Die Kolpos Suche
Ich habe eine Tabelle erstellt weil ich eine Entwicklung in der Kleidung sehen wollte, bzw. greifbar haben wollte. Dazu habe ich das ganze in drei Spalten geteilt. West (Franken) bezeichnet eigentlich das direkte fränkische Kerngebiet. Nord ist das was man so gerne als Wikinger Gebiete bezeichnet, alles nördlich von Haithabu (inkl.), also Dänemark, Norwegen Schweden Finnland und Ost dann direkt Byzanz.
Etwas problematisch ist das mit der Spalte Eisenzeit. Da hätte ich eigentlich statt Franken und Nord, römisches Reich, römische Randgebiete und dann erst Nord gebraucht um Thorsberg adäquat abzubilden, aber ich habs zumindest erwähnt.
Hier nun die Tabelle:

Einige Tuniken werde ich kurz Erklären, andere nur kurz anreißen, des Überblicks wegen.
Der Osten
Osten(Byzanz) bzw. Rom wenn man so will ist weitestgehend Ton angebend. Wird zunächst die rechteckige, ärmellose Tunik und dann die Dalmatika getragen kommt bald schon dir Tunica Manicata, die Tunika mit engen Ärmeln hinzu. Schon im 6 Jahrhundert erscheint langsam das Skaramagion, eine Tunika, die wesentlich enger ist als die ursprünglich römischen Exemplare. Als Herkunft werden Reitermäntel / Kaftane aus der Steppe vermutet1 Das Scaramagion wird zunächst am Kaiserhof zum Teil des kaiserlichen Ornats und wird auch vom Militär übernommen.
Im Norden
Thorsberg und Reepsholt habe ich sowohl unter West, als auch unter Nord eingeordnet. Reepsholt und Thorsberg werden Bezüge zu römischer Kleidung zugesprochen, auch wenn Thorsberg örtlich unter mein Nord-Schema fällt.
Landbreen ist der Rest eines ehemaligen Gletschers in Zentralnorwegen, der als Pass fungierte. Die hier gefundene Tunika ist eng, bzw. Körperbetont und besitzt Armkugeln. Sie wird mit Thorsberg verglichen, was an der Zeitstellung liegt und der Verwendung der “Thorsberg-Naht”. Sie wird als Tunica eines Jägers, vielleicht auf der Rentierjagd bezeichnet.2
Die Högom Tunika kannte ich bis vor kurzem auch nicht. Ihr Schnitt ähnelt eher samischen Trachten (Ich hatte mal ein Unterkleid danach genäht), Die Ärmel bilden den Oberkörper und sind auf der Brust miteinander vernäht, darunter sitzt ein rechteckiges Stück, das den Körper bildet. Die Högum Tunika ist kurz, knapp bis unter den Gürtel und körperbetont und zu dem noch sind die Ärmel mit einer doppelten Dreierreihe von Knöpfen geschlossen.
Bernuthsfeld habe ich wieder, auf Grund der Unbekannten, in zwei Spalten eingetragen. Zudem tritt bei der Tunika die Frage auf ob sie nur so schmal war, weil der Kollege einfach wenig Stoff hatte, sprich arm war. Andererseits hat die tunika einen leichten Hauch von Armkugel, was wiederum, bei meinem jetzigen Stand für die Nord Sektion spricht.
Birka hält eine Vielzahl von Knöpfen, Seidenreste und Beschläge bereit. Nicht wirklich etwas ganzes, aber dennoch einige Hinweise. Birka BJ 735/944 besaß wohl einen Kaftan mit Seidenverzierung, eine Svita. Ihr Einfluss, wenn nicht sogar das ganze Textil ist bei den nomadischen Reitervölkern (Steppe) zu verorten und kam wahrscheinlich über die Wolga Route nach Birka.
Haithabu bietet eine Vielzahl von textilen Fragmenten. Alles in allem scheinen sie körperbetont und eng gewesen zu sein. Sie eigenen sich also eher für Handwerker und sparen dabei an am Rohstoff Textil.
Zu den Textilien im 8. und 9. Jahrhundert ist nur die Tunika longa zu erwähnen. Die von Karl auf päpstlichen Wunsch getragen wurde und wohl identisch ist mit der Kleidung die Karl der kahle mit byzantinische Krone trug. Es handelt sich um nichts anderes als das byzantinische Skaramgion, das das Ornat des byzantinischen Kaisers geworden war.
