St. Georg Reichenau
Die wohl bekannteste Kirche der Insel Reichenau ist die St. Georgskirche.
Der St. Gallener Mönch Notker berichtet uns das Abt Hatto III. von der Reichenau, auch Bischof von Mainz, St. Georgs Reliquien aus Rom mitbrachte und dafür ein neues Kloster Schuf. Zwar ist die genaue Jahreszahl nicht überliefert, es gilt jedoch sicher das dies im Zusammenhang mit Arnulfs Kaiserkrönung 896 zu sehen ist.1
Eine weitere Auskunft zur Datierung der St. Georgs Kirche trägt eine Notiz des Zürcher Martyriologium bei, in dem die Weihe als „Hathozelle“ für einen 18. November , der Octtavia Martini, verzeichnet. Der Name Hathozelle und das Datum mit Bezug zum Heiligen Martin führen wiederum nach Mainz und zu Bischof Hatto.
Was die Kirche aber so interessant macht sind ihre Malereien. Zwischen 1879 und 1881 wurden die Wandmalereien freigelegt und zugleich begann die Frage der Datierung. Man brachte die Darstellungen mit dem Evangeliar Ottos III. in Verbindung und somit ins Ende des 10. Jahrhunderts. Jedoch regten sich auch Stimmen die die Malereien ins späte 9. Jahrhundert datierten ohne dies aber weiter zu begründen. Erst 1979 kam es dann zu neuen Datierungsversuchen durch Koichi Koshi. Koshi daierte die Malereien in die Zeit um 888, dem Amtsantritt Hatto III. in Mainz, und begründete dies unter Anderem mit der Idee das die Malereien vor dem Erhalt der Georgsreliqiuen ausgeführt wurden, denn sie enthalten keinerlei Bezug auf den heiligen Georg. Doch hier wird entgegen gehalten, dass dies nicht zwingen notwendig sei, zumal erste Bilderzeugnisse der Georgslegende aus dem byzantinischen 11. Jahrhundert stammen. Und so dauert die Diskussion um die Datierung noch immer an und Dörthe Jakobs geht in Die Wandmalereien von St. Georg in Reichenau-Oberzell von einer Datierung von 925 bis 945 aus. Ich für meinen bescheidenen Teil kann lediglich auf die wenigen Personen in den Malereien hinweisen die keine Kleidung aus antiken Vorbildern tragen, sondern die zeitgenössische gekleidet sind. Es sind einige Herren in der Erweckungsszene des Jünglings von Nain und der Heilung des Blingeborenen. Diese Ähneln den schon bekannten Kleidungsstilen die wir aus der gesamten Karolingerzeit kennen: Knielange Tunika mit engen Ärmeln, Besatz im Halsbereich und ein zentraler Streifen über die Brust hinunter zum Saum, ähnlich den bekannten Abbildungen aus dem Stuttgarter Psalter. Eine fast identische Abbildung findet sich in der Sylvesterkapelle in Goldbach, die auch auf die Hand Reichenauer Maler zurückgeht.
Die Untersuchung der Malereien enthüllte auch in Teilen die Bautechnik. Nachdem das Langhaus aufgemnauert war begann man von oben herab mit dem Verputzen mit Kalkmörtel. Dabei wurde das Gerüst abgesägt und die Gerüstlöcher übeputzt. Es findet sich alle 150 bis 165cm eine Putznaht, die in etwa der Gerüsthöhe entsprechen sollte. Erst als der Verputz abgetrocknet war wurde die Bemalung aufgetragen. Eine sogenannte Secco Technik. Doch die Bemalung scheint nicht einheitlich erfolgt zu sein, bzw. sie wurde nach ihrem Entstehen noch verändert. So wurden die Schriftbänder unter den Wunderbildern verändert. Die ältere Form ist an einem „A“ zu erkennen, deren „-“ durch ein „v“ ersetzt ist. Es verläuft also kein gerader Stich durch das A sondern ein v. In der späteren Version ist ein einfaches A zu sehen. Diese und ähnliche Beobachtungen führen zu unterschiedlichen Datierungen.
Interessant ist auch die Thematik der 8 Bilder. Von Norden verlaufen die Bilder von West nach Ost in folgender Reihenfolge: Die Heilung des Besessenen von Gerasa, Die Heilung eines Wassersüchtigen, Die Beruhigung des Sturms auf dem See Genezareth, Die Heilung des Blindgeborenen. Im Süden, von West nach Ost: Auferweckung des Lazarus, Auferweckung der Tochter des Jairus, Erweckung eines jungen Mannes in Nain, Die Heilung eines Aussätzigen.
Die Bilder von Wundererzählungen sind thematisch geordnet. Auf der Südseite dominiert die Auferstehung von Toten. Kein Wunder, denn auf der Aussenseite der Südmauer lag der Friedhof! Und auf der Südseite? Dort dominiert, nicht ganz offensichtich, bis auf den See Genezareth, das Wasser (Jesus heilte den Blingeborenen mit Spucke=Wasser). Und auf der Nordseite liegt der Bodensee!
Die Kirche enthält auch Malereien aus späteren Jahrhunderten, so etwa den Mittelhochdeutschen Spruch über die geschwätzigen Weiber, deren Geschwätz auf keine Kuhhaut passt (Im Bild unten rechts zu erkennen). Wohl eine Ermahnung für den predigten Priester nicht allzu sehr auszuschweifen.
Die Baugestallt der Kirche hat sich jedoch seit der Zeit ihrer Erbauung stark verändert. Die Ursprüngliche Kirche besaß ürsprünglich einen Triconchos, also statt eines Querhauss zwei Apsiden nach Nord und Süd, sowie eine Apsis nach Osten. Teile der Nord und Süd Apsiden sind noch im inneren erkennbar, die Hauptapsis wurde jedoch zugunsten eines Rechteckchores niedergelegt, wobei auch die Nord- und Südapsiden umgebaut wurden. Von außen ist von diesen nichts mehr zu erkennen da hier das Dach der Seitenschiffe weiter geführt wurde. Um 1000 wurde im Westen eine halbrunde Apsis angefügt, wohl zum öffentlichen Zeigen der Georgsreliquien. Im 11. Jahrhundert wurde eine niedrige Vorhallle an die Westapsis angefügt über der dann später eine Kapelle eingerichtet wurde.
Noch vor einigen Jahren konnte die Kirche einfach besucht werden, doch die hohe Anzahl von Besuchern erzeugte ein Mikroklima das sich schädlich auf die Malereien auswirkte. Um diesem entgegenzuwirken wurde die Vorhalle zur Klimaschleuse umfunktioniert. Nur noch 2 mal am Tag (12:30 und 16:00Uhr) werden Besucher in die Vorhalle eingelassen. Die Türen schließen sich und erst dann wird die Tür in die Kirche geöffnet.
Mein Besuch in der Kirche galt natürlich hauptsächlich den Fresken. Ich wollte diese auch noch mal mit meinem Model der Laurentiuskirche abgleichen, da ich hier ja einige Inspirationen zog, auch wenn ich die Malerei stark runtergeschraubt habe. (Wir sind ja schließlich nicht die Reichenau!) Im übrigen fließe ich im Moment das 3D-Model, was eine riesen Fummelei bei den Texturen darstellt.
Dörthe Jakobs Die Wandmalereien von St. Georg in Reichenau-Oberzell in Wandmalereien des frühen Mittelalters S.163 ↩
Hat mir sehr gefallen und ich habe mich immer auf den nächsten Teil gefreut. Der Text schuf wirklich eine intensive…
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…
Ab heute mit Jahresangaben nach Holozän-Kalender? Ich finde das gut; überlege ebenfalls, den öfter zu verwenden. (Es wird das Jahr…