Karlmanns Sohn Pippin und das langobardische Schicksal
Vergangene Woche, als ich mich mit der Verschwörung Pippins befasste, erwähnte ich auch Karlmanns Sohn gleichen Namens und dessen Mutter Gerberga bzw. Gerperga.
Von dieser Gerberga ist allerdings reichlich wenig bekannt. So wenig, dass wir nicht wissen woher sie stammte oder wann die Heirat mit Karlmann stattfand.
Wahrscheinlich ist , dass sie Fränkin war, denn Papst Stephan III. , der sich gegen die Heirat Karls mit einer Tochter des Desiderius wandte, notierte das der Vater der von Karl und Karlmann, Pippin, dafür gesorgte hatte das beide mit “schönen fränkischen Frauen” verheiratet gewesen seien.
Sie hatte zwei Kinder mit Karlmann. Da war natürlich der Sohn Pippin, der Erstgeborene, benannt nach dem Vater und genauso benannt wie der erste Sohn Karls des Großen, womit beide ihren Herrschaftsanspruch verdeutlichen wollten. Daneben hatte sie einen weiteren Sohn mit Karlmann. Möglicherweise gab es noch ein drittes Kind , das vor der Eheschließung geboren wurde. Da dieses Kind nicht weiter erwähnt wird und sicher nicht den Thronnamen Pippin trug, ist davon auszugehen, dass es sich um Mädchen handelte.
Am 4. Dezember 771 starb Karlmann unerwartet in Samoussy. Zu diesem Zeitpunkt standen Karlmann und Karl kurz vor einem Bruderkrieg. Einhard schiebt Karlmann, bzw. dessen Leuten die Schuld zu, die angeblich Intrigen gegen Karl und Karlmann gesponnen haben sollen und so beide angestachelt hätten.
Tatsächlich sind es aber nicht nur von Beratern gesponnene Intrigen die das Verhältnis trüben, sondern es ist ein verzwicktes Verwirrspiel, wer zu wem und zu welchen Zeitpunkt Sympathien hat und wer versucht Vorteile zu erlangen
Papst Stephan III. hatte sich von den Franken entfremdet, nachdem Karl die Tochter des Desiderius geheiratet hatte. Er selbst hatte darauf gehofft, dass die Franken ihn gegen die Langobarden unterstützen und war daher an einer Versöhnung von Karl und Karlmann interessiert und eine Verbindung Karls mit den Langobarden, war daher nicht in seinem Sinn.
In der neuen Situation aber biedert er sich stattdessen direkt dem Langobarden Desiderius an. Die frankenfreundliche Partei in Rom, wohl hauptsächlich Anhänger Karlmanns, die zuvor Stephan auf den Papstthron verholfen hatte, waren nun Freiwild. So wurde der Führer der Frankunterstützer Christophorus und sein Sohn Sergius geblendet, da sie bewaffneten Widerstand leisten. Christophorus starb an den Folgen.
Karlmanns “Botschafter” Dodo setzt sich jedoch für die beiden ein. Das wiederum erregt das Missfallen des Papstes, der nun von Desiderius einen Brief diktiert bekommt.
In dem Schreiben an Karl und dessen Mutter Bertrada darüber beschwert er sich, dass sich Karlmann für Christopherus und Sergius einsetze. Desiderius wiederum behauptet nun gegenüber Stephan, dass Karlmann mit seinem Heer bereit wäre, nach Rom zu ziehen, um sich zu rächen und den Papst gefangen zu setzen, wenn Desiderius ihm nicht helfe. Desiderius versucht sich also für den Papst unentbehrlich zu machen.
Das Pokerspiel des Papstes und Desiderius gehen jedoch nicht auf, denn Karl hat nun kein Interesse mehr an guten Beziehungen mit Desiderius und verstößt wahrscheinlich schon 770, spätestens 771 dessen Tochter. Eben jene, die aus Ermangelung eines überlieferten Namens Desiderata genannt wird. Dieser Name ist lediglich die weibliche Form von Desiderius.
Der Papst hat nun die Langobarden an der Backe und wird sie nicht mehr los. Karlmann hat er sich zum Feind gemacht und Karl ist es geradezu egal, was Stephan anstellt, Hauptsache es nützt eben nicht den Langobarden.
Wie bereits gesagt stirbt am 4. Dezember 771 Karlmann. Papst Stephan ist zu diesem Zeitpunkt schwer krank und es zeichnet sich ab, dass auch er sterben wird. Karl hat inzwischen Hildegard geheiratet. Seine Beziehung zu Desiderius steht irgendwo zwischen “herzlich egal” und “geh mir nicht auf den Nerv”. Nach dem 4. Dezember 771 ergeben sich aber neue Möglichkeiten.
Karl nimmt im heutigen französischen Corbeny das Reich Karlmanns in Besitz. Er übergeht damit Karlmanns Sohn Pippin! Gerberga nimmt ihre beiden Söhne und flieht mit einigen wenigen Getreuen, darunter Autchar/ Otgar. Er wird in der Sagenwelt als Ogier der Däne / Holger Danske verklärt werden. Autchar hatte schon Pippin III. gedient. Die Königen, ihre Söhne und das Gefolge fliehen aus dem Frankenreich zu Desiderius!
Einhard kann dies nicht nachvollziehen, denn er schreibt, sie wäre vollkommen grundlos geflohen. Impliziert also, dass ihnen von Karl keine Gefahr gedroht habe.
Aber Karl zieht (noch) nicht gegen Desiderius und Gerberga. Und das obwohl Karlmanns Sohn Pippin eigentlich dessen Reich zusteht. Er reist zunächst zurück nach Herstal, einer seiner Lieblingsresidenzen um dann nach Süden zu reisen, wobei er durch das ehemalige Gebiet Karlmanns reist ( Reiseweg: Herstal – Thionville – Crépion – Brumath – Worms ) um dann in Worms einen Reichstag abzuhalten und den Sachsenkrieg zu beginnen.
Ich fragte mich immer, warum Karl seine Truppen in Worms zusammenzieht, um dann nach Norden zu ziehen. Von Herstal wäre es genauso weit, von Köln um einiges näher. Über die Jahre hat sich hier bei mir der Gedanke entwickelt, dass Karl vielleicht ursprünglich geplant hatte, gegen Karlmann vorzugehen. Worms wäre ein idealer Startpunkt gewesen, um in die Allamania zu ziehen. Er könnte bereits vor dem Tod Karlmanns die Truppen nach Worms einberufen haben. Der Tod Karlmanns machte einen Angriff unnötig, aber die Mobilmachung war nicht mehr abwendbar. Also hatte man im Frühjahr/ Frühsommer in Worms plötzlich eine Horde Kämpfer sitzen, die mit den Hufen scharren und sich ihr Sporen verdienen wollen. Das Letzte, was du denen sagen willst, ist: “Sorry, Fehlalarm! Ihr könnt wieder nach Hause”
Wahrscheinlich hatten die Truppen nicht ausgereicht, um gegen die Langobarden zu ziehen und zu dem war nicht geplant das sie länger von zu Hause weg gewesen wären, aber Sachsen könnte doch funktionieren…
Während also Karl erst einmal gegen die Sachsen zieht, ist im Februar in Rom mit Hadrian ein neuer Papst gewählt worden. Desiderius versucht, ihn für seine Pläne zu gewinnen. Er soll Karlmanns Söhne zu Königen salben. Papst Hadrian lehnt ab, was zu militärischen Drohgebärden des Desiderius führt.
Papst Hadrian schickt den Gesandten Petrus zu Karl, doch Desiderius blockiert den Landweg. Mit dem Schiff muss Petrus zunächst nach Marseille reisen, um sich im Anschluss mit Karl in Thionville zu treffen. Hadrian lässt Karl daran erinnern, dass er ja der Beschützer Roms und des Papstes ist. Sehr wahrscheinlich informiert er Karl auch über die Pläne, die Gerberga und Desiderius mit Karlmanns Söhnen haben.
Da sich die Sachsen 772 unterwarfen und Geiseln stellten und somit wohl für Karl zunächst der Eindruck entstand, dass der Sachsenkrieg erfolgreich beendet sei. Der sächsische Widerstand benötigte wohl noch seine Zeit bis er sich unter Widukind formierte und schlagkräftig war.
Karl zieht nun ein weiteres Heer zusammen. Dieses Mal ist es Genf, in dessen Nähe Karl das Heer im Sommer 773 sammelt und im Anschluss die Alpen überquert. Dabei agiert er strategisch. Er teilt wohlweislich das Heer in zwei Kontingente auf. Denn das was passieren würde, war auch Karls Vater Pippin 756 beim Zug gegen den Langobarden Aistulf geschehen
Karls Onkel Bernhard, ein unehelicher Sohn Karl Martells und Graf und Laienabt von St. Quentin, führt dabei einen Heeresteil. Bernhard kannte Desiderius, denn er hatte für seinen Halbbruder Pippin III. schon mit ihm verhandelt.
Bernhard nimmt die östliche Route über Martigny, den Pass auf dem Großen St. Bernhard ins Aostatal. Karl führt seinen Teil im Westen durch die Täler von Chambery, Modane und Mont Cenis. Die Aufteilung der Heere könnte verschiedene Gründe gehabt haben. Zum einen könnten, trotz des Sommers, unklare Wetterverhältnisse dazu geführt haben auf Nummer sicher zu gehen und die Heere zum einen über den St. Bernhard und den anderen Teil durch die Täler zu führen um zu verhindern das bei einem Wetterumschwung das gesamte Heer von Verlusten betroffen wäre, zum Anderen ist es strategische sinnvoller von zwei Positionen aus in das Gebiet der Langobarden einzudringen und im Falle eines Hinterhaltes, etwa im Aostatal mit dem zweiten Heeresteil dem Angreifer in den Rücken zu fallen. Ein solcher Hinterhalt war auch Pippin III. 756 in die Quere gekommen.
Etwas seltsam erscheint dabei die Überlieferung, die beiden Heere hätten sich bei Susa wieder vereinigt. Für Bernhards Heer hätte dies bedeutet , dass sie, nach dem sie das Aostatal verlassen hätten , an Turin vorbei nach Süden-Westen hätten ziehen müssen, um dann wieder ins Tal von Susa einzubiegen. Eine Reise von etwa 100km.
Karls Truppen soll der Ausgang aus dem Tal von Susa bei Chiusa di San Michele ( die Klausen von Sankt Michael) von Desiderius verwehrt worden sein. Eben genauso wie es Pippin III. geschah.
In diesem Zusammenhang ist eine später entstandene Sage aus dem Kloster Novalesa interessant, die es auch zu Grimms Sagen (Nr. 441 Der lombardische Spielmann ) geschafft hat. Demnach bei den Truppen bei Susa ein langobardischer Spielmann erschienen der Karl Anbot seine Truppen über einen unbekannten Pass um Desiderius Heer herum zuführen. Die ganze Sage erinnert schwer an die Spartaner auf den Thermopylen und dem Verräter Epihialtes von Trachis, der die Perser, in diesem Fall verkörpert von den Franken, um die Spartanischen Truppen, verkörpert von den Langobarden, leitet. .
Wahrscheinlich aber war es Bernhards Kontingent, das Desiderius in den Rücken fiel und das weitere Vorrücken der Franken ermöglichte.
Während Karl nun im großen Finale bis zum Juni 774 Desiderius in Pavia belagert, fliehen Gerberga mit ihren Söhnen und Autchar, sowie Adalgis, dem Sohn des Desiderius, nach Verona, das als best befestigte Stadt der Lombardei gilt. Ein Teilheer Karls belagert nun auch Verona.
Während die Belagerung Pavias noch andauert, ergibt sich Verona und liefert Gerberga und ihre Söhne aus. Desiderius Sohn Adalgis flieht zuvor nach Konstantinopel.
Gerberga, Pippin und der weitere Bruder fallen in die Hände Karls und verschwinden aus der Geschichte. Wahrscheinlich ereilte sie ähnliches Schicksal wie Desiderius. Dieser wurde ins Kloster nach Corbie abgeschoben.
Karl ernennt sich selbst zum König der Langobarden. Mit dem neuen Papst ist er freundschaftlich verbunden, schon während der Belagerung Pavias hatte er in Rom das Bündnis zwischen papst und Franken erneuert und dieser wird ab 781 seine Urkundendatierungen nicht mehr auf die Regierungsjahre der byzantinischen Kaiser beziehen, sondern auf die Karls.
Die Eroberung des Langobardengebietes bringt aber Karl noch weitere Vorteile, als nur die Beseitigung des Desiderius, den er als Verschwörer betrachtet haben dürfte, und eines Thronprätendenten. Es eröffnete ihm über die Häfen von Venedig und Ravenna/Classis den wichtigen Seeweg in die Adria und damit den Handelsweg nach Byzanz. Zudem bietet sich über Friaul die Expansion in Richtung Dalmatien an und damit der Landweg nach Byzanz, noch jedoch gestört von den Awaren, die jedoch bereits im Niedergang begriffen sind.
Aber mit der Beseitigung der Erben Karlmanns und der Eroberung des Langobardenreiches hat er sich, bewusst oder unbewusst, ein neues Konfliktfeld geschaffen. Desiderius und die Langobarden waren die wichtigsten Verbündeten Baierns in Sachen Handel und Militär. Wie ehemals Karl, war der bairische Herzog Tassilo III. mit einer Tochter des Desiderius, Luitberga, verheiratet. Mit dem Wegfall der Langobarden als Bündnispartner ist Tassilo III. gezwungen, wenn er denn seine Unabhängigkeit bewahren will, sich neue Bündnispartner zu suchen. Etwas , das ihm später den nicht durch Quellen belegten Verdacht einbrachte, mit den Awaren zu paktieren. Etwas das militärisch zumindest durchaus denkbar wäre.


Oh ja gerne!
Hallo, Bei Recherchen zur Tunika Heinrich des Zänkers bin ich auf eine ähnlich Lösung gekommen, ich habe mir das Stifterbild…
Hab jetzt gerade Terra X schauen wollen. Seit neusten mit KI generierten Stimmen. Diese Entwicklung gefällt mir nicht. Ich muss…
Gut gelungen. Dieses Miniriemchen im Riemendurchzug der Scheide hält das Ganze.
Freunde von mir waren schon da. Ich weiß nur nicht ob ich selbst schaffen werde :-(