppergate gefunden wurden1 , weisen diese Abdrücke nicht auf.
Jedoch gibt es eine frühe Scheide die ganz ähnliche Verzierungen, bzw. Stabilisierungen aufweist. Es handelt sich um die keltische Scheide des Stanwick Sword, die auf die Stufe Latene D, bzw. Latene III datiert wird. (jeweils 150-1 v.Chr.)2
Bei dieser keltischen Scheide werden die Scheidenhälften durch Bronzeringe in regelmäßigen Abständen stabilisiert, die sowohl Schmuck als auch Konstruktionsbedingt sind.
Nun sind die horizontalen Streifen aber auch in einer bestimmten Form aus dem Fundgut bekannt.Dabei handelt es sich um jene Textilstreifen die auch Geibig beschreibt: “Dabei wurden über die Länge des Scheidenkörpers größere, sich leicht überlappende, horizontal orientierte Bänder aufgelegt”3. Es ist anzunehmen das diese Textilstreifen, also in meinem Fall später das Leinen, genau dort ihre Kanten haben, wo auch die Stabilisierungsbänder der untersten Schicht liegen.
Während bei den Abbildungen des Psalters von Corbie vom Beginn des 9. Jahrhundert die markanten X-Verzierungen noch nicht erkennbar sind, werden sie mit dem Stuttgarter Psalter zum Markenzeichen der karolingischen Schwertscheide. Sie unterscheiden sich von Abbildung zu Abbildung. Mal sind zwei X übereinander, mal ist ein Freiraum dazwischen mal scheinen es mehr als zwei X zu sein.
Der Sinn der X-Verzierungen liegt wahrscheinlich darin in diesen Bereichen der Scheide einen stärkeren Druck auf die Hälften auszuüben und die Hälften in Bereich um die Mitte der Scheide fester aneinander zu binden. Die Schnürungen auf der Scheide wären dann einfach über kreuz ausgeführt worden.
Der gute Notger schrieb , möglicherweise sich auf diese Verzierungen beziehend „ut per medium cruciculas eminentibus ad peremption gentilium duraret“. Der erste Teil (bis ad) spricht dabei lediglich von “erhabenen Kreuzen auf der Mitte”. Der Rest der sich gegen die Heiden wendet, könnte gelesen werden als das die Kreuze ein Symbol gegen die Heiden sind, oder aber er bezieht sich auf die komplette Beschreibung der Spatha Karls, die eben gegen die Heiden eingesetzt wird.
Aus dem Bereich des Scheidenmunds sind vielfach Verstärkungen aus Schnüren oder Bast bekannt. Ein Mundblech im karolingischen Einflußgebiet ist jedoch einzig aus Mikulcice bekannt. Dieses war aus vergoldetem Eisen gefertigt.
Lediglich auf dem Widmungsbild der Vivian Bibel ist am Scheidenmund eine Linie zu erkennen, sie besitzt jedoch die identische Farbe der Scheide. Es ist daher nicht davon auszugehen das hier ein metallenes Mundblech zu sehen ist. Wahrscheinlich zeichnet sich hier eine Schnürung durch den Bezug ab.
Warum aber den Scheidenmund gesondert schützen?
Das Einstecken des Schwertes in die Scheide wirkt wie ein Keil den man zwischen die Scheidenhälften treibt. Dies verstärkt sich sogar noch wenn man das Schwert leicht schräg ansetzt und somit mit einen Hebel auf Scheidenhälften einwirkt. Dieses kann zum Beispiel am Zeremonialschwert von Essen beobachtet werden, welches am Scheidenmund durch die hohe Beanspruchung starke Beschädigungen zeigt.
Die Lösung für dieses Problem ist alternativ zum Mundblech eine zusätzliche Wicklung am Scheidenmund. Da diese aber nicht sichtbar erscheint ist zu vermuten das diese direkt auf dem Holz der Scheide angebracht ist, wasbei der Montage hilfreich ist, da es die Scheidenhälften bereits zusammenhält. Auf meiner Scheide habe ich darüber noch ein dekoratives Seidengarn angebracht.
Analog dazu ist ebenfalls eine Wicklung im Ortbereich zu vermuten. Alleine schon um die Scheidenhälften auch hier akkurat aufeinander zu halten, auch wenn dies in diesem Bereich nicht ganz so zwingend notwendig ist. Möglicherweise ist dieses nicht erkennbar da die Feinwicklung über diesem Bereich liegt.
Die Feinwicklung sollte zu dem weitere Funktionen haben. Zum einen zieht sie die Scheidenhelften im Ortbereich noch einmal zusammen. Gleichzeitig aber schützt sie den Ortbereich, bzw den unteren Teil der Scheide, etwa vor Schleifen am Boden, durch Gebüsch, Äste oder ähnliches.
Nun aber zur fertigen Scheide!
Grundaspekt war es ja eine Scheide nach der Beschreibung Notkers herzustellen. Notkers Beschreibung funktioniert aber nur unter gewissen Vorrausetzungen, wie ich feststellen musste:
Der Lederbezug muss sehr dünn sein, fast pergamentartig, während der Leinenbezug tatsächlich dick und robust sein sollte. Die Beschreibungen der in Kroatien gefunden Scheiden beschreibt sie als “Segeltuch bezogen”, was wohl auch auf die von Notker beschriebene Scheide zutrifft.
Dies musste ich schmerzhaft feststellen, den mein Leder war mit 1,5mm zwar weich, aber eben auch dick, mein Leinen dagegen mit 200g/m recht fein. Ich hatte auch experimentiert, das Leinen noch heiß (mit feuchten Wachs, frisch aus dem Backofen) zu bekleben. Durch die Hitze haftet das Leinen gut am Leder und dem Hautleim. Es wird fast durchsichtig und einen lackartigen Glanz. Da ich das aber alles nicht entsprechend zügig hinbekam, war alles fleckig. Ich war so unzufrieden, das ich letztendlich nach einer Nacht des Grübelns über heißem Wasserdampf das Leinen und das komplette Leder von der Scheide abzog und im Anschluß ein neues Stück Leinen vorbereitete und dies kühl aufklebte, nun ohne Leder darunter.
Die Beschreibung Notkers, das die Scheide Karls des großen mit weißem Leinen und hellstem Bienenwachs gehärtet/ imprägniert war, ist übrigens nahezu ohne Wert! Es ist unerheblich ob das Leinen weiß, oder das Wachs gebleicht ist. Wenn ich das Textil mit dem Wachs durchtränke und es haltbar mache wird es automatisch dunkler! Ich habe es mit verschiedenen Leinenstoffen und verschiedenen Bienwachsarten getestet und das Ergebnis war immer fast gleich. Es ist also anzunehmen das Notker die Helligkeit des Stoffes und des Wachses metaphorisch meint, bzw. Karls herausgehobene Stellung betont! Aber es wirkt unter natürlichem Licht nicht so dunkel wie es den Anschein machte.
Was die ikonischen X-förmigen Verzierungen angeht habe ich eine Vermutung. In meiner jetzigen Variante sind sie nicht sehr dominant erkennbar. Ich kann mir aber vorstellen das sie durch Staub, Schmutz oder einer Nachbehandlung in irgendeiner Art und Weise besser sichtbar werden.
Dazu könnte ich mir eine Wandlung der Mode vorstellen.
Man brachte die Wicklungen von “unten nach oben”. Irgendjemandem gefiel diese Wicklung, so dass er sie über dem Leinen anbrachte, möglicherweise farbig abgesetzt. Ein Trend der sich vielleicht durchsetzte.
Dazu ging mir auch die Überlegung durch den Kopf das Leinen nicht aufzukleben, wie ich es tat, sondern nur um die Scheide zu nähen. Dann könnte die Schnürungen darüberliegend angebracht sein um mögliche lockere Stellen auszugleichen. Die Schnürung hätte dann den Sinn das Leinen eng auf der Scheide zu halten. Tatsächlich fand ich beim Nachlesen zu Scheiden aus Mukulcice den Hinweis auf das die Feinwicklung nicht durch Textilstreifen, wie durch Geibig nachgewiesen, erfolgt war, sondern wohl durch Lederbänder oder Streifen erzeugt wurde die auf dem äußeren Textil einen Abdruck hinterlassen hatten, sonst aber vergangen waren. ( The surface of the scabbard of sword 90 was leather, and near the point of the blade it bore horizontal decorative bands, presumably impressed. A similar decoration made from an organic material, presumably leather, was identified on the point of the scabbard of the sword from burial 580 (…) )4
Dies erklärt auch die Wicklung die durch Archäotechnik Trommer für die Spatha in Lorsch gewählt wurde5
Im Gegenzug würde sich im Übrigen bei einem Aufnähen des Leinens eine darunterliegende Schnürung nicht richtig abzeichnen, denn wenn ich es stramm aufnähe entstehen keine Kreuze sondern flächige Dreiecke weil sich das Leinen über die Schnürung spannt.
Ich habe in meinem Bestand an Stoffen noch altes, schweres und dichtes Bauernleinen entdeckt, das ich mal in Trebur aus einer Aussteuertruhe geschenkt bekam. Ich werde wohl in nächster Zeit in aller Stille noch eine Scheide bauen und dieses Leinen nähender Weise aufziehen. Da ich aus dem Leinen auch noch eine Tasche machen möchte und ich hier das gewachste Leinen als sehr gut empfinde, werde ich das Wachsen an dem dicken Leinen hier zunächst Testen bevor ich mich entscheide dies dann auch auf der Scheide zu machen. Diese Scheide wird dann nach den archäologischen Vorbildern aus dem Mährer-Reich und Kroatien entstehen und entsprechend kein Fell sondern Textil im Inneren besitzen Das werde ich aber in aller Stille machen, weil ich gerade einiges um die Ohren habe.
Leather and Leatherworking in Anglo-Scandinavian and Medieval York S3360ff ↩
Abbildungen beim British Museum: https://www.britishmuseum.org/collection/object/H_1952-0202-2 ↩
Drei Schwerter aus der Sammlung des Bayerischen Armeemuseums in Plattenrock, Buckler Conquistador – Aus der Schatzkammer des Bayerischen Armeemuseums S.106 ↩
Early Medieval Swords from Mukulcice Kosta/Hosek S289 ↩
Link zur Abbildung: https://www.trommer-archaeotechnik.de/img_exponate_schwerter/Mannheimer%20karolingische%20Damast-Spatha%20mit%20Scheide.jpg ↩
Hat mir sehr gefallen und ich habe mich immer auf den nächsten Teil gefreut. Der Text schuf wirklich eine intensive…
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…
Ab heute mit Jahresangaben nach Holozän-Kalender? Ich finde das gut; überlege ebenfalls, den öfter zu verwenden. (Es wird das Jahr…