Von Wanderungen
Kürzlich schrieb Jörg unter Anderem als eine Antwort auf einen Kommentar von mir:
„Ich habe manchmal den Eindruck, dass wir uns völlig falsche Vorstellungen von der Art und Weise machen, wie die Menschen damals siedelten. Die Leute waren viel mobiler. „
Oft kann man lesen das ein Dorfbewohner sein Lebtag lang nicht anderes als die direkte Umgebung des Dorfes sah. Dies mag in Teilen zutreffen, dürfte meiner Meinung nach aber stark bis zu stark verallgemeinert sein. Dies möchte ich an einigen Beispielen erläutern.
In den Orten die zum Fiskalbezirk Trebur gehörten gab es in der Hauptsache Unfreie, sowie einen Meier als Verwalter. Die Unfreien in den Nebenhöfen kamen wahrscheinlich nicht sehr weit rum. Möglicherweise nur bis zum Haupthof (Trebur) um dort Güter abzuliefern.
In Trebur selbst könnte sich das anders verhalten haben. Trebur besaß die Pflicht zum Unterhalt eines Teiles der Mainzer Stadtmauer und durfte dafür dort Waren anbieten. (Die Mauer wurde 1160 geschleift, das Gesetz muss also älter sein). Die Waren wurden wahrscheinlich per Kahn über Schwarzbach und Rhein hinüber geschafft. So kamen auch Unfreie aus Trebur in den Genuss die Stadt zu sehen. (Hier wurden Waren aus allen bekannten Ländern umgeschlagen)
Nun wird davon ausgegangen das wenn sich der König in einer der Pfalzen Ingelheim, Frankfurt und Trebur aufhielt, der jeweilig andere Ort ebenfalls zu Verpflegeung herangezogen wurde. Somit kommt ein Treburer nach Frankfurt oder Ingelheim, genauso wie der Frankfurter nach Ingelheim und Trebur kommt. Da die Unfreien im Fiskalbezirk grundsätzlich dem König gehörten, war es diesem auch möglich Personen aus seinem Tross, vielleicht wegen Krankheit, zurück zu lassen oder neue zu rekrutieren.
Auch Kriegszüge waren für Unfreie eine Möglichkeit die Heimat zu verlassen. Zwar war es verpöhnt diese im Kampf einzusetzen, was sich unter anderem an den expliziten Erwähnung von Fällen in denen dies geschah zeigt, aber im Gefolge/Tross waren auch sie vertreten.
Auch weitrechende Umsiedlungen waren im 9. Jahrhundert durchaus ein Thema. So wurden Sachsen durch Karl den Großen umgesiedelt. Oftmals ist dabei nur von den Adligen die Rede, aber auch diese werden ihre eigenen Leibeigenen mitgenommen haben. Planmäßige Umsiedelungen fanden das ganze Mittelalter hindurch statt: Franken in die slawisch/fränkische Region um Bamberg, Siebenbürger Sachsen, Donauschwaben etc. Gerade hier gibt es ein große „Tradition“.
So wurden mit der Eroberung Thüringens durch die Franken eine ganze Reihe von fränkischen Adligen mit ihren Leuten nach Thüringen umgesiedelt um dort die Franken zu repräsentieren und um zu herrschen. Im Gegenzug wurden Thüringer aus der Oberschicht in das Rhein-Main-Gebiet als Ausgangspunkt der Eroberungszüge umgesiedelt.
Gleichzeitig ist natürlich immer Flucht eine Möglichkeit, egal ob durch Krieg , Hungersnot, Seuchen oder andere Katastrophen.
Von diesen großen „Wanderungen“ zeugt übrigens mein Familienname „Zwittmeier“ Sowohl die Uni Leipzig als auch Heinrich Tischner sind der der Meinung der Name habe sich aus Twit(t)-/Twietmeier/-meyer entwickelt. Einer meiner Vorfahren war also ein Meier, bzw. ein Freier mit eigenem Hof, dessen Hof an an einem schmalen Durchgang, enger Gasse oder einer Nebenstraße lag („twite“ Mittelniederdeutsch). Der Name stammt ursprünglich aus der Region Niedersachsen/Westfalen. Von dort wärs ja nicht so weit nach Südhessen (verhältnismäßig), mein Vater stammt aber aus Mähren! Meine Vorfahren latschten also im Zuge der Ostkolonisation ca. 800km in den Osten und kamen erst nach dem Zweiten Weltkrieg hier her. Das das aber nicht die einzige Spur von Wanderung in meinem Erbgut ist, zeigt der Bartwuchs in meiner Familie. Der ist nämlich so gut wie nicht vorhanden, zu dem habe ich eine ganz leichte, kaum sichtbare, Epikanthus medialis (Mongolenfalte) im Augenwinkel, weshalb mich Leute gelegentlich fragen ob ich Verwandte aus Asien oder Chile (warum eigentlich immer Chile?) habe. Der Mongolensturm und die Belagerung von Olmütz lässt grüßen! (Ich sollte vielleicht mal meine Darstellung überdenken)
Namensforschung ist sehr interessant. Die Familiennamen bei mir mütterlicherseits lauten Schultze und Meyer und kommen aus der Gegend Finsterwalde und Berlin. Zumindest weiß ich, daß dort meine Urgroßeltern sorbischer Herkunft waren. Nur bei der Bedeutung des Namens Schierle sehe ich noch immer nicht so ganz klar!