Ich, meine spätmerowingische Spatha und was das mit den Karolingern zu tun hat
Ich habe aus einer fertigen Klinge eine spätmerowingische Spatha gebaut.
Tatsächlich hatte ich schon lange vor, das merowingische Schwertgehänge, wie es Lars Lüppes (Hakun Risti) verschlägt, nachzubauen. Der Grund dafür ist dass ich mir verspreche das System zu “verstehen”. Verstehen ist hier im Sinne von “zu erfahren” gemeint. Wie es aufgebaut ist weiß ich und habe es verinnerlicht. Ich will es aber nachempfinden, ein Gefühl dafür bekommen, da ich eine Verwandtschaft mit dem karolingischen Wehrgeänge sehe.
Doch warum sollte ich mir eine merowingische Schwertscheide, oder ein Wehrgehänge bauen, wenn ich denn kein passendes Schwert habe? Das ganze für ein karolingische Schwert bauen wäre doof. Ich wollte aber nur für den Scheidenbau kein Geld für ein Schwert ausgeben.
Im Frühjahr dachte ich, das ich doch sicherlich so was billiges von der Stange bekomme. Soll ja nur halbwegs aussehen. Ich musste feststellen das es keine Schwerter des 7. Jahrhunderts von der Stange gibt, die diese Bezeichnung auch verdient hätten. Als ich in der letzten Juni Woche in Brandenburg war, hatte ich Menghins “Das Schwert im frühen Mittelalter” im Gepäck. Und wie ich da so las , dachte ich, das ich den Aufbau doch auch hinbekommen könnte und orderte auf die Schnelle eine einigermaßen passende Klinge von Hanwei, die aber scharf war, denn das Schaukampfmodell besaß ein angeschweißtes Gewinde am Erl. Das wollte ich nicht!
Als ich wieder zuhause war, war die Klinge auch schon eingetroffen und ich konnte mich ans Werk machen. Zu meiner absoluten Überraschung habe ich alles hinbekommen und dann noch eine Scheide und Pyramidenknöpfe aus Elfenbeinersatz. Letztendlich waren nur das Leder (Ledergroßhandel Dieckmann) und die verwendeten Nieten und das Bronzeblech für die Randbeschläge (beides Replik.de) zugekauft.
Aber…
Immer wenn ich etwas bastele, dann auch aus dem Grund des Erkenntnisgewinns, Und so langsam stellt sich dieser ein!
Etwa bei den Randbeschlägen/ Randleisten. So zeigt Menghins “Rekonstruktion der Aufhängung mit paarigen Scheidenrandbeschlägen” 1 die Randleisten als mehr oder weniger Teil der eigentlichen Aufhängung des Schwertgurtes, auch wenn Menghin schreibt: “Sie haben offensichtlich keine haltende, sondern nur schützende Funktion”2 und fährt wenig aber dann einize Zeilen später später fort mit “Aufgrund ihrer Anbringung und Funktion könnten die Scheidenrandbeschläge Bestandteil einer Aufhängevorrichtung sein (…)”
Auch ich dachte irgendwie in diese Richtung. Die Randbeschläge sollten verhindern, dass sich der Riemen in das dünne Holz frisst oder reibt, so mein Gedanke.
Sowohl Menghins als auch mein Gedanke richteten sich auf eine Wirkung von Außen auf die Scheide, haltend (oder nicht) und schützend.
Doch der Zufall kam mir bei den Randleisten zur Hilfe. Als ich die Scheidenhälften verklebt hatte und erstmals die Spatha in die Scheibe schob und wieder zog, passierte mir ein Fehler. Anstelle die Klinge gerade zu ziehen neigte ich sie zu früh und schnitt somit im Bereich des Scheidenmunds durch die Verklebung. Wäre bereits Leder aufgezogen worden hätte ich es vielleicht nicht beim ersten mal durchtrennt, jedoch sicher beim zweiten oder dritten mal. Die Scheide wäre nicht mehr stabil und Klinge könnte herausrutschen oder irgendwann auseinanderfallen. Die Randleisten im Scheidenmundbereich verhindern dieses endgültige durchschneiden. Bei einfacheren Varianten wurden textile Wicklungen beobachtet, die wahrscheinlich gewecheslt wurden, wenn sie beschädigt waren.
Die Randleisten im Bereich des Riemendurchzugs haben sogar noch ein wichtigere Funktion. Hier ist das Riemchen um die Scheide gewickelt, das Gurt und Scheide miteinander verbindet. Würde dieses Riemchen durchschnitten, kippt die Scheide nach vorne. Man stelle sich vor: man steht im Kampf und geht in den Nahkampf über, zieht das Schwert und schnapp! Man hat das Schwert in der Hand und die Scheide schleift nun kopfüber am Boden, hängt neben dem Bein und wird zur Stolperfalle. Etwas das es unter allen Umständen zu vermeiden gilt! Hier liegt wohl der wahre Sinn der Randleisten!
Auch mit der Aufhängung bin ich weiter gekommen. Ich weiß nicht wie ich gedacht habe, aber irgendwie wars komplizierter in meinem Hirn gewesen. Die Pyramidenknöpfe fungrieren als Durchzug, soweit klar, vergleichbar vielleicht mit einem Gürtelschieber, oder einer Schiebeschnalle. Wahrscheinlich aber könnte ich sie auch weglassen und das haltende Riemchen einfach nur durch das Leder führen. Auf diese Schlitzung nur noch den karolingischen Beschlag aufsetzten und fertig ist die Laube!



Gut gelungen. Dieses Miniriemchen im Riemendurchzug der Scheide hält das Ganze.