Die karolingischen Handschriften – Teil I – Der Weg zur illuminierten karolingischen Handschrift
Vorwort
Dieser Artikel, bzw. diese Reihe von Artikeln sind mir eine Herzensangelegenheit und ich trage mich bereits seit Langem mit dem Gedanken, diese Reihe zu schreiben.
Die Abbildungen in illuminierten karolingischen Handschriften sind vielfach der Grund für Missverständnisse was Kleidung und Ausstattung der Karolinger angeht. Dies ist durchaus verständlich, wenn man die Darstellung losgelöst von ihrem Kontext, ihrer Entstehung und ihrer Einflüsse und dem Sinn dahinter betrachtet.
Leider ist für diesen Artikel ungewöhnlich viel Aufwand von Nöten, da ich nicht nur den Text zusammentragen möchte, sondern auch für jede erwähnte Handschrift, soweit möglich, einen Link zum Digitalisat bieten und entsprechende Abbildungen zeigen möchte um bildlich verständlich zu machen worum es sich dreht und Ähnlichkeiten verständlich zu machen.
Forschungsgeschichte
Aber tatsächlich wurden die Probleme der illuminierten Handschriften bereits angegangen, bearbeitet und publiziert. Es war Wilhelm Koehler, der 1906 mit der Arbeit begann. Es dauerte aber 24 Jahre(!) bis Köhler den ersten Band “Die karolingischen Miniaturen, Die Schule von Tours” 1930 publizieren konnte.
Das Werk wurde nach Koehler Tod 1954 durch Florentine Mütherich , die seit 1950 mit ihm arbeitete, fortgeführt. Koehler selbst hatte nur die Veröffentlichung des ersten Bandes erlebt. Zwischen 1958 und 2013 erschienen 7 weitere Bände, so das insgesamt 8 Bände erhältlich sind:
- Band 1: Die Schule von Tours. (2 Bände, Band 1, 1: Die Ornamentik. Berlin 1930, 2. Auflage 1963, Band 1, 2: Die Bilder. Berlin 1933, 2. Auflage 1963
- Band 2: Die Hofschule Karls des Großen. Berlin 1958.
- Band 3: 1. Die Gruppe des Wiener Krönungs-Evangeliars. 2. Metzer Handschriften. Berlin 1960.
- Band 4: Die Hofschule Kaiser Lothars. Einzelhandschriften aus Lotharingien. Berlin 1971.
- Band 5: Die Hofschule Karls des Kahlen. Berlin 1982.
- Band 6: Die Schule von Reims. (2 Bände, Band 6, 1: Von den Anfängen bis zur Mitte des 9. Jahrhunderts. Berlin 1994. Band 6, 2: Von der Mitte bis zum Ende des 9. Jahrhunderts. Berlin 1999.
- Band 7: Die frankosächsische Schule. Wiesbaden 2009.
- Band 8: Nachträge und Gesamtregister. Wiesbaden 2013.
Dabei hatten Koehler und Mütherich nicht einmal wirklich alle vorhandenen Handschriften berücksichtigen können! Zwar sind in den Nachträgen einzelne bekannte Exemplare vorhanden die keiner direkten Gruppe oder Malschule zuzuordnen sind behandelt, dennoch fehlen einige und auch ich musste feststellen das es Handschriften gibt, von denen ich noch nie im Leben gehört habe!
Koehler war es der, der den heutigen Gruppenkategoriesierungen, wie etwa die “Ada-Gruppe” ihren Namen als “Hofschule” gab, aber er war es auch dem zu verdanken ist die “Palastschule” zu erkennen, von der bis zu seiner Veröffentlichung nur das Wiener Krönungsevangelier bekannt war. Er konnte durch seine Forschungsreisen der letzten Schule drei weitere Evangeliare aus Brüssel, Brescia und Aachen zuordnen.
Auch ist ihm zu verdanken, dass vier Handschriften aus Metz, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden, zumindest durch Notizen und Fotografien, die Koehler 1911machte , zumindest noch bekannt sind.
Leider sind die Publikationen Mütherichs und Koehlers nur schwer zu bekommen und es werden Preise von 300 – 450 € für die einzelnen Bände aufgerufen. Es handelt sich dabei um aufwendige Schuber mit mit Beigefügten Drucken ausspeziellen Seiten der Handschriften um deren Beispiele zu verdeutlichen. Dher werde ich , diese per Fernleihe zu organisieren, da mir das Thema extrem wichtig erscheint und es mich interessiert.
Gleichzeitig bedeutet dies für mich aber auch das Ganze nicht als direkt aufeinander folgende Serie schreiben zu können, da das Material einfach zu umfangreich und meine Zeit zu sehr begrenzt ist. Es wird daher, je nach Bearbeitungsstand, jeweils ein oder zwei Artikel in Serie erscheinen, um danach wieder zu ruhen, bis weitere Bearbeitungen abgeschlossen sind.
Der Beginn fränkischer Buchmalerei unter den Merowingern
Die Buchkunst in Kontinentaleuropa, bzw. in dem Gebiet das später das Frankenreich werden sollte kam mit dem Niedergang des Weströmischen Reiches zum Erliegen. Die Bücher die noch vorhganden waren, wurden meist in Klöstern eingelagert und gehütet.
Mit der Expansion des Reiches schritt aber auch die Christianisierung fort. Diese erfolgte jedoch nicht wie zu erwarten wäre von Westen her. Der Westen war bereits christianisiert und die gallo-romanischen Mönche standen in einer asketischen Tradition. Ihr Lebensziel bestand darin, in selbstgewählter Abgeschiedenheit ein gottesfürchtiges Leben zu führen. Klöster waren abgeschottete Orte für eine abgeschottete Gesellschaft.
Ganz anders dagegen die iroschottische Kirche. Diese hatte altirisches Recht übernommen, in dem man für Vergehen in die Verbannung geschickt wurde. Für die iroschottischen Mönchen bedeutete dies, bei Vergehen Buße zu tun, indem man in die Fremde ging und dort das Christentum verbreitete. Man konnte aber auch einfach so, aus vorausschauender Vorsicht, Buße tun und die Fremde besuchen.
Um 590 kam mit Columban von Luxeuil der erste irische Mönch aufs Festland und wurde nach einem Zusammentreffen mit dem Merowinger Childebert II. von diesem unterstützt.
Mit den iroschottischen Mönchen kamen auch deren künstlerische Einflüsse ins Frankenreich. Zunächst jedoch bleiben figürliche Darstellungen in den Handschriften der Merowingerzeit aus.
Die Buchmalereien die uns aus der Merowingerzeit bekannt sind, stechen durch besonders hervorgehobene Initialen heraus, die aber nicht wie später ganze Seiten bedecken.. Hierbei werden auch zoomorphe Figuren und florale Muster zur Verzierung genutzt.
Während die direkt von iroschotischen Mönchen genzeichneten Iniziale frei Hand gezeichnet waren, verwendeten ihre lokalen Brüder Zirkel und Lineal, um die Formen zu replizieren. Die Spuren der Werkzeuge macht es möglich die Schreiber zu unterscheiden.
Als erste Handschrift mit Darstellung einer Person, außerhalb der Darstellung von Evangelisten, gilt das Sakramentar von Gellone (Bild Wiki Commons ) , entstanden zwischen 790 und 800 . Es ist nicht ganz klar, wo es entstand, vermutet wird die Diözese Meaux, östlich von Paris. Die erste Abbildung aus fränkischer Provinienz eines Evangelisten tauchte bereits im Gundohinus Evangeliar auf, das 754 oder 755 entstand. (Bild Wiki Commons ). Zeitlich ähnlich ist die erste Darstellunge von Evangelisten in rein insularen Handschriften. Hier ist der Stockholmer Codex Aureus aus der Mitte des 8. Jh. zu nennen (Bild Wiki Commons )Beide Handschriften gelten stilistisch noch als Vertreter merowingischer Handschriften, auch wenn diese bereits in frühkarolingischer Zeit entstanden. Sie stehen optisch noch ganz in der Tradition der merowingischen Buchmalerei, und besitzt auch klare insularer Einflüsse.
So zeigen die Figuren, wie etwa Jesus am Kreuz, die für die insularen Buchmaler typisch aufgerissenen, fast cartoonhaften Augen und den typischen Spitzbart, der eine dreieckige Kopfform erzeugt. Auch die doch verhältnismäßig bunte Ausgestaltung, jedoch mit gedeckten Farben, der Buchstaben und Flechtmuster zeugen davon und erinnern etwa an das Book of Kells, um hier nur das bekannteste Beispiel rein insularer Handschriften zu nennen.
Diese iroschottischen Einflüsse kommen und gehen jedoch in Wellen ins Reich und haben in der Zeit Karls des Großen eine erneute Blüte. Hervorgerufen durch Alkuin von York als Leiter der Hofschule Karls des Großen. Und das obwohl Alkuin gegen Abbildungen in Handschriften ist, da diese zu sehr vom Inhalt des Buches ablenken würden. Doch neben Alkuin finden sich auch andere iroschottische Mönche am Hof
Neben den iroschottischen Einflüssen kommen für die karolingischen Handschriften jedoch weitere Einflüsse zum Tragen, die nach Zeit und Herkunftsort der Handschrift entsprechend zum Tragen kommen.
So existieren vor allem in den westlichen Klöstern und Diözesen spätantike Handschriften, die jedoch auf Grund der selbstgewählten Abgeschiedenheit der Klöster zunächst kaum eine Rolle spielen. Mit der karolingischen Renaissance werden diese jedoch “wiederentdeckt” und dienen nun vermehrt als Vorlagen für Abschriften. Die Abgeschlossenheit der Klöster führt aber dazu das sich dort antike Schriften erhalten, die wahrscheinlich sonst verloren gegangen wären. (Es ist ein wenig wie der blinde Bibliothekar aus Name der Rose, der über seine Bücher wacht)
Als Produktionststätten merowingischer Handschriften tuen sich vor allem Luxeuil, das von Columban gegründet wurde, Loan, Chelles, Corbie und St. Denis hervor. Doch die merowingischen Handschriften waren nie dafür vorgesehen die Klöster zu verlassen. Vielmehr waren sie für den liturgischen Gebrauch innerhalb der Klostermauern gedacht. Auch diese machte einen allzu großen Schmuck nicht notwendig, ebenso sprach die selbstgewählte Askese, die sich nicht nur auf verringerte Kalorienaufnahme beschränkte, sondern Askese mit allen Sinnen bedeute, gegen reiche Ausschmückungen.
Aber auch der byzantinische Bilderstreit hat Auswirkungen auf die karolingische Buchmalerei. Aus dem byzantinischen Reich geflohene ikonodule Mönche, also Mönche, die als Ikonenverehrer galten, kamen in den Westen bis ins fränkische Reich und hinterließen in den Handschriften deutliche Spuren. Diese müssen aber nicht einmal den Weg aus Byzanz gefunden haben, auch das Exarchat Ravenna kann ihre ursprüngliche Heimat gewesen sein. Wie wir sehen werden, wird diese Personengruppe eine entscheidende Rolle spielen.
Die Koehler und Mütherich, bzw. Wissenschaft hat die illuminierten karolingischen Handschriften, soweit möglich, in Gruppen aufgeteilt hat, die sich nach Stil und Herkunftsort orientieren werde auch ich versuchen mich an diesen entlang zu hangeln. Hin und wieder ergänzt durch, zusätzliche Informationen, Ähnlichkeiten zu Handschriften außerhalb der Gruppen oder was mir sonst so über den Weg läuft. So zumindest mein Plan.
Beginnen werde ich kommende und die darauffolgende Woche mit den beiden Aachener Gruppen. Sie sind der Ausgangpunkt für die Entwicklung der karolingischen illuminierten Handschrift.
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