Altstraßen und Trebur – Teil II – Frankfurt und Osten
In diesem Teil werde ich mich den Straßen widmen die von Trebur aus Norden, bzw. grob in Richtung Frankfurt verlaufen. Wobei ich letztendlich dazu übergegangen bin die Wege die aus dem Beßheimer Tor aus Trebur heraus führten nachzuzeichnen.
Als Quellen dienten, neben den angegebenen Quellen vor allem die Buxbaum Karten1 , und die fantastische Kartensammlung von Kristof Doffing ( Link )
Straßen der Römerzeit
Die römischen Straßen werden hier kaum eine Rolle spielen. Lediglich zwei Straßen können Verbindungen zur römischen Besiedelung des Rieds herstellen. Zwar wurde der grobe Verlauf der römischen Straße des Lagers auf Esch in Richtung Frankfurt weitergenutzt und auch die heutige B44 nimmt in etwa ihren Verlauf ein, doch da Groß-Gerau im frühen Mittelalter kein Zentralort war hatte diese Straße an Bedeutung verloren.
Von den zwei Straßen die Verbindungen aufweisen ist zunächst die Straße entlang des Mainufers zu nennen. Sie wurde bis in die Gegenwart genutzt, auch wenn der heutige unfernahe Weg in Teilen lediglich als Radweg dient.
Interessanter im Kontext der folgenden Straßen ist jedoch der Fund eines römischen Turmes östlich der Horlache bei Haßloch im Bereich des heutigen Baggersees des Rüsselsheimer Dreiecks. Beim Bau der A67 wurde hier eine etwa 10m hohen Sanddüne mit dem Namen „Königshügel“ abgetragen. Dabei kamen die Überreste eines von einem Graben umgebenen römischen Turms des späten 1./ frühen 2. Jahrhunderts zu Tage. Wurde früher die Überwachung römischer Straßen vermutet, sieht Thomas Maurer darin primär einen Signalturm, da der Turm sich in gerader Linie zwischen dem Lager auf Esch und dem Lager Hofheim auf der anderen Main Seite, auf etwa der Hälfte des Weges befindet. Er könnte genutzt worden sein um wie am Limes Feuersignale weiter zugeben. Verbunden war dies möglicherweise mit dem Schlagen einer Schneise für bessere Sichtbarkeit aus welcher dann eine römische Straße hervorgegangen sein könnte, die wiederum der Ursprung der Stockstraße sein könnte.2
Straßen des Mittelalters
Zunächst einmal ist für die Fernstraßen oder Handelsstraßen festzuhalten , das ihnen eins gemeinsam ist. Nur am Start, bzw. Zielort verlaufen sie durch bzw. in einen Ort. Alle anderen passierten Orte werden nicht durchlaufen sondern die Straßen ziehen eng an ihnen vorbei.
Bei Zentralorten des Mittelalters bildete sich durch die Straßenführung eins sogenannte Straßenspinne, d.h. ausgehend von dem Zentralort liefen die Straßen strahlenartig in die verschiedenen Richtungen, ganz ähnlich den Hauptfäden eines Spinnennetzes.
Im nördlichen hessischen Ried gibt es zwei dieser Straßenspinnen. Die ältere ausgehend von Trebur, die jüngere um Groß Gerau herum.
Wollte jemand aus Trebur kommen nach Frankfurt, oder allgemein den Norden reisen, so musste er Trebur über die Bessheimer Pforte verlassen. Bereits kurz darauf teilte sich die Straße.
Ein Teil verlief in etwa parallel der heutigen L3040 in Richtung Nauheim, an Nauheim vorbei und danach weiter Richtung Königstädten, wobei es sich hier um die ältere Variante handelt die später zugunsten der heutigen Straßenführung aufgegeben wurde. Die ältere Variante führte über Schleifweg, Hügel- und Mühlstraße an Nauheim vorbei. Der zweite Arme teilte sich nahe dem Bessheimer Hof ab, führte zunächst nach Norden und direkt auf Königstädten zu.
Beide Straßen führten jedoch nicht in die Orte Nauheim oder Königstädten hinein, sondern nah an Ihnen vorbei. Da beide Orte nur einen Bruchteil der heutigen Größe besaßen, wuchsen sie über diese Straßen hinweg zu heutiger Ausdehnung.
Abhängig vom Ziel seiner Reise, musste der Reisende wählen welchen Weg er nahm. Wollte er innerhalb des Fiskalbezirkes der Pfalz Trebur, bzw. der späteren Drei-Dorf-Mark bleiben, reiste er über Nauheim und nahm dann den Weg durch den Wald nach Mörfelden. Eine Karte von 1576 zeigt diesen Weg und beschreibt den Wald als „Dis ist der Dreyer Dörfer Holzmarck“. Der Weg deckt sich mit dem „Nauheimer Weg/Blechschneise“ in Richtung Mörfelden, ein beliebter Rad- und Wanderweg durch den Wald.
Wollte der Reisende jedoch nach Norden, bzw. den kürzesten Weg nach Frankfurt nehmen, so führte ihn sein Weg nach Königstädten. Dort, etwa im Bereich der Grundschule , teilte sich der Weg erneut in die historische Stockstraße und die Alte Frankfurter Straße.
Die Stockstraße
Der Name der Stockstraße soll nicht von einer Beschaffenheit als Knüppeldamm herrühren. Vielmehr soll sich ihr Name auf die Rodung beziehen, die für das Anlegen der Straße notwendig war.3 Die Stockstraße kann heute noch bis Haßloch mit dem Auto befahren werden. Danach wird sie zum Waldweg, der nach Norden führend, an der Auffahrt der B43 auf die A3 bei Raunheim endet. Der weitere Weg führte am Main, beginnend an der Mönchofkapelle, entlang. Diese Querverbindung von Ginsheim Gustavsburg kommend und bis Frankfurt reichend bestand bereits seit römischer Zeit4
In Kelsterbach wurde der Reisende erneut vor die Wahl gestellt in welche Richtung er reisen wollte. Er konnte der Kelsterbach Terrasse folgend nach Frankfurt gelangen. Hier lag auch eine frühmittelalterliche Befestigung in Form eines Festen Hauses mit Ringwallanlage, heute bekannt als „Schwedenschanze“, die den Weg schützte und als Fluchtburg dienen konnte. Die andere Möglichkeit die sich bot, folgte einige Kilometer weiter dem Main bis man die Furt bei Frankfurt Höchst erreichte. Auf der gegenüberliegenden Mainseite bot sich nun Möglichkeit auf die Fernstraßen einzubiegen.
Je nach Zeitstellung bot sich die Möglichkeit auf die Elisabethstraße (im Ursprung römisch), Antsanvia bzw. die Via Regia (Fernstraße von Mainz nach Eisenach bzw. noch weiter) oder aber weiter auf die Kurzen oder Langen Hessen ( Handelstraße von Frankfurt nach Leipzig) einzuschwenken, bzw. von diesen Straßen abgehend nach Norden zu reisen . Alle Straßen haben im Groben einen ähnlichen Verlauf. Allgemein wird angenommen, dass auch wenn ihr Verlauf nie wirklich festgeschrieben war und sich je nach Gegebenheiten ändern konnte, er zum Teil den Wegen folgte die auch das karolingische Heer bei seinen Sachsenzügen nahm.
Der Verlauf der Stockstraße überbrückt bis Kelsterbach etwa 20km, bis zum Übergang nach Hoechst etwa 25km. Im 17./18. Jahrhundert verlor die Stockstraße durch den geplante neu- bzw. Ausbau der Chausseen und Landstraßen von Groß-Gerau Richtung Mainz, Frankfurt und Darmstadt an Bedeutung.
Die Alte Frankfurter Straße
Hatte der Reisende in Königstädten den Weg nach Frankfurt gewählt, bog er in den Wald ein, genau dort wo heute das Rüsselsheimer Autobahndreieck ist. Fast geraden Weges bewegte er sich in Richtung Frankfurt, wobei der Weg geschickt immer wieder Dünen nutzt auf denen er verläuft um so sumpfiges Gelände zu vermeiden. Auf den Buxbaumkarten ist ein weiterer Teil eingezeichnet, der aus Nauheim zu kommen scheint und kurz vor der heutigen Rüsselsheimer Straße (B486) auf die Alte Frankfurter Straße trifft. Auf Höhe der heutigen Startbahn West kreuzt die Straße die Aschaffenburger Straße, die in diesem Bereich von Raunheim kommend zum Walldorfer Gundhof läuft. Dieser lag bis zur Gründung Walldorfs 1699 durch Waldensische Siedler in Nähe des Gundhofs einsam im Wald. Diese Straße gewann aber erst im 10. Jahrhundert an Bedeutung als Aschaffenburg als Schenkung an das Mainzer Erzbistum fiel, hatte dafür aber länger bestand als die Stockstraße.
Die Frankfurter Straße verlief jedoch weiter Richtung Nord-Osten und berührte den Gundhof nicht. Sie verlief etwa entlang der heutigen Hohewartschneise folgend bis westlich des Forsthauses Mitteldick, dem heutigen Zeppelinheim, von da aus weiter in Richtung Gehespitz (heute Gewerbegebiet von Neu-Isenburg, ebenfalls als Waldenser Siedlung ab 1699 entstanden), jedoch westlich davon , noch ein Stück westlich des Alten Gundweges, direkt auf das ehemalige Waldstadion zu und weiter zum Oberforsthaus, wo sich der Alte Frankfurter Weg und der Alte Gundweg vereinigten und der heutigen Mörfelder Landstraße folgend nach Sachsenhausen hinein hinein liefen. Dort wo der Weg östlich des Flughafens zwischen Bahn, A3 und B43 liegt, wo eigentlich niemand hnkommt, hat man ihn dann auch auf knapp 200m „Karolingerweg“ genannt…
Die Distanz die die Verbindung von Trebur nach Frankfurt überbrückte waren dabei nur etwas mehr als 30km. (max. 35km). Wollte man versuchen die Strecke heute nachzulaufen müsste man jedoch 38,45km (Routenplanung mittels Garmin Connect) zurücklegen, da die Startbahn-West umlaufen werden muss, Bahnstrecken, Autobahn und Schnellstraßen gequert werden müssen.5 Die alte Frankfurter Straße verlor mit dem Niedergang der Pfalz Trebur erstmalig an Bedeutung. Mit Groß Gerau als neuem Zentrum des Gebietes war die Straße nur noch attraktiv für lokal Ansässige aus Königstädten oder Nauheim. Mit dem Anlegen der gepflasterten Chausseen zu Begin des 19. Jahrhunderts verlor sie endgültig ihre Funktion.
Der „Mainzer Weg“ nach Dieburg
Wie Trebur auch war Dieburg Königshof und einer der Verwaltungsorte der Dreieich. Wie auch zum Königshof nach Frankfurt, gab es eine direkte Verbindung nach Dieburg. Obwohl dieser Weg noch bis ins 17. Jahrhundert bestanden haben soll6 finden sich heute kaum mehr Spuren dieser Handelsverbindung. Einige Flurnamen weisen dennoch darauf hin.
So weisen die bekannten Buxbaumkarten nordöstlich von Groß Gerau noch die Fluren „Am Worfelder Mainzer Weg“ und „An der alten Straß“ auf. Auch eine Flur- und Gewannkarte von 1914 hat hier noch eine Straße mit dem Namen „Die alte Straße“ eingezeichnet die mit dem Mainzer Weg (heute Mainzer Weg Schneise) verbunden ist. Östlich der heutigen Heimstädtensiedlung lief der Weg nach ein Stück nach Nord-Osten in den Wald und nimmt dort heute den Namen „Mainzer Weg Schneise“ an. Weiter führte er nördlich an Worfelden vorbei durch den heutigen Golfplatz Bachgrund und weiter Richtung Gräfenhausen wo er eine weitere von Norden kommende Straße kreuzte, auf die ich gleich kurz noch eingehen möchte.
Die Straße führte südlich an Messel vorbei, wo noch der Mainzer Berg, möglicherweise auch der „Herrenweg“ darauf verweist, um in Dieburg auf „Die Alter Mainzer Landstraße“ zu treffen.
Seinen Ursprung hatte der Weg natürlich in Mainz, wie der Name ja nahelegt, lief aber über Trebur nach Nauheim. Von dort aus aber weiter nach Süden über die Kratzenau, wobei die Anbindung an die Wege nach Trebur nicht ganz klar erscheint. Im Bereich des heutigen Groß Gerauer Nordrings verlief er nach Osten und nahm den zuvor beschriebenen Weg auf.
Das Wormser Straße Problem
Möglicherweise gibt es eine weitere Straßenverbindung, die für Trebur oder den Fiskalbezirk eine Rolle gespielt haben könnte. Die sogenannte Wormser Straße. Dabei ist unklar wie weit diese an Trebur heranreichte, bzw. wie lange diese Verbindung bestand oder wie überhaupt ihr genauer Verlauf war.
Zur entstehung der Wormser Straße vermerkte Fritz Backhaus für den Landesgeschichtlichen Atlas Hessen im Bezug auf Karls des Großen Sachsenkriege und die Wormser Straße:
„(dass) die Heere auf der möglicherweise um 770 von Karl als Kunststraße angelegten >Wormser Straße< nach Frankfurt und von dort über die >Weinstraße< nach Sachsen marschierten.„
Nach Schalles-Fischer7 sind die bekannten Stationen der Straße ab Langen führend, über Egelsbach (hier bekannt als Lutherpfad), Erzhausen und Gräfenhausen, weiter Richtung Gehaborner Hof der als „Gimborn uff der Wormser Straßen“ in einer nicht genannten Quelle bezeichnet worden sein soll. Schalles-Fischer nennt keine weiteren Orte, glaubt aber das auch der Königshof Gernsheim oder zumindest dessen Bereich von der Straße gestreift wurde. Eine weitere Rekonstruktion des Weges ist ihr nicht möglich.
Hans Kempe dagegen war zuvor der Meinung gewesen den Verlauf dieser Straße weiter rekonstruieren zu können8 . Für ihn verlief der Weg von Griesheim weiter nach Hahn. Dort folgte er der B426 über die Bruchmühle in Richtung Gernsheim. Letzteres gibt er in der angefügten Karte nicht an, sondern zeigt als nächsten Ort Klein-Rohrheim, Groß-Rohrheim, Biblis und Hofheim um dann zur Wormser Fahrt zu gelangen. Kempe baut in seinem Text auf Georg Wehsarg auf, einen Heimatforscher der Dreieich, den auch Schalles-Fischer nutzt, wobei Wehsarg wiederum auf die Quartalsblätter des historischen Vereins für das Großherzugtum Hessen 1918 S198 zurückgriff um den Weg zwischen Worms nach Griesheim zu rekonstruieren.
Nach Karl Nahrgang9 konnte bei Egelsbach in der Verlängerung des Wormserweges/ Lutherpfad diese Straße im sumpfigen Gebiet in 1m tiefe als 6m breiter Knüppeldamm aufgedeckt werden.
Das ich diese Straße aufführe, ohne das sie Trebur direkt tangiert hat nun mehrere Gründe. Zum einen führt diese Straße nach Langen, welches bis 834 zu Trebur gehörte, um dann an das Kloster Lorsch verschenkt zu werden. Der Fiskalbezirk also direkt betroffen war und wohl auch das Heer versorgte. Zum Anderen weil der Egelsbacher Geschichtverein nun folgendes im Bezug auf die Haas´sche Karte schreibt10
In südwestlicher Richtung erkennen wir den Wormser Weg, die schon im Mittelalter benutzte alte Straßenverbindung über Erzhausen, Gräfenhausen, Trebur bis nach Worms.
Ich vermute das in Egelsbach ein Fehler unterlaufen ist und man versehentlich die Wormser Straße und die Mainzer Straße nach Dieburg gemischt hat. Treffen sich doch beide Straßenverläufe bei Gräfenhausen. Wobei man natürlich überlegen kann ob unter bestimmten Bedingungen, Jahreszeiten o.ä. unterschiedliche Anbindungen (zur Versorgung?) gewählt wurden um das Zwischenziel Frankfurt zu erreichen, wobei dies ein Umweg von 20-30km Darstellen würde, was einer Tagesreise entspräche. Meiner Ansicht eher unwahrscheinlich, wenn ich möglichst schnell ein Heer nach Sachsen verlegen möchte.
HStAD O 61 Buxbaum ↩
T. Maurer Das nördliche hessische Ried in römischer Zeit S 169/170 ↩
LAGIS, Südh. Flurnamenbuch https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/shfb/id/3383/chapter/commentary ↩
T. Maurer Das nördliche hessische Ried in römischer Zeit S97 ↩
Tatsächlich habe ich mir schon vor einiger Zeit vorgenommen diese Strecke zu laufen, so als Trail/ Trainingslauf. Vielleicht als „Awareness-Run“ für die Pfalz? Würde dann aber erst nach der Pandemie Sinn machen. Will jemand mitlaufen? G1, 7:30 Pace oder so? Bin im Moment kaum im Training, da keine Thriathlons stattfinden ↩
vgl. „Landstraßen 16.-18. Jahrhundert“, in: Geschichtlicher Atlas von Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/ga/id/54> ↩
M. Schalles Fischer, Pfalz und Fiskus Frankfurt S.71ff ↩
Hans Kempe, Die alte Straßenverbindung Worms-Frankfurt. Neue Feststellungen des Dreieichforschers Georg Wehsarg, Egelsbach, in: Der Wormsgau 2 (1934-1943), S. 344-347 ↩
Nahrgang, Die Frankfurter Altstadt S30 ↩
https://www.geschichtsvereinegelsbach.de/images/002-Gemarkung_1788.pdf ↩
Sehr geehrter Herr Zwittmeier, zur Ortsnamen-Geschichte von Geinsheim hier ein paar Anmerkungen. Die Zuordnung der Namen Gemminesheim und Gemminisheim im…
Danke Christian, tatsächlich war ich vor 2 Jahren dort, muss aber gestehen das ich den Textilien wenig Aufmerksamkeit geschenkt habe.…
Hi. Bin grad über den Artikel gestoßen. Wenn du mal in die Nähe von Hildesheim kommst: Im dortigen Domschatz befinden…
Nein aktualisiert nicht. Die müsste noch in der Variante wahrscheinlich noch irgendwo in meinem Archiv schlummern
Hallo Markus, hast du die Karte zwischenzeitlich zufällig für einen anderen Post/Vortrag/Ausstellung aktualisiert?