Die karolingische Tunika I – Kreisverzierungen
Ursprünglich hatte ich geplant einen großen Artikel zur karolingischen Männertunika zu schreiben. Jedoch entwickelte sich die Recherche viel aufwendiger und langwieriger als gedacht, so das ich mich entschloss ihn in einzelen Parts zu splitten. Beginnen möchte ich heute mit der berühmten, kreisförmigen Verzierung aus dem Stuttgarter Psalter an der sich bereits viele versucht haben.
Zierstreifen mit Kreismotiv
Eines der bekanntesten Elemente der karolingischen Tunika, vor allem bekannt aus dem Stuttgarter Psalter, sind die Zierstreifen (Clavi) mit und ohne Verzierung mit Kreismotiven. Wie auch schon bei den Bartträgern im Stuttgarter Psalter (Nur getragen von „Ausländern“/Feinden und Propheten) wird auch bei der Kleidung differenziert.
So zeigt sich David vor seiner Ausrufung zum König zwar mit Clavi verzierter Tunika, jedoch nur mit wenigen angedeuteten Kreismotiven und mit unverziertem Mantel. Bei seiner Krönung jedoch weist Tunika und der nun gefasste Mantel zahlreiche Kreisverzierungen auf (zu purpurfarbener Hose!). So lässt sich eine Rang- und Standesabfolge im gesamten Psalter erkennen.
Die einfachste Version der Tunika ist jene ohne jegliche Verzierungen, gefolgt von jenen mit gefassten Säumen gesteigert durch zentrale Clavi und weiter gesteigert durch die Verzierung mit Kreismotiven. Abschließend lässt sich die Reihe fortsetzen mit einigen wenigen langen Tuniken, die mit bunten Steinen Geschmückt sind und deren Träger oftmals Kronen tragen.
Bereits hier lässt sich erkennen das das Kreismotiv nicht aus einem einfachen Filzkreis bestehen kann wie es etwa in einer Rekonstruktion durch Dr. Dagmar-Beatrice Gaedtke-Eckardt für das Niedersächsisches Landesmuseum Hannover entstand1
Einen ersten Hinweis zur Beschaffenheit der Zierstreifen höher gestellter Personen erhalten wir wiedereinmal in Einhards Vita Karoli Magni in der er Karls „Alltagstunika“ als mit Seide gefasst beschreibt. Ähnliche Hinweise finden sich recht häufig, jedoch wird nie eine weitere Verzierung erwähnt die die Kreisform direkt erklären könnte. Es ist daher von Bedeutung sich die Beschaffenheit der Seidenstoffe genauer zu betrachten.
Pierre Riché listet in „Die Welt der Karolinger“ einige Seidenstoffe auf.2 So etwa für das Grab Bernhards von Italien einen Mantel aus 15m damastartiger Seide, sowie Erwerbungen Abt Angilberts von Saint-Riquier die fast ausschließlich aus Seidenbrokat oder Seidendamast bestehen.
Dies deckt sich mit den Funden aus Klerikergräbern, und mit denen hochgestellter Persönlichkeiten. Dort finden sich Seidenstoffe, die großflächig mit „orbiculi“, kreisförmigen Schmuckelementen, geschmückt sind bereits seit den 6. oder 7. Jahrhundert.
An dieser Stelle sei zunächst das Grab der Veventia genannt, der bereits als Kind verstorbenen Tochter Pippin des Älteren3, der ein solcher Stoff mit Greifenmotiv ins Grab gelegt wurde. In diese Reihe gehört auch der Quadrigastoff aus Aachen, der möglicherweise Grabtuch Karls des Großen war.
Auch lange Zeit nach Karl dem Großen fanden diese Motive noch Verwendung. So findet sich diese Stoffmotive auf der Heiratsurkunde der Theophanu und kehren auch in der großen Adlerfibel von Mainz wieder.
Ein weiterer Hinweis zu byzantinischen Seidenstoffen als Dekorierung von Tuniken erreicht uns aus den Funden des Osebergschiffs. In diesem Schiff des 9. Jahrhunderts fanden sich unter anderem in Streifen zerschnittene byzantinische Seidenstoffe, die wohl für die Anbringung an einer Tunika vorgesehen waren, sowie ein karoförmiges Palmettenmotiv aus brokatierter Wolle auf Leinengewebe, das zwar aus lokaler Herstellung kam, jedoch persische oder byzantinische Motive nachahmt.4
Das sich karolingische Adlige mit byzantinischen Stoffen geschmückt haben steht außer Frage, zumal Byzanz das Monopol auf Seide besaß und Einhard, als auch Notger uns davon berichten. Doch warum könnten es gerade diese byzantinischen Kreismotive sein, die sie übernahmen?
Orbiculi waren für die frühen Franken nichts fremdes. Sie dienten als Foederati bis zum Untergang des Weströmischen Reiches in der Armeen der Römer. Als solche waren ihnen die Orbiculi, die den Kniebereich der römischen Tuniken schmückte nichts fremdes.
In Byzanz wurden sie schließlich zum Standessymbol. Das Mantelfutter Justinans I. auf den Mosaiken in San Vitale Ravenna ist sogar in Gänze mit Kreismotiven geschmückt. Doch nicht nur der Oströmische Kaiser schmückte sich damit.
In Byzanz war es für die Höflinge üblich und Zeichen ihres Standes, ihre Gewänder mit Seidendamast oder Seidenbrokat mit aufwändigen Orbiculi am Saum und einer breiten, zentralen Clavi zu schmücken. Je mehr desto besser. Aus dem 9. Jahrhundert haben uns auf Grund des Bilderstreits nur wenige Abbildung erreicht, so etwa die Abbildung einer Heiligen als byzantinische Hofdame, sinniger Weise gewebt auf der Clavi einer koptischen Tunika (Abbildung) Klarer noch ist ein tatsächlicher Tunikasaum aus Ägypten (zweites Bild von unten )
Wir wissen nun um Renovatio Imperii und dem damit verbundenen Verständnis der Karolinger sich als Nachfolger des West-Römischen Reiches zusehen. Der Adel war im Besitz von Elfenbein Dyptichen spätantiker Herkunft und die adlige Jugend wurde, fast wie in römischen Zeiten, in den 7 Künsten unterrichtet. Karl orientierte sich beim Bau der Aachener Marienkirche an byzantinischen und bei der Aachener Aula und der Ingelheimer Pfalz an antiken Vorbildern. Die Illustratoren der Handschriften bauten Reminiszenzen der Antike in ihre Werke ein.
Möglicherweise nutzten die Karolinger diese und ähnliche Verzierungen bereits länger auf ihren Tuniken, der Abstraktion der Künstler fielen diese jedoch zum Opfer, zumal diese Verzierungen auf Distanz oder ungünstigem Licht ohnehin kaum im Detail zu erfassen sind und lediglich als farbige Fläche erscheinen.
Die Verwendung byzantinischer Damast und Brokatstoffe innerhalb karolingischer Eliten ist jedoch nicht gleich zusetzten mit einer allgemeinen Verbreitung dieser Stoffe. Das Original war sicherlich nur für die oberste Klasse bei Hofe verfügbar. Niedrigere Adelige dagegen sollten sich, wenn es ihnen den möglich war, mit Resten der Stoffe, ausgetrennten Kreisformen verschidenster Herkunft befestigt auf einem unedleren Trägermaterial zufrieden gegeben haben. Noch geringere Adlige dagegen mussten wohl gänzlich auf den byzantiniscghen Prunk verzichten und wählten wohl eher die Variante, die sich auch im Osebergschiff fand – Nachgewebte oder gestickte Kreiselement aus Wolle nach dem Originalvorbild, aufgenäht auf Tuniken.
Ergänzend möchte ich hier noch einen byzantinischer Saum aus dem 11. Jahrhundert zeigen, der durchaus einen Eindruck vermitteln kann wie die karolingischen Säume in ihrer edelsten Form ausgesehen haben könnten:
Zudem wollte ich noch darauf hinweisen, dass ich nicht der erste bin der diesen Gedanken hatte, wie dieses Bild bei Wikipedia zeigt.
…Eine Frau darf keine Männerkleidung tragen, und ein Mann keine Frauenkleidung… Vorabdruck aus „Die Kunde“, Jahrgang 2005 ↩
Pierre Riché Die Welt der Karolinger,S203. , 2te Auflagge 1999, Reclam ↩
Otto von Falke gibt in der Kiunstgeschichte der Seidenweberei fälschlicherweise Pippin den Jüngeren an und datiert den Stoff daher ins 8. Jahrhundert ↩
vgl. Anne Stine Ingstad, The textiles in the Oseberg ship ↩
Man könnte hier auch noch den Bericht der Annales Nazariani zum Tassilo-Prozess in Ingelheim 788 anführen: "Und als das so…
Hat mir sehr gefallen und ich habe mich immer auf den nächsten Teil gefreut. Der Text schuf wirklich eine intensive…
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…