Glamping statt Camping II – Auf der Suche… Teil 2
Nachdem ich mich im vergangenen Teil mit dem Zelt auseinandergesetzt habe, dass heute als Geteld, Sachsen Zelt usw. verkauft wird und dabei herauskam, dass diese Zelte auf Militärzelten des 18. Jahrhunderts basieren, wollte ich versuchen, ob man nicht eine andere Möglichkeit finden kann, ein Zelt wie im Utrechter Psalter zu gestalten.
Doch schauen wir uns zunächst einmal die Entwicklung an.
Der Ursprung des “Geteld”
Eine Möglichkeit zu Entstehen zu dem was wir als Geteld bezeichnen, ist eine Entwicklung aus den einfachen spätrömischen Militärzelten, wobei diese Unterstände so universell sind, dass eine Zuweisung an eine spezielle Gruppe wie den Römern fast unnötig oder sinnlos erscheint.
Diese einfachen Zelte bestehen aus zwei Stangen und einer Firststange, so wie das Geteld, über das eine einfache Zeltplane gelegt ist. Die Enden sind dagegen offen. Abbildungen davon sind etwa in der Wiener Genesis zu sehen. Im Grunde ist es nichts anderes als ein Tarp, den man zwischen zwei Bäumen mit einer Ridgeline spannt. Dies Art des Zeltes findet sich auch auch im Lat. 9987, aus Brüssel oder Valenciennes MS412. Karolingische Handschriften, die jedoch auf Grund verschiedener Darstellungen als Kopien spätantiker Vorlagen zu sehen sind
Von hier aus ist der Weg zum “Geteld” nicht weit. Es fehlt nur ein Abschluss für die offenen Seiten.
Bei Verschluss des Unterstands mit einem Dreieck erhält man ein einfaches A-Zelt. Fast einfacher ist es, eine größere Plane zu verwenden und die überstehenden Teile am Ende übereinander zu legen. Bei einem Tarp entsteht so eine Trapezform, bei der die Ridgeline (Dachlinie) länger ist, als die am Boden, da die Ecken eingeschlagen werden. Bei einem Tarp gibt es aber das Problem, dass man eine extrem große Plane braucht, was beim Wandern etwa wegen des hohen Gewichts eher unerwünscht ist. Im Mittelalter habe ich dagegen das Problem das ich durch die lange Ridgeline unnötig viel Stoff verbraucht wird, der dem Innenraum des Zeltes nicht nutzt, denn was bringt mir schon ein längerer First, wenn ich diese Länge im Innenraum nicht nutzen kann, da die Bodenlinie kürzer ist?
Einen ganz ähnlichen Weg gehen militärische Zeltplanen für Zweimannzelte. Hier gibt es eine lange Bahn an deren Enden sich jeweils ein Dreieck befindet. Zwei der Bahnen zusammengeknöpft ergeben ein Zelt, wobei die Dreiecke sich zusammen zu Apsiden formen.
Eine zweite Möglichkeit könnte in Kegelzelten liegen. Das hört sich zunächst seltsam an, aber wieso hier ein Zusammenhang bestehen könnte, wird sich noch zeigen.

Stoffe und Zeltplanen
Doch zurück ins Frühmittelalter. Wo heute Zeltplanen und Zelte meist aus breiten Stoffbahnen erstellt sind, sind solche Breiten im Frühmittelalter eher selten.
Zwar gab es auch extrem große Gewichtswebstühle, wie etwa nach den Befunden der Pfostenlöcher auf der Tilleda rekonstruiert ist, oder wie sie notwendig waren um große Mäntel wie aus Thorsberg oder Bernuthsfeld zu weben. In aller Regel waren die Webstühle jedoch schmaler. Eine fixe Größe ist nicht zu ermitteln, aber meist liegen die Breiten der Stoffbahnen zwischen 70cm und 120cm.
Dies bedeutet, um größere Stücke oder eine Plane zu erhalten, müssen Stoffbahnen vernäht werden. Dies ist keine ungewöhnliche Vorgehensweise, wie ein Blick über den Tellerrand zeigt.
Eine Konstruktion aus schmalen, langen Stoffbahnen ist etwa auch bekannt von nordafrikanischen, nomadischen Zelten, dem Schwarzzelt ( engl. Black Tent). Die Bahnen werden aus den versponnen Haaren schwarzer Ziegen zu einem groben, durchlässigen, leinwandbindigem Gewebe auf einem horizontal Bodenwebstuhl verwoben.Diese Bahnen werden vernäht und bilden somit eine flächige Plane.1
Auch bei den ursprünglichen “Geteld” Zelten ist von einer solchen Konstruktion aus einzelnen Stoffbahnen auszugehen. Während wir in späteren Abbildungen wie dem Altenglischen Hexateuch ( Cotton Claudius B.iv, 2. Hälfte 11. Jh. ) die Stoffbahnen durch farbliche Absetzung gut erkennen können, fehlt eine solche klare Darstellung in älteren Abbildungen. Man kann jedoch davon ausgehen, dass an den Stellen, an denen die Zeltheringe zu erkennen sind, die Stoffbahnen miteinander vernäht sind. Eine Anbringung von Schlaufen für die Heringe an anderen Stellen würde auch keinen Sinn machen, denn der Zug, der dann auf die Nähte einwirken würde, könnte sie reißen lassen. Zudem ist es sinnvoller, die Naht nicht an einer Stelle zu haben, die durchhängen könnte, um eine bessere Dichtigkeit zu gewährleisten.
Eine kaum beachtete Abbildung
Es gibt eine Abbildung die kaum beachtet scheint. Diese eine Abbildung stammt aus dem De Universo (De rerum naturis)2 des Hrabanus Maurus. Dabei handelt es sich um eine Abschrift des 11. Jahrhunderts eines Originals des 9.Jahrhunderts3 Oftmals werden die beiden Bilder auseinandergerissen, doch scheinen sie ein und dasselbe Szenario zu zeigen: Zwei Männer, die sich in verschiedenen Stadien des Zeltaufbaus befinden.
Leider konnte ich kein Digitalisat der kompletten Handschrift, die in Montecasino verwahrt wird finden, so dass mir der textliche Kontext fehlt.
Auf dem oberen Bild ist ein Mann zu sehen (rechts) der eine vertikale Zeltstange fixiert. Im oberen Bereich ist sie mit einer Kugel versehen auf der eine Gabelung aufsitzt. In diese Gabelung ist eine horizontale Stange aufgelegt, die Firststange des Zeltes. An ihr ist mit Schlaufen oder Ringen ein Innenzelt befestigt. Dieses muss zuvor von der Person im linken Bildrand aufgefädelt worden sein, der nun die Firststange nach oben stemmt, wohl mit der Absicht, auch hier vertikale Stange mit Gabelung einzusetzen.
Auf dem zweiten Bild ist das Zelt fast fertig errichtet, nur zur Rechten wird noch ein Hering eingeschlagen. Das eigentliche Zelt wirkt wie eine riesige, in der Mitte geschlitzte Tunika. Doch stimmt einiges nicht wenn man davon ausgeht dass das unter Bild die Fortsetzung der oben gezeigten Szene ist.
Wenn das Innenzelt zuerst montiert ist, bekommen die Arbeiter das eigentliche Zelt nicht mehr über die Firststsange, wenn diese schon aufliegt, denn sie müssten es durch “die Ärmel” der übergroßen “Tunika” führen.
Auch der mittige Zugang weist ein Problem auf. Er gibt den Blick auf eine vermeintliche dritte vertikale Zeltstange frei. Diese müsste aber im Innenzelt stehen und somit mit ihrer Gabelung dieses nach oben drücken. Genau wie das Hauptzelt nach oben gedrückt würde. Zudem würde sich eine Brücke zwischen Außen- und Innenzelt bilden. Nicht gut für die Isolierung.
Es scheint dagegen wahrscheinlich das der Zeichner einen Kunstgriff machte und zwei Seiten in einem Ebene darstellte. Solche Kunstgriffe / Darstellungen kommen immer wieder vor. Dies würde bedeuten, wir schauen gleichzeitig das Zelt von Außen auf der Breitseite an, aber auch gleichzeitig auf die Stirnseite mit dem Eingang und blicken dabei auf die Zeltstangen. Dann aber wären die Zeltstangen tatsächlich im inneren, zwischen Innen- und Außenzelt.
Aber auch die abgebildete Konstruktion ist durchaus möglich. Die innere Stange wäre dann anders befestigt, vielleicht mit einer Steckverbindung und keiner Gabelung. Sie würde verhindern, dass sich der Firstbalken durch Gewicht durchbiegt.
Die Abbildung der Harding Bibel
In der Harding Bibel aus dem 12. Jahrhundert sehen wir an einer Stelle Judith, die dem Holofernes den Kopf abtrennt. Die Szene spielt sich in einem Zelt ab. Das Zelt ist wieder aus einzelnen Bahnen konstruiert, wird aber zweidimensional dargestellt. Dabei schauen wir wieder auf zwei Seiten gleichzeitig. Einmal schauen wir auf die lange Seite des Zeltes, erkennbar durch den Giebel, aber auch gleichzeitig in das Zelt auf der Kurzseite mit dem Eingang.
Wir sehen im Inneren einen geöffneten Vorhang. Optisch scheint dieser hinter den Personen liegen, sollte aber tatsächlich das Innenzelt zeigen, in dem sich die eigentliche Szene abspielt. Sie müsste sich also vor den Personen befinden. Zu dem Vorgang ist anzumerken, dass hier wohl wieder einmal die Perspektive gedreht wurde. Die Stange an der der Vorhang hängt sollte parallel mit der Längsseite laufen, wir schauen aber in die Kurzseite. Es ist also immer ein ständiges Hin und Her der Perspektiven, was einfach daran liegt, dass das Bild so inszeniert wurde, dass es den besten optischen Effekt für die Aussage/ die Erzählung erzielt.
Der Eingang des Zeltes wird im Übrigen durch überlappende Zeltbahnen realisiert, wie es auch für andere Abbildungen zu vermuten ist..
Connecting the dots
Die Abbildungen des Utrechter Psalters sind die wenigen Abbildungen, die Zelte in leichter Perspektive darstellen. Spätere Zeltdarstellungen, etwa aus dem 11. Jahrhundert, abstrahieren die Abbildungen stärker und stilisieren auf eine flache Ebene , sind dafür aber farbenprächtiger.
Die Abbildungen im Utrechter Psalter (15r, 25r, 71v, 85v) lassen keine ausgeprägte Apsis mit etwa halbrunder Form erkennen. Zudem, wie etwa auf Folio 71v zu erkennen ist, scheinen die Zelte auch eher in Gänze rundlich oder zumindest eine ovale Grundfläche zu besitzen. Ihnen fehlt also die gerade Längsseite moderner Zelte, die die Apsis optisch betonen würde.
Die späteren Abbildungen, etwa der Altenglische Hexateuch zeigen schmale Streifen, Bahnen die die Zeltplane bildet. Diese sind zum Teil farblich unterschiedlich dargestellt. Wenn es sich dabei nicht nur um eine künstlerische Spielerei handelt, sondern die Bahnen wirklich unterschiedlich gefärbt waren, kann es sich schwerlich um Leinen als Material handeln. Wolle wäre hier am wahrscheinlichsten
Die Zelte scheinen oftmals Innenzelte zu besitzen. Während für die Außenzelte zu vermuten ist, dass diese aus Wolle bestehen, wäre für die Innenzelte eher Leinen zu vermuten. Durch diese Kombination wäre ein gutes Klima erreichbar, aber auch eine hohe Isolation.
Somit haben wir einige Faktoren des Zeltes zusammengetragen: Grundfläche oval bis rund. Aus verhältnismäßig schmalen Stoffbahnen zusammengesetzt. Versehen mit Innenzelt.
Experimentieren
Ausgerüstet mit diesen Faktoren versuchte ich mir zunächst ein Papiermodell eines Zeltes zu bauen. Zunächst muss sich festhalten, dass Papier ein sehr undankbares Medium für dieses Vorhaben ist, da es nicht wie Textil fällt, aber zumindest für erste Proben seinen Zweck erfüllt.
Erste Versuche waren nicht so erfolgreich, wie ich es mir vorstellte. Einen Durchbruch erreichte ich jedoch als ich eine Tüte aus Papier formte, also quasi ein Kegelzelt. Dies drückte ich platt, schnitt es oben ab und klebte einen Papierstreifen darüber, der als Giebel fungieren würde. Und tatsächlich funktionierte dies ausgesprochen gut.
Ausgehend von dieser Erfahrung erstellte ich einen Plan (siehe Bild) und daraus ein Model, mit dem ich durchaus zufrieden bin. Zumindest ähnelt es sehr der oben gezeigten Abbildung aus dem Utrechter Psalter. Einzig die Kurzseite, bzw. dort wo die Apsiden sich in der Regel befinden hätte ich die Bahnen kürzer machen sollen, um das Zelt hier steiler abfallen zu lassen (in der Zeichnung als gepunktete Linie dargestellt) . Zudem besitzt das Model auch ein leinenes Innenzelt, das an Schlaufen am Gestänge befestigt ist.
Die Form des Zeltes als solches ist variabel. (Siehe Skizze unten links) Flache ich die Apsiden ab, wird der Eingang Steiler. Man kann aber aber auch das Ganze in die Länge ziehen und erhält eine längeres Zelt.
Zwei weitere Abbildungen von Zelten sollen an dieser Stelle aber nicht unerwähnt bleiben.
Der Madrid Skylitzes zeigt auf S1514 Ein Zelt, das dem Geteld recht ähnlich ist. Es scheint jedoch keinen Firstbalken zu besitzen und ist daher zusätzlich noch an den Apsiden abgespannt. (Danke Gerald für den Hinweis!)
Eine weitere Abbildung soll aus dem Codex Aemilanensis stammen. Sie zeigt ein Getelt-artiges Zelt mit das stark bemalt scheint.
Während der Madrid Skylitzes zwar in Madrid verwahrt wird, geht er jedoch auf eine byzantinische Vorlage der Kaiserchronik des Johannes Skylitzes des 11. Jahrhunderts zurück. Der Codex Aemilanensis hingegen ist originär aus dem christlich spanischen Umfeld des späten 10. Jahrhunderts.
T. Faegre Tents: Architecture of the Nomads. S9ff ↩
Montecassino, cod. casinensis 132, ↩
D.J. Reilly, The Saint-Vaast Bible: Politics and Theology in Eleventh-Century Capetian France, S.175 ↩
Nummerierung der Seiten, im Digitalisat S318, in der PDF Downloadversion S311 ; Link : https://bdh-rd.bne.es/viewer.vm?id=0000022766&page=318 ↩
Sorry, hat etwas gedauert... Ist aus einem Plan der sich bei Rudolf Kautsch, Der Dom zu Worms (1938), aber auch…
Hi, zur Baugeschichte des Doms: "Das Langhaus besitzt die Abmessungen des heutigen Domes und endet an einem Spannfundament am zweiten…
Man könnte hier auch noch den Bericht der Annales Nazariani zum Tassilo-Prozess in Ingelheim 788 anführen: "Und als das so…
Hat mir sehr gefallen und ich habe mich immer auf den nächsten Teil gefreut. Der Text schuf wirklich eine intensive…
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl