En seltsames Gefühl wenn man darüber nachdenkt
Ich bin ja öfters in Museen, inzwischen mehr hinter den Kulissen, also in Magazinen, als vor Vitrinen stehend. Ich habe im vergangenen Jahr Breitsaxe und Spatha mit einem Alter von 1300 Jahren in der Hand gehabt. Ich habe Fibeln zwischenden Fingern hin und her gleiten lassen um sie von allen Seiten zu betrachten, hab Gefäße und Töpfe in der Hand gehabt. Habe Lanzenspitzen in die Tüllen geschaut und war erstaunt wie klein deren Tüllendurchmesser ist.
Jetzt hab ich mal so darüber nachgedacht und es ist schon ein bisschen komisch, die Waffen die ich in der Hand hielt wurden einst zum Töten gefertigt, möglicherweise haben sie auch getötet. Menschen starben durch sie und heute nimmt man sie in die Hand oder schaut sie an und denkt so direkt garnicht daran. Man kennt sowas ja als Replik oder Schaukampfversion die man zuhause hat und weiß das die eigentlich nicht dazu gedacht sind zu töten. Aber an diesen Stücken klebt Blut! Menschen gingen daran zugrunde, Familien wurden zerissen.
Oder die Fibeln, was würden sie erzählen? Sie waren vielleicht im Besitzt eines Meiers, eines Verwalters im Fiskus der Pfalz, beim Ausritt löste sich die dünne Nadelrast weil sich der Rechteckmantel in einer Hecke verfing und die Bänder mit denen er geschlossen war zu starken Zug darauf ausübten. Sie war dem Besitzer sicher wertvoll, vielleicht hat er noch danach gesucht. Oder aber sie war schon aus der Mode, der Schmelz herausgebrochen und der Besitzer warf sie achtlos fort…
Die Krüge, waren sie Müll, oder war eine Frau auf dem Weg zum Feld um ihrem Mann Bier und Brot zu bringen? Stürzte sie dabei und der Krug ging zu Bruch? Bekam sie ärger?
Wieviele Geschichten, Erlebnisse hinter diesen Stücken stecken mögen? Welche Schicksale, Freude und Trauer mit ihnen wohl verbunden waren? Wir werden es nie wissen.
Es gab vor Jahren mal eine kurze Notiz in der Zeitung, laut der man eine Werkstatt in der Nähe der Athener Akropolis ausgegraben habe, in der offenbar einige der Kunstwerke des Parthenon-Tempels angefertigt wurde. Darin seien unter anderem die Scherben von Trinkschalen gefunden worden, auf deren die Arbeiter ihre Namen geschrieben hatten. Und eine Schale trug tatsächlich den Namen „Pheidias“. – Klingt wahrscheinlich blöd, aber als ich das gelesen habe, hätte ich heulen können. Das ist, als würde dir ein Mensch zuzwinkern, durch zwei Jahrtausende hinweg.
Ja, aber genau ist das! Ich bin ja auch so ein Weichei 😉 Wenn du, wie bei Phidias noch biographische Informationen hast (egal ob das jetzt dieser Phidias war oder ein anderer) und dann ist das als würde das Stück zu Dir sprechen.
Bei dem Kram den ich in der Hand hatte wars leider (oder zum Glück?) nur ein Flüstern.
Dazu fallen mir nur Zeitreisen ein – mein wohl immer unerfüllter, kindischer Traum.
Als „billiger“ Ersatz dafür, muss Reenactment herhalten 🙂
Zumindest der Gedanken bei zerbrochener Keramik kam mir auch schon öfter. Wenn man sich überlegt, dass man sich schon ärgert, wenn einem die billige Tasse aus dem Möbelhaus kaputt geht und dann weiterdenkt, dass man in der Vergangenheit selbst richtig Arbeit für die Herstellung von Gefäßen leisten musste, dann frage ich mich, wieviele böse Worte im Laufe der Geschichte wohl gefallen sind, nur weil Keramik zersprungen ist.
Und wie immer freut sich der Archäologe, weil ihm ein Unglück in der Vergangenheit etwas über genau diese erzählt.
Gruß
Marco