Kloster Lorsch – Eine Latrinenanlage auch für Pfalzen?
Das es keinen allgemeingültigen Plan für Pfalzen gibt ist bekannt. Für Klöster gibt es ebenfalls keinen allgemeingültigen Plan, wenn es auch den Idealplan eines Klosters in Form des St. Gallener Klosterplans gibt. Zudem gibt es für den Klosterbau, bedingt durch die Regeln des klösterlichen Lebens einige Vorgaben, die es einzuhalten galt.
Das Klerus und Königtum dennoch eine gewisse Einheit bildeten und sich gegenseitig Befruchteten ist sicher. Errungenschaften, die im Bau von Klöstern verwand wurden, können in dieser Form auch in Pfalzen auftreten. Dies gilt auch für Latrinenanlagen.
Latrinenanlagen bei Klöstern waren, soweit es die Geländebeschaffenheit erlaubte, an den Rand der Anlage verlegt um die Fäkalien nicht im Kloster zu sammeln, wobei es von Vorteil war wenn sich hier ein Fließgewässer befand, das als Vorfluter genutzt werden konnte.Wenn die Möglichkeit gegeben war , konnte sie sich aber auch im Inneren befinden , wie zum Beispiel im Zisterzienser Kloster Eberbach (ab1136) ein Bach, der direkt durch das Klostergelände floss, und als Abfluss der Latrinenanlage genutzt wurde.
In der Pfalz Ingelheim kann man den Türmen am äusseren Bereich der Anlage eine solche Funktion zuschreiben. Unter ihnen verlief ein gemauerter Kanal mit Fließwasser, der durchaus zum Abtransport der Fäkalien geeignet gewesen wäre, wenn man hier auch dessen Funktion nicht mit letzter Sicherheit bestimmen kann.
Latrinen in Pfalzen
In anderen Pfalzen ist meines Wissen noch keine Anlage entdeckt worden, die als Latrine identifiziert wurde, im Gegensatz zu einer Vielzahl von „profanen“ Abfallgruben. Ein Grund hier für könnte die Randlage solcher Anlagen sein. Meist wurden die zentralen Gebäude von Pfalzen ergraben, bzw. untersucht. Zu allem Überfluss könnten Gebäude in Randlage auch durch Erosion abgetragen worden sein, wie dies zum Beispiel bei Gebäuden im Hauptburgbereich der Pfalz Tilleda geschehen ist.
Das eigenartige Osttor des Klosters Lorsch
Eine Latrine könnte jedoch Hinweise auf eine solche Anlage geben. Für das Kloster Lorsch wurde im Codex Laureshamensis (Chronicon, Vermerk 70) der Abt Gerbrod (951-952) dafür gerühmt, dass er dormitorium renovavit, aedificium necessariorum prominens aptavit , also die Schlafräume renovierte und in diesem Zusammenhang eine Bedürfnisanstalt errichtete.
Bei einer kleineren Nachgrabung im Kloster Lorsch durch Dr. Friedrich Behn, konnte eine rechteckiges Gebäude gefunden werden, dass in Zusammenhang mit der Ostmauer des Kloster stand.
Etwas zurückgesetzt von der Klostermauer, aber über Wangenmauern mit dieser verbunden, fand sich hier ein hallenartiges Gebäude in der Form eines unregelmäßigen Rechtecks mit 15.60m bzw 15,10m Länge und 6m bzw. 8,90m Breite. Der Unterbau der Halle war mit Rundbögen von etwa 2,2m lichter Weite und einer , auf Grund eines noch vorhandenen Bogenansatzes, rekonstruierte Höhe von ebenfalls 2,2m ausgestattet. An der Südwestlichen Schmalseite befand sich eine halbrunder Treppenturm mit einem Durchmesser von 1,8m.
Auf Grund von Steinen, die bei den dortigen Grabungen gefunden wurden und die in Beschaffenheit und Farbigkeit Parallelen zu Torhalle aufzeigten, ging man zunächst davon aus, bei dem Hallenbau handele es sich um eine weiteres Prunktor der Klosteranlage, das sich nach Osten öffnete. Um den Höhenunterschied zum außenliegenden Gelände zu überbrücken entschied man sich in der Idealkonstruktion von einer neunstufigen Treppenanlage zum Tor auszugehen. Ein kleiner Graben der innerhalb des Gebäudes verlief deutete man, trotz seiner geringen Tiefe, als „Wolfsgrube“, also als Verteidigungsanlage.
Ebenfalls eine Bestätigung in der Tor-Theorie glaubte man im Treppenrum zu finden, denn zu dieser Zeit ging man davon aus, die Lorscher Torhalle habe im Urzustand nur einen Treppenturm besessen, zudem sah man zunächst in der Lorscher Torhalle (Königshalle) ein Eingangstor in das Klostergelände.
Erst in den 70er Jahren regte sich durch Karl Josef Minst Zweifel an der Tor-Theorie. Zum Einen wäre das Tor ein fünftes Tor in der Anlage, was der klösterlichen Praxis von vier Toren in vier Himmelsrichtungen widersprach. Die farbigen Steinreste die sich hier an diesem Hallenbau angesammelten hatten, konnten auch durchaus von der eclessia varia, der karolingischen Gruftkirche Ludwigs des Deutschen stammen, die wie das gesamte Kloster 1621 niederbrannte. Regen konnte Trümmerteile hangabwärts geschwemmt haben , die dann an den Mauern des Gebäudes zum liegen kamen. Auch die Bögen, mit nur einer Höhe 2,2m, die ja nur im Scheitel des Bogens erreicht wurden, sprachen nicht unbedingt für ein Tor. Besucher hätten es nur zu Fuß und dann im Gänsemarsch durchqueren können. Zu allem Überfluss hätte auch das Tor auch noch in mehr oder weniger unwirtliches, sumpfiges Gebiet der Aldaha und der Weschnitz östlich des Klosters geführt. Nicht unbedingt der Ort an den man ein repräsentatives Tor baut.
Merian gibt Hinweise
In dieser Zeit erkannte man das die Darstellung Merians des Klosters Lorsch nicht aus der Zeit des Veröffentlichung der Topographia Germaniae stammte (1642), sondern schon rund 20 Jahre früher entstanden war und damit keine Fantasieansicht, sondern das tatsächliche Kloster Lorsch kurz vor seiner Zerstörung zeigte.
Es war daher nun möglich, bzw. erlaubt einen Vergleich von archäologischem Befund und Darstellung Merians anzustellen.
In Merians Darstellung sind klar an betreffender Stelle zwei Bögen eines zurückgesetzten Gebäudes zu erkennen, über denen sich kleine, geschlitzte Fenster befinden. Ein dritter Bogen und ein drittes Fenster sind hinter der Mauerkante zu vermuten und von dieser verdeckt. Die Bögen wirken klein und gedrungen. Das Gebäude selbst wirkt wenig repräsentativ, was auch noch durch ein nach Innen geneigtes Pultdach verstärkt wird. Es scheint keinerlei größere Verzierungen an der Außenseite angebracht zu sein.
Der torartige Bau steht in baulichem Verband mit einem Verbindungsgang, der zum Dormitorium der Mönche führt.
Andere Vergleiche
Nach dieser Betrachtung schwindet der Gedanke an ein repräsentatives Osttor. Aus dem Schlafraum der Mönche ein Gang in das Obergeschoß eines verteidigungswürdigen Torbaus? Eher unwahrscheinlich.
Und doch finden sich ganz ähnliche Konstruktionen. Zum einen auf dem St. Galler Klosterplan. Hier finden sich an einigen Gebäuden, unter Anderem auch am Dormitorium eine Latrinenanlage, die über eine Art Laufgang von diesem getrennt ist. Allerdings findet sich diese innerhalb des Geländes. Ein weiteres ähnliches Beispiel findet sich in den Danskern der deutschen Ordensburgen. Hier führt ein gedeckter Bogengang in eine Toilettenanlage, die sich in einem Turm über einem Fließgewässer befindet.
Bei dem geheimnisvollen Lorscher Osttorbau sollte es sich daher um eine Latrinenanlage handeln und zwar um die Latrinenanlage die Abt Gerbrod errichten lies. Die Erwähnung von Renovierung von Dormitorium und Errichtung der Latrinenanlage in einem Satz lässt ebenfalls auf einen baulichen Zusammenhang schließen. Der Ort und die Architektur waren gut gewählt.Lag doch im Osten die Aldaha, der Landgraben der heute unterirdisch verläuft. Die Mönche konnten von ihren Schlafräumen über einen Gang die Bedürnisanstalt erreichen. Die Fäkalien fiehlen hier aus dem Obergeschoss in den unteren Raum, der mit Bögen zum Sumpf hin geöffnet war, wohin die Fäkalien abfließen konnten. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde dann der Graben im unteren Teil gebaut, möglicher Weise um die Abflusswirkung noch zu verstärken.
Eine Anlage auch für Pfalzen?
Pfalzen nutzen meist den natürlichen Schutz den eine Hanglage, ein Wasserlauf oder beides bot. Diese Lagen sind ideale Positionen für größere Latrinenanlagen, wie sie auch in Pfalzen zu vermuten sind, wobei die den Siedlungen abgewandte Seite mit Fließgewässer bevorzugt gewesen sein könnte. Diese Stellen sind es aber auch, die durch Erosion am stärksten gefährdet sind und daher bei Grabung oftmals nur geringe, oder wenig aussagekräftige Funde zulassen. Fundmaterial und Gebäudereste können an Hängen abrutschen und sammeln sich als wenig aussagekräftiger Geröllhaufen darunter.(siehe Tilleda-Plan hier)
Eine exakte Quellenangabe werde ich nachliefern, denn ich recherchiere im Moment noch etwas und werde diesen Artikel noch erweitern
Eine Antwort
[…] habe mich einmal hingesetzt und versucht die Latrinenanlage des Klosters Lorsch, die ich ja letztlich beschrieben habe, zu visualisieren. Es ist eine Idealansicht geworden, bei der die Wangenmauern natürlich viel zu […]