Ein Kommentar zum Königshof Lauresham
11,5 Millionen Euro soll der Ausbau des Klosters Lorsch kosten. Allein 4,5 Millionen Euro sind für den „Königshof Lauresham “ veranschlagt. (Hier beim Echo der Überblick übers Finanzielle). Dieses Projekt firmiert unter diversen namen: Königshof Lauresham. Freilichtmuseum Lorsch, Herrenhof Lauresham oder ganz verklausuliert „Karolingisches Labor Lorsch“
Doch über einen Nutzungsplan dieses Freilichtmuseums bin ich bisher nicht gestolpert. Museumspädagogisch genutzt werden soll es, schrieben einige Zeitungen. Ein „Vorabmodell“ war im Echo abgebildet (hier), aber erkennen konnte man nicht viel. Ein umzäunt oder ummauerter Bereich mit einigen Gebäuden konnte man erkennen, wenn man Fantasie hatte.
Die Lorscher Parteien wissen scheinbar auch noch nicht ganz so genau wie das Ding genutzt werden soll. So schreibt die CDU Lorsch in ihr Parteiprogramm als Ziel:
die Erarbeitung eines Konzeptes zur effizienten Betreibung und Unterhaltung eines „Freilichtmuseums Lauresham“
Klare Informationen indes, wie das Ganze aussehen soll findet man jedoch nicht. Fast nicht!
Denn das Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, bzw. Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu dem es gehört und das einen Fördertopf für nationale UNESCO Welterbestätten besitzt weiß ein bisschen mehr:
Das Freilichtmuseums „Archäologischer Park karolingischer Herrenhof Lauresham“ soll die Lebensweise auf einem karolingischen Herrenhof und damit die frühere Lebenswirklichkeit im Kloster Lorsch veranschaulichen.
Dazu soll ein idealtypischer karolingerzeitlicher Herrenhof des 8./9. Jahrhunderts mit Garten-, Feld- und Weidefluren modellhaft realisiert werden. Bei der baulichen Gestaltung des Hauptgebäudes soll auf die römische Siedlungsform einer „villa rustica“ zurückgegriffen werden.
Die „Umnutzung“ einer römischen Siedlungsform verdeutlicht zugleich die Präsenz der Römer vor 1.200 Jahren im Lorscher Raum. (Quelle)
Ich weiß nicht ob es Euch jetzt so die Sprache verschlagen hat wie mir. Diese drei Absätze sollte man sich wirklich genüßlich auf der Zunge zergehen lassen!
Der erste Absatz ist ja noch ok. Sagt keiner was gegen. Beim zweiten Absatz bin ich schon versucht gegen die Wand zu rennen. Es gibt genau eine Quelle für einen Idealtypischen Königshof. Nämlich den Königshof Annapes im brevium exempla. Unklar ist mir was genau unter „Bei der baulichen Gestaltung des Hauptgebäudes soll auf die römische Siedlungsform einer „villa rustica“ zurückgegriffen werden.“ zu verstehen ist. Natürlich ist ein Königshof die Fortführung der als Latifundiengüter genutzen villae, aber auch nur im wirtschaftlichen Sinne, nicht im Baulichen. Da aber hier die Rede von einem Hauptgebäude ist, denke ich man will hier eine villa rustica bauen. WTF? Natürlich könnte man dazu die Rahmengeschichte erfinden, das es ja in Lorsch römische Funde gab und diese Baulichkeiten weiter genutzt wurden und… bla bla
Ja, das ist schön, aber Käse. Natürlich wird über die Weiternutzung von villae diskutiert und in einem Fall in Wurmlingen ist es auch nachgewiesen. Anderseits gibt es aber auch Fälle (Wölfersheim) wo die fränkische Siedlung neben den römischen Ruinen gegründet wurde und diese nur ausgebeutet wurden. Zu allem Übel, muss man ja davon ausgehen das wir uns für den Königshof in einer Zeit bewegen in der die villa mindesten 300-400 Jahre alt gewesen wäre!
Der dritte Absatz ist aber der Abschuss! Nein, was da steht ist keiner meiner Schreibfehler, sondern steht wirklich da! Die Römer vor 1200 Jahren im Lorscher Raum. Aha, Lorsch war also eine Exklave Konstantinopels, oder wie habe ich das zu verstehen? Gut ist vielleicht nur ein Schreibfehler im Ministerium (sagt das was übers Ministerium?) und ich will mich nicht weiter aufregen, aber den Königshof als Brücke zu den Römern zu nutzen ist eigentlich recht weit hergeholt und m.E. nicht angebracht, wenn ich das Ding wirklich als Königs- oder Herrenhof nutzen will!
Warum baut man nicht einfach ein frühmittelalterliches Gehöft, so wie es schon hundertfach ausgegraben wurde? Ich nehme mal an, das das einem Weltkulturerbe nicht genug wäre, so was gibts doch schon mehrfach in Deutschland. Pah! Dann schon ein Königshof!
Bisher scheint mir das Freilicht-Herrenhof-Labor doch eher fragwürdig und nicht zu Ende gedacht.
Auch eher etwas seltsam finde ich die Ausschreibung/Wettbewerb für die Geländegestaltung. Gewonnen hatte hg merz. Beteiligt daran, als Landschaftsgestalter, ist die Firma „TOPODEK1“ . TOPODEK1 hat Teile seines Wettbewerbentwurfes online (hier). Das ganze kann man sich auch bei competitiononline ansehen, mit der Jury Begründung. Den Wettbewerb als solches kann man hier finden, die gesamte Wertung der Jury hier.
Was mir dabei sofort auffiel war die ausgiebige Nutzung dieser furchtbaren Rasenfugen. Also eine Reihe Platten, gefolgt von einer Reihe Rasen, gefolgt von Platten gefolgt von… usw. Dieses unselige Element ist ja im Moment super beliebt, vielleicht weil man damit Inlineskater stoppen kann, von Rollifahrern mal ganz zu schweigen!
Das findet sich aber auch in der Jury Begründung die doch einiges zu kritisieren hat:
(…)Die Positionierung des zentralen Parkplatzes jenseits der Weschnitz führt zu langen Wegen der Besucherfüh-rung, die insbesondere bei schlechter Witterung und für Behinderte, beschwerlich und bei ungenügender Bespielung langweilig wird. (…) Die Belagsübergän-ge und -ausprägungen zum Benediktinerplatz, der Nibelungenstraße und dem nördli-chen ehemaligen Klostergelände werden als idealisiert gewürdigt, scheinen jedoch re-alistischerweise kurzfristig schwer umsetzbar.(…)
Seltsam finde ich eine Ablehnung im dritten Platz:
Die Verglasung des Kirchenfragmentes ist abgeleitet von einem Schrein – dies ist nicht nachvollziehbar und als Grundlage des Konzeptes nicht akzeptabel.
Nun kenn ich deren Konzept nicht, und weiß auch nicht wie da was genau verglast werden sollte. Aber dennoch kann ich das sehr gut nachviollziehen. Das Kirchenfragment als letzter Teil der eigentlichen Klosterkirche in der der Schrein des hl. Nazarius verehrt wurde ist Quasie selbst eine Reliquie des Kloster (wie die Torhalle auch) . Von daher scheint sich da schon jemand Gedanken gemacht zu haben.
Wer sich aber mal mit Architektur und solchen Wettbewerben auseinander gesetzt hat, weis das es hier Ähnlichkeiten zu KFZ Prototypen gibt: Sie werden so nie umgesetzt. Das zeigt sich ja nun wo Teile verschoben werden müssen und nichts in die Sichtachse Altenmünster-Kloster Lorsch gestellt werden darf. Ich stelle mir immer wieder die Frage ob so ein Aufwand wirklich sein muss. Zu mal ja auch die Vorgaben der Auslobung nicht sonderlich viel Spielraum lassen. Im Grunde geht es nur darum wer den schöneren Bodenbelag und die bessere Parkplatz Variante bieten kann.
Es tut mir leid. So schön wie dieses Projekt sich anhört, so wenig scheint es durchdacht zu sein. Römer vor 1200 Jahren, Villa Rustica als Königshof. Wird es belebt? Wird es ein statischer Ausstellungsraum für Päpstin-Requisiten in dem Führungen gemacht werden? Wird es Deko für die Kinderaktion die Lorsch durchgeführt werden? Welches Baumaterial und welche Bautechnik wird verwendet?
Von einem Nutzungsplan für die Villa, ähh Königshof hab ich auch noch nirgends lesen können. Andeutungen gibt es viele, aber warum findet man nirgendwo im Netz ein klares Konzept? Es wäre doch auch im Interesse der Bevölkerung. Ich kann die Befürchtungen vor einem Disneyland durchaus verstehen., denn ohne ein klares Konzept könnte das am Ende wirklich die „Notlösung“ sein.
Mir scheint das man in Lorsch nicht hinter dem Glauberg oder dem neuen Messeler Besucherzentrum anstehen will und sich so seine Gelder für die nächsten Jahre aus dem Fördertopf sichern will, denn das „Investitionsprogramm nationale UNESCO-Welterbestätten“ mit seinen 220 Mio. läuft ja z.Zt.nur 2009 bis 2014. Da muss man sich sputen. Gleichzeititig ist das ganze ein Prestigeobjekt, bei dem man auch mittels Architektur zeigen möchte was man hat. Zum Beispiel finde ich das Glaubergmuseum architektonisch mit der großen Glasfläche und dem Ausblick ins Tal witzig, aber wo der architektonische Bezug zu den Kelten bleibt, erschließt sich mir nicht. In Haithabu ist das Museumsgebäude an Langhäuser buw. die Schiffsrümpfe angelehnt, hier ist das verständlich. Aber ich schweife ab. Zurück zu Lorsch.
Mit der Klosterstadt Meßkirchwird das Kloster Lorsch und sein Herrenhof eine schweren Mitbewerber haben. Mit einem villa rusticalem Königshof wird es, so glaube ich, hier nicht mithalten können. Mann schaut es sich an und aha, das wars. Der nachhaltige Effekt wieder zu kommen wird heruntergeschraubt auf ein Minimum. In Meßkirch dagegen wird man dagegen durch den stetigen Baufortschritt animiert wiederzu kommen. Was steht als nächstes? Wie weit ist man an der Kirche? usw. Ich glaube nicht das da Lorsch mithalten kann. Gleichzeitig zeigt es aber auch was man mit einem anständigen Konzept und Präsentation erreichen kann.
Na ja, in Lorsch wurde römisches Material recycelt, sprich, da gab es vorher römisches Leben.
Und es gab neugebaute merowingische Königshöfe, auch rechts des Rheins, die sahen spätantiken römischen sehr ähnlich.
Also würde ich jetzt nicht grundsätzlich gleich den Stab über dieser Idee brechen.
Nachtrag: In Fulda wurde 1953 übrigens so eine curtis-artige „römische“ Villa, aus nachrömischer Zeit, im nichtrömischen Teil Germaniens ausgebuddelt. Zerstört wurde sie erst zu Beginn des 8. Jh.
Das legt nahe, dass solche Anlagen auch bis in die Zeit Karls des Großen hineinreichen konnten – also auch in die Zeit des Klosters Lorsch.
@Segestes: Ich gebe Dir recht (zu Fulda, hatte ich ja auch schon mal, gibts übrigens neue Erkenntnisse, die das Ding als Teil des ersten Klosterhofs einschätzen, steht glaube ich im Lorsch Katalog)
Das weißt du, das weiß ich, aber weiß das auch der normale Besucher? Ich persönlich halte es für die schlechteste mögliche Lösung, vorallem müsste man dann trotzdem spekulieren, weil halt nur ähnlich, aber nicht gleich. Eine Gehöfftgruppe wäre wohl besser. Aber es ist ja auch (scheinbar) nix entschieden.
Übrigens ich wäre sehr dafür wenn das was anständiges in Lorsch gäbe. Allein wegen der lokalen Nähe von 31km Luftlinie! Wäre ja auch gut für Trebur in der Folge. