Die karolingische Armee – Teil II – Die Zeit der Merowinger
Es mag seltsam erscheinen bei der „karolingischen Armee“ über die Merowinger zu sprechen, aber von nicht kommt nichts. Auch mag es etwas unzusammenhängend erscheinen, aber es war mir wichtig auch eine Art von Grundlage zu schaffen, wobei es mir wichtig ist die Brücke von der Spätantike unter den Römern und dem Frühmittelalter unter den Merowingern zu schlagen. Man hat des Öfteren das Gefühl das das irgendjemand schnipst und dann sind die Römer weg und die Franken da.
Die Merowinger jenseits von „Waldgermanen“
Die Militärorganisation der Franken schöpfte weniger aus der Kultur der “Wald-Germanen” die Tacitus beschreibt, sondern griff direkt auf die Reformen des Weströmischen Militärs zurück die sich in Büchern wie dem De re Militari oder dem Stragemata wiederfinden. Diese sollten auch das gesamte Mittelalter hindurch elementar für Militärstrategien bleiben1
So ist folgendene Beschreibung aus einigen Gründen mit Vorsicht zu genießen:
554 stellt der Merowinger Teudebald eine große Streitmacht aus Franken und Alamannen auf und will eine Invasion in Italien durchführen. Agathias, ein byzantinischer Historiker, beschreibt dabei die Armee. So sollen die meisten ohne Brustpanzer und Beinschienen gewesen sein. Helme kamen kaum vor. Es wurden leinerne und lederne(!) Hosen getragen und das Pferd nutzten nur wenige. Sie trugen Schwert und Schild, sowie Äxte mit doppeltem Blatt und den Ango. Bögen oder Schleudern als Fernwaffen nutzen sie dagegen nicht.
Der Einsatz des Ango wird ebenfalls beschrieben. Er durchschlägt Schilde und kann nicht mehr herausgezogen, auf Grund der Widerhaken. Gleiches gilt bei Treffern auf Körper. Genauso wie die Funktion des römischen Pilums. S24
Agathias ist aber als Quelle nur bedingt geeignet. Als Byzantiner schreibt er aus einer „überlegenen römischer Sichtweise” und zeigt die Merowinger als Barbaren, vorallem wenn er auf Prokopios zurückgreift und den Kriegern Lederhosen oder Doppeläxte, also Handwerksäxte in die Hand drückt.2 Agathius sieht in den Franken aber auch mögliche Verbündete für eine Rückeroberung Italiens durch Byzanz.
Die Franken waren unter den Merowingern mit römischen Taktiken und dem Aufbau des Militärs durchaus vertraut. So hatten die rechtsrheinischen Franken zwar an der Seite der Hunnen bei der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern 451 gekämpft, die linksrheinischen Salfranken waren aber foederati auf Seiten der Römer gewesen.Childerich I stand den Römern als administrator der Provinz Belgica Secunda zu diensten und wurde auch in einem Brief von Bischof Remigius von Reims als solcher angesprochen3
Es gibt Theorien, die vermuten, der fränkische Ango, der oben bereits erwähnt wurde, habe sich aus dem Spiculum, dem römischen Nachfolger des Pilums, entwickelt. Es habe somit eine Übernahme von Waffen und den damit verbundenen Taktiken gegeben.
Sein Sohn Chlodwig I. war ein Warlord der auf die spätantike römische Tradition zurückgriff und zum Honorarkonsul ernannt wurde4 . Teudebert I etwa richtete Circusspiele in Arles aus und erhielt dort das Recht, Münzen nach römischen Vorbild zu schlagen. Drauschke nannte die Zeit eine imitatio der Römischen Herrschaft5
Die Definition einer Unterscheidung von römischer zu germanischer Kriegskunst, die Dellbrück 1920 in Kriegskunst liefert, passte auf die Merowinger überhaupt nicht mehr:
Die Armee (der Römer) kämpfte in festen Schlachtordnungen, war in verschiedene Truppenteile gegliedert und verfügte über eine nach Kompetenzen und Dienstgraden aufgebaute Führung. Als „germanisch“ bezeichnet demgegenüber schon die ältere Forschung Wertvorstellungen wie Treue, Gefolgschaft oder persönliche Freiheit außerdem das freie, manchmal sogar gleiche Eigentum aller Stammesmitglieder; ferner ungeordnete Kampftechniken wie der aus zehn bis hundert Personen bestehende Haufen
Zitiert nach M.L. Heckmann , Römische Kriegsdeutung und römische Kriegsführung im Mittelalter S. 4
Die Vorstellung des gleichen Eigentums war nicht mehr existent. Längst gehörte dem König zunächst einmal alles ( siehe die Episode von Soisson im vergangen Teil ) und man hatte sich durchaus mit den Gallorömern in der Belgica und darüber hinaus arrangiert.
In gallorömischer Tradition
Sicherlich entstand eine solche Anpassung an die spätrömischen Gepflogenheiten nicht einfach aus einer Laune heraus.
Der Großteil der Bevölkerung, abgesehen von mittlerweile ansässigen germanischen Verbänden, der eroberten Gebiete des frühen Frankenreichs bestand aus Galloromanen, die sicherlich den Aufstand bei allzu großen Veränderungen geprobt hätten. Bischöfliche Diözesen, die bald schon ein wichtiges Rückgrat bilden werden, entstanden aus römischen Finanzverwaltungsbezirken die von Kaiser Diokletian eingerichtet wurden und noch existierende Verwaltungsstrukturen wurden ohnehin zur Verwaltung genutzt .
Im Aquitaine gab es noch Garnisonen in Städten nach römischen Vorbild. Das dort stationierte galloromanische Militär hatte noch immer einen Sonderstatus, wurde immer noch nach römischen Vorbild milites genannt und standen unter der Führung eines tribunus. Und das bis ins 7. Jahrhundert hinein. 6
Unter den späten Merowingern kam es zu einer entscheidenden Veränderung des Militärs: Die Einführung lokaler Aufgebote, die dann unter den Karolingern zum Rückgrat der “Heimatverteidigung” werden, die allerdings kaum zum Einsatz kam, da Karl der Große meist in der Offensive agierte. Das Vorbild hierfür findet sich bereits um 440, als der römische Kaiser Valentinian III einen Erlass veröffentlichte, der zunächst jedem dazu fähigen Bewohner der Stadt Rom zur Verteidigung derselben verpflichtet. Dies wurde immer weiter ausgeweitet, sodass auch Bauern und Sklaven für die Verteidigung trainiert wurden.7
Diese “Heimatverteidigung” die Bachrach nennt, sollte identisch sein mit der “Denfensio Patriae” der Karolingerzeit, die etwa im Vertrag von Meersen als lantweri (Landwehr, Landfolge ) bezeichnet ist.8
Verweise in Kleidung auf eine römische Tradition?
Grab 1 aus den Grabungen von St. Ulrich und Afra Augsburg zeigt möglicherweise auch einen Verweis auf die Übernahme römischer Kleidung. Der Schuhmacher Martin Moser hatte eine Rekonstruktion der in Grab 1 gefundenen Stiefel angefertigt, wobei ihm auffiel, dass die Lederbinden, die den Schaft umwickeln, an einer Stelle eine schräge Naht aufwiesen. Da ein Teil der Schuhe vergangen ist lässt sich aber nur schwer sagen wo diese Naht ansetze. in seiner Rekonstruktion setzt sie zwischen Sohle und Oberleder an. Somit gleicht der Schuh in seiner Art der Darstellung von römischen Calceus Senatorius, den Stiefeln römischer Senatoren. Zwar hatte der tote, namenlose, Bischoff auch Sporen mit im Grab, was die interpretation als Reiterstiefel wahrscheinlich macht, aber gleichzeit könnte er sich durchaus in der Tradition römischer Beamter gesehen haben, gingen doch die Diözen aus der römischen Finanzverwaltung hervor.
Verwirrende Begriffe
Aber ein generelles Problem bei der Beurteilung des Militärs zu merowingischer Zeit ist ein Mangel an Textquellen, die direkte Strategien und Einsätze beschreiben, sowie einige gelegentlich wiederkehrende Begriffe.
Diese Begriffe sind sämtlichst fränkischen Ursprungs die latinisiert wurden und in unterschiedlichsten Kontext Verwendung fanden. Dementsprechend unterscheiden sich die Interpretierungen ihrer Bedeutung. Bei den drei Begriffen handelt es sich Trustis/Antrustis/Antrustiones, Leudes und Dructis.
trustis erscheint zum Beispiel als trustis domenica, einer “Königsgefolgschaft” die eben auch als antrustio (einzelne Person) bzw. antrustiones (Mehrzahl) bezeichnet werden.9 Das Wort trustis selbst übersetzt sich als Trost, findet sich aber auch im englischen trust (Vertrauen) wieder. Wenn man so will handelt es sich um trostspendene Vertraute, oder die Vertrauten, die einem in schweren Zeiten zur Seite stehen. Sie waren per Eid an den König gebunden. Ursprünglich entstammen sie den Freien, mit dem Capitulare I wird dies aber aufgeweicht und die trustis/antrustiones können auch aus dem Stand der Unfreien kommen. Ihr Wergeld beträgt das dreifache des regulären Betrags.
Während nun Steuer und andere nun angeben die trustis/antrustiones befänden sich nicht am Königshof sondern auf ihren Landgütern10 und ihre Verpflichtung liegen in der Hauptsache in Kriegszügen, sehen andere in den trustis/antrustiones einer königlichen Leibgarde der merowingischen Könige.11
Bachrach sieht dagegen die pueri als Leibgarde, wobei diese pueri sich aus trustis zusammensetzen könnten12 in denen andere aber wiederum unbewaffnete Dienstleute und Knechte sehen, die wiederum Halbfreie sein könnten13
In karolingischer Zeit scheinen diese trustis bzw. der antrustiones keine Rolle mehr zu spielen. Sie halten lediglich noch als Beispiel für Machtmißbrauch früherer Zeiten her14
Für die trustis/antrustiones bleibt also nur gesichert festzuhalten, dass diese in einem speziellen Treueverhältnis zum König befanden und in karolingischer Zeit keine Rolle mehr spielen. Alles weitere ist lediglich Spekulation.
Wer bei Leudes an Leute denkt, liegt nicht wirklich falsch, wobei auch hier die Meinung wieder extrem weit auseinander gehen15, wahrscheinlich waren es Freie die in einem gewissen Vasallenstatus zum König standen. Das Wort Leudes wird dabei in Verbindung mit Lehen gesehen. (Hierbei ist darauf hinzuweisen dass das Thema Lehen im Frühmittelalter in Kombination mit der Entwicklung der Panzerreiter, die kommen auch noch, auch ganze Bücher füllt und in letzter Zeit nicht mehr so fix angesehen wird wie noch vor einigen Jahren. Kommt wohl bei den Panzerreitern nochmal!)
Leudes sind daher wohl Freie die ebenfalls in Treueverhältnissen zum König stehen, aber unter der Rangstufe der trustis, möglicherweise mit einer gewissen Abhängikeit.
Dructis taucht in der Fachliteratur fast gar nicht auf. In meiner Sammlung von mehr als 90GB und mehr als 1500016 (!) Papern und Büchern exakt 1 mal und da nur im Ahd.-Wörterbuch!!!! Die Wikipedia nennt dructis im Lemma “Franken (Volk)” als berittene Gefolgsleute und setzt sie mit den Antrustiones gleich . Die englische Wikipedia hat beim Artikel zum Seneschal, und sieht darin auch wieder eine Palastwache.
Das Ahd.-Wörterbuch lediglich bezeichnet es als Zug (Gruppe zieht an einen Ort) wobei es als Hochzeitzug verwendet wird, also die Brautfamillie bringt die Braut im feierlichen Zug zur Familie des Bräutigams! Das Wort scheint also nicht im militärischen Sinn verwendet worden zu sein!
Zusammenfassung
Bei den Merowingern, die seit Childerich und Chlodwig die Macht übernehmen handelt es sich kaum noch um Germanen wie sie Tacitus beschrieb. Zwar hatten die Franken noch nicht die christliche Religion angenommen, die nicht nur bei den Galloromanen üblich war. Bereits die Burgunden hatten, wenn auch auch sie noch der homöische Lehre anhingen, das Christentum angenommen. Auch von Chlodwig wird mitunter spekuliert das bereits vor seiner christlichen Taufe (also einer christlichen Taufe dem nicänisch-konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis folgend) homöischer Christ gewesen sein könnte.
Die Franken kennen die Römer, die Römer die Franken, man kämpft zusammen und ist gemeinsam organisiert und übernimmt was sinnvoll erscheint um die neue Herrschaft einfacher zu machen. Zu dem kämpft man zum Teil gegen Reste ehemaliger römischer Truppen, Auxilliare und foederati. Diesen war am ehesten mit ähnlichen Strategien zu begegnen.
Was das Militär, bzw. manche Begriffe daraus, angeht besteht ein Problem bei den Begrifflichkeiten. Diese entstanden unter anderem daher, das Galloromanen wir Gregor von Tours, die in ihrer normalen Lebenswelt schon ein Vulgärlatein sprachen, das sich mit rasender Geschwindigkeit immer weiter von klassischen Latein entfernte nun versuchten in hohem Latein Begriffe zu erklären für die sie nur schwer entsprechende lateinische Begriffe finden konnten. Sie verwendeten daher die fränkischen Begriffe und ersetzten sie aber mitunter durch lateinische Begriffe die aber nicht zwingend die selbe Bedeutung hatten.
(( B.S. Bachrach Early Carolingian Warfare S51 ↩
Leider übersieht dies D. Nagel in seiner Diplomarbeit Die Entwicklung des fränkischen Heerwesens und die Expansionen des Frankenreichs unter Karl dem Großen ↩
M. Becher, Chlodwig I S153 ↩
J.Drauschke Diplomatie und Wahrnehmung im 6. und 7. Jahrhundert: Konstantinopel und die merowingischen Könige S247 ↩
vlg. J.Drauschke Diplomatie und Wahrnehmung im 6. und 7. Jahrhundert: Konstantinopel und die merowingischen Könige S256 ↩
B.S: Bachrach, Military Organization in Aquitaine S4 ↩
B.S. Bachrach Early Carolingian Warfare S52ff ↩
vgl. W. Goffart , Defensio Patriae as a carolingian military obligation ↩
H.Steuer Helm und Ringschwert – Prunkwaffen und Rangabzeichen germanischer Krieger S223 ↩
H.Steuer Helm und Ringschwert – Prunkwaffen und Rangabzeichen germanischer Krieger S225, und z.B. J.M. Wallace-Hadrill The long Haired Kings S32, dieser sieht den trustis als fränkische Übersetzung des comitatus des Tacitus ↩
G.Halsall, Warfare and Society in the Barbarian West, 450-900 S48 ↩
B.S. Bachrach, Merovingian Military Organisation S 124 ↩
L.Sarti, Charakteristik und gesellschaftliche Bedeutung von Waffenträgern im merowingischen Gallien des 6. Jahrhunderts S20 ↩
T.Reuter, Plunder and Tribute in the Carolingian Empire S82 ↩
hier nur verkürzt… G.Halsall Warfare and Society in the Barbarian West, 450-900 S48 sieht darin Beispielsweise altgediente trustis ↩
es werden exakt 18305 Dateien angezeigt aber da sind ein paar Dubletten *hüstel* ↩
Sorry, hat etwas gedauert... Ist aus einem Plan der sich bei Rudolf Kautsch, Der Dom zu Worms (1938), aber auch…
Hi, zur Baugeschichte des Doms: "Das Langhaus besitzt die Abmessungen des heutigen Domes und endet an einem Spannfundament am zweiten…
Man könnte hier auch noch den Bericht der Annales Nazariani zum Tassilo-Prozess in Ingelheim 788 anführen: "Und als das so…
Hat mir sehr gefallen und ich habe mich immer auf den nächsten Teil gefreut. Der Text schuf wirklich eine intensive…
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl