Zur Herkunftsfrage von Thorsberg Hose und Tunika
Sucht man im Internet nach „germanischer Kleidung“ oder „germanische Hose“ findet man in aller Regel recht schnell die Thorsberg Hose und den Thorsberg Kittel, respektive Tunika.
Durch meinen Besuch in Schloss Gottorf bin ich jedoch auf eine interessante Fragestellung gestoßen:
Wie germanisch sind Tunika und Kittel überhaupt? Und falls nicht germanisch, was bedeutet das überhaupt?
Doch schauen wir uns zunächst die Fundumstände an. 1858, nach dem beim Torfstechen im Thorsberger Moor einige Funde aufgetaucht waren, begann Conrad Engelhardt, der Direktor des Flensburger Museums mit einer Großgrabung in Thorsberg und Nydam die bis 1861 andauern sollte. Beide Fundorte sollten sich perfekt ergänzen. Durch die unterschiedlichen pH-Werte der Moore. Während in Nydam Eisen erhalten blieb, aber Textilien sich zersetzten, blieben in Thorsberg Textilien erhalten, Eisen jedoch zerstört. Leider gingen daher auch für Datierungen wichtige Lanzen- und Speerspitzen verloren1
Die Funde Engelhardts, der übrigens Däne war, ebenso wie Schleswig-Holstein dänisch war, prägten das Bild der nordischen Germanen bis heute.
-Die Funde in der Konotation ihrer Fundzeit und die damit verbundenen Ideologien
Die Funde waren (und sind es manchmal noch heute) Ideologisch aufgeladen. Eine der ersten Rekonstruktionen stammt aus dem Jahr 1867 vom englischen Runenforscher G. Stephens. Sie zeigt einen vermeintlich idealtypischen Krieger, der so ziemlich alle Fundstücke von Thorsberg und Nydam am Leib trägt. Eine weitere von 1865 (Leider ohne Bild) zeigt die Kleidung in den Farben blau, rot und weiß. Den Farben Schleswig Holsteins. Die Rekonstruktion wurde so zum Äquivalent zur Germania als Wacht am Rhein, gegen die bösen Dänen im Norden nach dem Deutsch-Dänischen Krieg von 1864.
Das Nydam Boot war ideologischer Spielball im Konflikt zwischen Dänemark und Preußen, ging doch das Boot nach dem Deutsch-Dänischen Krieg in Preußischen Besitz. Nach der Neuordung der Grenze 1920 lag Nydam in Dänemark das Boot verblieb jedoch in Deutschland. Die Anstrengungen Dänemarks das Boot zurück zu erhalten blieben erfolglos.
Für die NS Diktatur waren die Funde von Nydam und Thorsberg gefundenes Fressen. Für die Hitler Jugend wurde das Nydam Boot als „Stadingsehre“ rekonstruiert und für Fahrten genutzt. Funde aus Thorsberg und Nydam mit Swastikas und Othala Runen, als Odal-Rune stolz präsentiert.
Und zuletzt nutzten auch die Flensburger Identitären das Nydam Boot…2
-Doch alles anders?
Und obwohl nun diese Funde das Germanenbild so sehr prägten, das sich Generationen von Schülern Wandbilder mit den Funden aus Nydam und Thorsberg ansehen mussten, ist Thorsberg nicht nur Fundort germanischer Gegenstände, sondern auch römisches Fundgut ist darunter. Und genau da wird es interessant!
Die Ortsansässigen Angeln hatten mehren Phasen Krieg geführt und Beutestücke im Thorsberger Moor als Opfergabe dargebracht. (Witzigerweise hat man ein bisschen den Göttern gegenüber geflunkert und zum Teil minderwertige Ware geopfert. In Nydam zum Beispiel minderwertige Pfeile mit Nock in Richtung der Maserung oder schartige Schwerter) In Thorsberg wurden demnach der größte Teil der Gegenstände in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts deponiert. Soweit Fibeln aus Buntmetall erhalten waren, konnten diese dem Elbgermanischen Raum zugeordnet werden. Da sich im Thorsberger Moor aber nur die Buntmetalle und nicht das „profane“ Eisen erhielten, sehen wir nur die Ausrüstung der hochgestellten Elbgermanen, der Führungseliten.
Diese hochgestellten Elbgermanen trugen aber nun keine Ausrüstungsgegenstände die man als originär germanisch bezeichnen könnte. So findet sich ein römischer Reiterhelm vom Typ Nida-Heddernheim mit Schlangenapplikation, genauso wie Schildrandbeschläge und ein römischer Schildbuckel eines scutum mit der Inschrift AEL. AELIANUS. Auch finden sich die Beschläge römische Schwertgurte, aber auch Gurtbeschläge die von Germanen nach römischen Vorbild gefertigt wurden.
Zu dieser Art von „germanischen Repliken“ römischer Gegenstände zählt auch der bekannte Maskenhelm, der wohl gänzlich im Babaricum nach römischen Vorbild entstand, aber auch die beiden Zierscheiben. Eine zeigt zwar den römischen Kriegsgott Mars, das umlaufende Tierfries weist jedoch auf den Beginn einer germanischen Kunst hin.3
Ob nun einige dieser Elbgermanen selbst als Auxilliartruppen dienten, die römischen Stücke Beutestücke sind, oder diese im Babaricum erworben wurden muss offen bleiben.
In diesem Fundkonvolut finden nun sich auch die Textilien von Thorsberg. Eine Tunika, 2 Hosen und mehrere Prachtmäntel.
-Die heutige Sicht auf die Textilien von Thorsberg
Inga Hägg verfasste einen kleinen Aufsatz zu Hose und Tunika von Thorsberg.4 Die Tunika, ursprünglich rot mit purpurnen Borten als Ärmelabschluss, auf der Rückseite der linken Schulter mit einem „Knopfloch“ versehen und mittels Bändern an den Seiten geschlossen (nicht vernäht), sieht Hägg als römisch.
Sie schließt dies aus Textquellen. Hier wird erwähnt das fremde Soldaten in römischen Dienst eine tunica rossa als Auszeichnung erhielten. Etwa beim erreichen höherer militärischer Ränge. Bestätigt sieht sie diese Annahme durch das Knopfloch. Sie vermutet hier eine Möglichkeit zur Befestigung von Lederriemen für Köcher oder Schwertgehänge. ( Anmerkung: Keine Ahnung wie das funktionieren soll! Vielleicht eben nur eine Fixierung das nichts rutscht?)
Auch Susan Möller-Wiering greift diese These auf.5 ergänzt sie jedoch noch um Anmerkungen zur roten Farbe der Tunika. Demnach trugen römische Soldaten in aller Regel bis zum Ende des dritten Jahrhunderts weiße Tuniken, schwenken dann aber zu rot um, wobei rot eine typische Farbe des Kriegsgottes Mars ist. Als Beispiel wird der heilige Gereon in Köln aufgeführt, der als Offizier der Thebäischen Legion auf Grund der Weigerung sich an der Christenverfolgung zu beteiligen am Beginn des vierten Jahrhunderts enthauptet worden sein soll. Bei der Öffnung des Sarkophags im 12ten Jahrhundert soll die Mumie eine weiße Untertunica und eine rote Obertunika getragen haben. Wobei ich dies als als Hinweis eher weniger gelten lasse , die diese Graböffnung insziniert wurde durch Norbert von Xanten.
Etwas konkreter werden die Hinweise bei der Thorsberghose. Hägg sieht sie als die Hose eines Reiters. Begründet wird dies mit den angesetzten Füßlingen, die das Hochrutschen der Hose während eines Ritts verhindern. Zudem weist sie auf die Mittelnaht der Füßlinge hin, die ihrer Ansicht nach das Gehen bei Fußtruppen behindert und zudem schnell verschlissen wären. Am ehesten zählt aber vielleicht eine römische Abbildung.
Auf einem der Grabfresci von Silistra (ca. 300 n.Chr.) in Bulgarien findet sich eine analoge Hose zur Hose von Thorsberg. Wie diese auch, hat die hier abgebildetete Hose angesetzte Füße und ebenso Gürtelschlaufen6
-Bedeutet das nun das die Kleidungsstücke römisch sind?
Nein, das mit Sicherheit nicht, bzw. nicht in Gänze. Die Römer waren bekanntlich ja nicht die Freunde von Hosen, die sie zunächst als typisch barbarisch sahen.
Wir werden durch die Kleidungstücke eher Zeuge jenes Momentes als sich verschieden Kleidungsstile vermischen und sich anpassen. Die Hose etwa wurde den römischen Zwecken im kühlen Norden auf die Bedürfnisse der Reiterei hin mit Füßlingen verbessert.
Die Elbgermanischen Vorbesitzer der Opfergaben im Thorsberger Moor, bzw. deren Führungseliten, tragen keine originär germanische Kleidung mehr, wenn es eine solche überhaupt je gab. Vielmehr kleiden sie sich im Stil römischer Hilfstruppen, bzw. auch zum Teil wie echte römische Soldaten oder Offiziere, oder sie versuchen es zumindest.
Ein Vorgang der uns in der Geschichte immer wieder begegnet. Seien es byzantinische Element die von den Karolingern übernommen werden, arabische Moden die mit den Kreuzzügen nach Westen schwappen oder aber auch Elemente wie die Halskrause die aus Spanien im 16. Jahrhundert nach Westen schwappte.
Letztendlich macht es für den Reenactor / Living History Darsteller aber keinen Unterschied ob der Fund von Thorsberg originär römischen Ursprungs, germanisch, germanisch mit römischen Elementen, skythisch mit römischen Element oder was weiß ich für mögliche Kombinationen. Zwar gibt es im Schnittmuster Unterschiede zu anderen Hosenfunden wie etwa Damendorf, diese sind aber im Verhältnis marginal. Lediglich die angesetzten Füßlinge sind der Hauptunterschied. Die Idee das es sich um eine Reiterhose handelt finde ich dabei durchaus einleuchtend, halte aber die von Inga Hägg aufgeführte Problematik der Naht auf der Fußsole für nicht gegeben. Viele Reenactors haben diese Hose , oder aber auch Strümpfe/ Beinlinge mit Mittelnaht auf dem Fuß nach genäht und konnten darin ohne Probleme gehen. Das Inga Hägg diese sogar als „bei langen Märschen nicht ungefährlich“ bezeichnet entzieht sich daher ein wenig meinem Verständnis.
-Anmerkungen zu den Datierungen:
Die Datierungen sind mit unter sehr unterschiedlich. Es finden sich Angaben wie „beginnendes 5. Jahrhundert“7 , oder es ist die Rede von der „ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr.“8. Es bleibt hierbei wohl zu welchem zeitlichen Konvolut die Hose einst gehörte.
Neue Forschungen aus Thorsberg und Nydam, A.Rau R.Blankenfeldt N. Lau S. Matesic F. Westphal , S.151, 2009, ISBN 987-3-8062-2279-1 ↩
TAZ Link online ↩
Hier zusammenfassend aus Neue Forschungen aus Thorsberg und Nydam, A.Rau R.Blankenfeldt N. Lau S. Matesic F. Westphal , 2009, ISBN 987-3-8062-2279-1 ↩
Geopferte Gewänder in Nydam und Thorsberg – Opferplätze der Eisenzeit S.28 ↩
War and Warship: Textiles from 3rd to 4th-century AD Weapon Deposits in Denmark and Northern Germany, Susan Möller-Wiering ↩
vgl. Wearing the Cloak: Dressing the the Soldier in Roman Times , Susan Möller-Wiering S.112 ff ↩
Prähistorische Textilkunst in Mitteleuropa – Geschichte des Handwerks und Kleidung vor den Römern Karina Grömer S.296, 2010, ISBN 978-3-902421-50-0 ↩
Neue Forschungen aus Thorsberg und Nydam, A.Rau R.Blankenfeldt N. Lau S. Matesic F. Westphal , S.150, 2009, ISBN 987-3-8062-2279-1 ↩
Hat mir sehr gefallen und ich habe mich immer auf den nächsten Teil gefreut. Der Text schuf wirklich eine intensive…
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…
Ab heute mit Jahresangaben nach Holozän-Kalender? Ich finde das gut; überlege ebenfalls, den öfter zu verwenden. (Es wird das Jahr…