Der karolingische Armreif – Herkunft und Deutung
Bei den karolingischen Armreifen handelt es sich um ein oftmals ignoriertes Schmuckstück. Tatsächlich kenne ich nur eine Person, die die Replik eines solchen Fundes besitzt.
Dies liegt zum einen wahrscheinlich an der Stellung seines Trägers, zum anderen an der wirklich sehr überschaubaren Anzahl der Funde. Zunächst aber kennen wir den Armreif aus Abbildungen, wobei er nur bei einer klar erkennbar ist.
Die Abbildungen
Es handelt sich um das Thronbild Karls des Kahlen aus dem Codex Aureus von St. Emmeram. Hier trägt der König am rechten Handgelenk, dem Schwertarm, wie Joachim Werner bei der Betrachtung des Childerich Armreifs nicht müde wird zu betonen, einen goldfarbenen Armreif mit farbigen Steinen. Auch bei dem bekannten Darstellung König Davids aus dem Goldenen Psalter von St. Gallen könnte dies der Fall sein, denn am rechten Arm ist ein goldener Streifen zu erkennen, ähnlich einem Besatz, der jedoch am linken Handgelenk fehlt. Bei der Darstellung des Lothars im Lotharpsalter ist dies dagegen schwer zu entscheiden, da zum Einen die Tunika über und über mit Steinen besetzt ist, so wie das leicht abgegrenzte Handgelenk auch, zum Anderen ist aber das linke Handgelenk vom Mantel bedeckt, so dass hier keine Vergleichsaussage getroffen werden kann.
Die Funde
Wie bereits angedeutet, halten sich die Funde in Grenzen. Jedoch kann bei den Fundstücken in zwei Gruppen unterschieden werden, wobei, soweit ich erörtern konnte, alle bekannten karolingischen Armreife in das letzte Drittel des 8. Jahrhunderts datieren.
Die zwei bekannten Typen sind zum Einen geschlossene Armreife, die über das Handgelenk gezogen werden mussten, zum Anderen Armreife mit Scharnier, die aufgeklappt werden konnten und mit einem kleinen, versenkten Verschluss geschlossen wurden.
Zum Typus des geschlossenen Armreifs zählt eine Grabbeigabe aus Biere bei Magdeburg. Hier im Grenzland war eine Bestattung mit Beigaben vereinzelt noch üblich. Der Armreif ist mit Rankenvoluten verziert. Arnold Muhl geht davon aus, dass es sich bei dem Träger um eine Frau handelte.1 Da aus dem Grab an Knochen nur ein kleinen Stücks des Unterarms erhalten war an dem sich Ring befand, lassen sich weder Aussagen über das Geschlecht, noch über die Frage ob es der linke oder rechte Arm war treffen. Jedoch besteht der Ring aus Bronze und stellt somit ein einfacheres Modell dar.
Muhl führt aber zum Vergleich einen ähnlichen Armreif an, über den ich leider keine weiteren Informationen fand, der aber aus dem Gräberfeld von Looveen (Wijster, NL) und der gesichert aus einem Frauengrab stammt.
Ein weiterer geschlossener Armreif, dessen Original ebenfalls verschollen ist, stammt aus Domburg. Eine Kopie befindet sich im Besitzt des ehemaligen RGZM.
Auch die Scharnierarmreife sind dünn gesät. Am bekanntesten ist sicherlich der im Tassilokelchstil verzierte Reif aus Truchtlaching. Dieser besteht aus vergoldeter Bronze, wie generell die meisten Armreife. Seltener sind Armreife aus vergoldetem Silber2 Ein weiteren, ebenso im Tassilokelstil stammt aus dem Umfeld der späteren Habsburg in der Schweiz. Er soll sich vor dem Zweiten Weltkrieg im Museum im schweizerischen Landesmuseum in Zürich befunden haben, jedoch konnte ich unter der mir verfügbaren Inventarnummer ( Inv. 11333) den Verbleib nicht verifizieren.
Ein dritter Armreif, wohl der Eindrucksvollste, weil aus purem Gold und sehr massiv, stammt als Flußfund aus dem Reno bei Bologna. Auch er ist im Tassilokelchstil verziert. Er wurde leider im 19. Jahrhundert gestohlen und nicht wiedergefunden. Witziger Weise hielt man ihn bei seiner Entdeckung im 18. Jahrhundert für ein etruskisches Fundstück…
Wir scheinen also zwei Gruppen unterscheiden zu können. Der geschlossene Armreif, der von Frauen getragen wurde, und der sich Öffnende für Männer von hohem Rang. Dabei sollte bedacht werden, dass der öffnende Ring sich enger um das Handgelenk schließen lässt als einen, den man über das Handgelenk streift. (Das könnte noch einen Grund haben)
Textquellen
Die Textquellen zu den Armreifen sind dünn gestreut zeichnen aber ein recht eindeutiges Bild. Karl der Große soll Armreife an verdiente Untergebene schwere, goldene, mit Edelsteinen verzierte Armreife verliehen haben.3 Auch soll Guthred 883 bei als Zeichen seiner Königswürde bei seiner Krönung zum König von Northumbria einen goldenen Armreif an den rechten Arm angelegt bekommen haben4
Ein Blick zurück
Armreife als Kleidungstück von Männern begegnen uns schon eine geraume Zeit lang immer wieder und das aus verschiedenen Kulturkreisen. Hier ist der Kolbenarmreif des Childerich aus seinem Grab in Tournai wohl am interessantesten. Joachim Werner stellte zu den merowingischen Armreifen die Theorie auf, das diese aus Byzantinischen Solidi gegossen wurden, da sich das Gewicht in etwa mit einem Vielfachen des Solidus deckt. Im Fall des Armreifes des Childerich musste man das Gewicht rechnerisch ermitteln, da auch dieses Stück nicht mehr existiert, weil gestohlen.
Man ermittelte ein Gewicht von ca. 300g, was in etwa 67 Solidi mit 301,5g entsprechen würde.5
Werner geht nicht davon aus das die Armringe des 5. Jahrhunderts, wie der von Childerich, als Notgroschen dienten, wie man es etwa von den Silberarmringen der Nordmänner vermutet (Hacksilber). Er sieht sie als Statussymbol seiner Herrschaft. Dabei bemerkte er, dass der Armring so eng gefertigt war das er nicht abgestreift werden konnte. Er hätte vielmehr aufgebogen werden müssen, um ihn vom rechten Handgelenk zu bekommen. Doch mit dem Aufbiegen wäre das weiche Gold derart deformiert worden, dass es nicht wieder schön zusammen gebogen werden konnte. Man hätte den Armreif neu schmieden oder gießen müssen, so zumindest Werner.6
Funde von zwei Armreifen kommen hingegen bei germanischen Gruppen nur in Frauengräbern vor, diese waren jedoch im Gegensatz zum Childerich Armreif abnehmbar.
Aber bereits vor Childerich und seinem Armreif finden sich germanische Armreife aus dem 3. Jahrhundert, die ebenfalls so eng waren das si nicht abgestreift werden konnten, so etwa bei dem Gräberfeld von Himlingöje (Männergrab 1894). Dieser zählt jedoch nicht zu den Kolbenarmingen, wie der von Childerich, sondern zu den Tierkopfarmringen. Ähnliche Armringe reichen nach Osten bis nach Schlesien (Zakrzow, ehemals Sakrau ) und in die Slowakei (Ostroviany) hinein.
Interessant ist das im dem Sakrauer Grab mit Armring, der einem Kind angelegt war, ebenfalls ein römischer Offiziersgürtel befand. In einem anderen Grab ein römischer Klapptisch.7
Eine weitere Gruppe von Armringen , die aber wieder abgelegt werden konnte sind die spiralförmigen Schlangenkopfarmringe die als Opferfunde und Grabfunde überliefert sind und von Schweden über Dänemark bis ins Weichselgebiet bis nach Mitteldeutschland reichen. Ihre stilistische Spur, so Werner, führt nach Pannonien und von dortaus direkt ins Römische Reich.
Dort wurden sogenannte Armilla, auch von Römern getragen. Sie wurden als Abzeichen, ähnlich einem Orden, für militärische Einsätze verliehen. Diese wurden aber auch paarweise getragen im Gegensatz zu den germanischen Armreifen.
Einfachen Auxilliartruppen, wie sie die Germanen stellten, wurden die Armilla nicht verliehen, aber zumindest deren germanischen Offizieren.
Jedoch wurden die Armilla auch abgelegt und meist nur bei Paraden angelegt, eben genauso wie heutige Orden. Genau das scheint bei Childerichs Armreif ja nicht der Fall gewesen zu sein.
Werner nimmt an das die ersten Armreife bei den Germanen für Verdienste an deren Heerführer verliehen wurden, diese nahmen sie mit in ihre Heimat und opferten oder trugen sie weiter. Sie entwickelten sich zu einem Statussymbol für ihren Träger, die Stammesführer und wurden somit ein Symbol ihrer Macht.
Fazit
Demnach hätte sich die Sitte des Armreifens als Zeichen der Herrschaftswürde, wie ihn auch Childerich trug, bis in die Zeit der Karolinger hin erhalten. Auch die Form als eng anliegender Reif scheint beibehalten worden zu sein, jedoch mit der Option den Ring jeder Zeit abnehmen zu können, wovon Scharniere und Verschluss zeugen.
Entwickelt aber scheint sich die Sitte des Armreifs als Herrschafts- und Statuszeichen aus der des römischen Armilla. Die Funktion, das der Armreif nicht nur Herrschaftssymbol war, sondern auch wieder, wie in römischer Zeit, als Auszeichnung verliehen wurde ist wahrscheinlich aus dem galloromanischen Raum zurückgekehrt und wurde wiederbelebt, wenn er denn dort überhaupt völlig verschwunden war.
A. Muhl, Der karolingerzeitliche Armreif aus Biere bei Magdeburg – Ein kleiner Beitrag zur absolut-chronologischen Einordnung eines floralen Ornamenttyps S. 302 ↩
M. Schulze Dörlamm, Zeugnisse der Selbstdarstellung von weltlichen und geistlichen Eliten der Karolingerzeit (751-911) in Aufstieg und Untergang, S171 ↩
M. Schulze Dörlamm, Zeugnisse der Selbstdarstellung von weltlichen und geistlichen Eliten der Karolingerzeit (751-911) in Aufstieg und Untergang, S171 nach Hibernici exulis et Bernowini Carmina III, Versus Karoli Imperatoris V. 94-98. MGH Poetae latinae I, 399. – Hardt 2004, 242 ↩
J. Werner, Der goldene Armreif des Frankenkönigs Childerich und die germanischen Handgelenksringe der jüngeren Kaiserzeit S.7 ↩
J. Werner , Der goldenen Armring des Frankenkönigs Childerich und die germanischen Handgelenksringe der jüngeren Kaiserzeit, S.6 ↩
J. Werner , Der goldenen Armring des Frankenkönigs Childerich und die germanischen Handgelenksringe der jüngeren Kaiserzeit, S.6/7 ↩
J. Werner , Der goldenen Armring des Frankenkönigs Childerich und die germanischen Handgelenksringe der jüngeren Kaiserzeit, S.23 ↩
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…
Ab heute mit Jahresangaben nach Holozän-Kalender? Ich finde das gut; überlege ebenfalls, den öfter zu verwenden. (Es wird das Jahr…
Großartig! Und deprimierend. Ich habe den Artikel von Google News vorgesetzt bekommen, und er war völlig in style. Vom letzten…
Cooler Gag. Aber ich lese immer bis zum Schluss un fang dann an zu recherchieren