Springen wir nun ins 11. Jahrhundert.
Als besonderes Merkmal besitzt die Moselund Tunika Armkugeln, einen größeren Rücken als Vorderseite und eine Schlitzung vorne und Hintenen, sowie Geren an der Seite.
Auch Skjoldeman besitzt seitliche Geren und Schlitzung. und einen V-Auschnitt
Ebenso besitzt auch die Kragelund Tunika wieder Geren und eine Schlitzung nach vorne und hinten. Der Halsausschnitt ist als Schlitz nach vorne und hinten ausgeführt,
Im Westen siehts etwas mau mit den Funden aus, zumindest was eine “normale” Tunika angeht.
Das 11. Jahrhundert im Westen
Die Tunika Heinrichs II hat ein Problem. Wir wissen nicht wie groß sie wirklich war, denn der weiße Trägerstoff den sie heute besitzt bekam sie erst 1954, als sie vom “Kunigundenrock” als Trägerstoff gelöst wurde. Als Größe wird heute angegeben mit Länge: 183,5cm, Schulterbreite: 52,5cm. Statt der Schulterbreite wäre wohl die Saumbreite interessanter, da diese durch die byzantinisch inspirierten Stickereien vorgegeben ist, Insgesamt scheint die Höhe maximal überzogen, die Breite dagegen zu gering.
Textilien des 12. Jahrhunderts
Die Legende schreibt die San Bonifacio Albe in Viterbo, dem hl. Bonifatius von Ferentium zu , der im 6. Jh. lebte. Die Beschreibungen, die das Museum liefert hält sich etwas in Grenzen3 Schreibt aber das die Albe aus Leinen aus dem 12. Jahrhundert stammt, die Verzierungen aus dem 6. Jh. und vielleicht doch erst alles im 14. Jh. entstand… aber dann doch unter 12. Jh. geführt wird.
Die Albe aus dem Krönungsornat in Wien wurde um 1181 in Sizilien hergestellt. Sie hat große Ähnlichkeiten mit den anderen Alben. Wie das Kunsthistorische Museum schreibt besteht die Möglichkeit das die Besätze auf einem roten Grund montiert waren um sich am byzantinischen Kaiser zu orientieren und erst im Auftrag von Friedrich II. zur Albe umgenäht wurden. Sie ist 154cm hoch und 127cm breit. Was die Breite angeht sind 127cm mit Ärmeln viel zu wenig. Beschreibt also wohl nur den Körper.
Ähnlich erscheint auch die Albe Thomas Beckets
Die St. Bernulfs Albe ist nach den Erkenntnissen der letzten Jahrzehnte eine kaiserliche Albe Barbarossas. Als solche wird sie dann inzwischen auch im Catharijneconvent Museum in Utrecht unter Inv.-Nr. OKM t91 geführt. Wahrscheinlich wurde auch sie in Sizilien gefertigt. Hier kommen nun auch im Westen Geren zum Tragen, die zudem schon von modernern Vorlieben dieser Zeit deuten. Sie sind am an ihrem Startpunkt kunstvoll gerafft
Oder wie es das Catharijneconvent Museum schreibt: “Die offizielle Kleidung weltlicher Herrscher ähnelte damals in Form und Verzierung stark liturgischen Gewändern.”4
Nun sind die erhaltenen Kleidungsstücke kaum vergleichbar. Im Westen sind hauptsächlich klerikale und herrschaftliche Gewänder erhalten, im Norden wahrscheinlich Kleidung, die eher arbeitenden Gruppen entspricht.
Und da sehe ich einen gewissen Punkt. Alles, was wir aus dem Norden haben. Vorallem auch aus Haithabu scheint eher aus einem handwerklich arbeitenden Kontext zu stammen., während das was wir hier aus unserer Ecke haben aus einem herrschaftlichen Kontext stammt.
Aber bei den Textilien des herrschaftlichen Kontextes, mit der Optik einer Dalmatik oder einer Tunika Manicata, kann in gegürtetem Zustand mit ihnen ein Kolpos, der den Gürtel verdeckenden Wulst, erzeugt werden.
Wer handwerklich arbeitet kann mit “unmengen” an Stoff am Körper wenig anfangen. Man verheddert sich, man reißt sich Löcher rein und vorallem: Je mehr Stoff man am Körper hat, desto teurer wird die Kleidung. Die Kleidung die wir aus dem Norden kennen, ist also praktisch und kosteneffizient. Auch wenn hier mehr Nähte vorhanden sind.
Aber warum sehen wir auf Abbildungen, vorallem aus der Karolingerzeit, immer nur die weite Kleidung mit Kolpos? Die Abbildungen zeigen nicht den Querschnitt der Bevölkerung! Wir sehen fast nur hochgestellte Persönlichkeiten. Die Abbildungen sind nicht der Strauss-Handwerkerkatalog, sondern die Vogue! Das zeigt sich auch wenn ein Bettler dargestellt wird. Er wird meist nackt gezeichnet, wobei es unwahrscheinlich ist das ein Bettler nackt durch die Straßen gestolpert ist. Das ganze ist eher straight on point, oder voll auf die Fresse. Man soll sofort auf den ersten Blick erkennen, was gemeint ist.
Trugen die hochgestellten Karolinger daher noch die am Körper weite Tunika Manikata? Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht. Vieles spricht dafür, das sich zumindest die Eliten noch so kleideten wenn sie repräsentierten. Unter der Brünne, wird eine solche Tunika eher hinderlich gewesen sein und auch hier wird man auf eine schmalere, körperbetontere ausgewichen sein, so wie es ja auch die römischen Legionäre taten.
Ich habe, gerade heute mir noch einmal Herrscherabbildungen ab dem 11. Jahrhundert, beginnend mit Heinrich III. angesehen. Im Perikopenbuch Heinrichs III. ist er, als auch sein armiger jeweils mit Tuniken mit Kolpos zu sehen. Im Codex Aureus dann mit langen weißen Textilien die an die Dalmatiken erinnern. Der Kolpos taucht auch noch im Evangeliar von St. Emmeram auf, wo Heinrich IV. mit seinen Söhnen Konrad und Heinrich V. abgebildet ist. Er ist jedoch nicht mehr so ausgeprägt und die Tunika wirkt länger. Der Kolpos verschwindet danach aus den Abbildungen und die Tuniken wurden noch einmal länger. Generell wird hier ein starker Einfluss durch den Osten in Folge der Kreuzzüge angenommen.
Wenn ich noch einmal darüber nachdenke, erscheint es mir so als habe sich der Schnitt dieser weiten Tuniken nicht wesentlich geändert. Was sich änderte war ihre Trageweise. Der Kolpos wurde kleiner und die Tunika dadurch länger da nicht mehr soviel sich über dem Gürtel wölbte.
EDIT: hatte was vergessen. Wenn der karolingische Adel bzw. Personen hohen Status eine Tunika Manikata ähnliche Tunika trugen, wäre das einer der Unterscheidungspunkte zwischen Franken und Nordmännern, die dazu führte das sich Odo von Paris, bei der Belagerung und dem Wegschleichen aus Paris mit nordischer Tracht tarnte, weil seine weite Tunika zusehr aufgefallen wäre. Mal ganz abgesehen von potentieller Seide…
Abb. https://recherche.smb.museum/detail/1437104/reitermantel ↩
Marianne Vedeler, Lise Bender Jørgensen, Out of the Norwegian glaciers:
Lendbreen—a tunic from the early first millennium AD S.799 ↩
https://www.museocolledelduomo.com/arte-sacra-tesoro-dei-papi/veste-di-san-bonifacio/ ↩
Oh ja gerne!
Hallo, Bei Recherchen zur Tunika Heinrich des Zänkers bin ich auf eine ähnlich Lösung gekommen, ich habe mir das Stifterbild…
Hab jetzt gerade Terra X schauen wollen. Seit neusten mit KI generierten Stimmen. Diese Entwicklung gefällt mir nicht. Ich muss…
Gut gelungen. Dieses Miniriemchen im Riemendurchzug der Scheide hält das Ganze.
Freunde von mir waren schon da. Ich weiß nur nicht ob ich selbst schaffen werde :-(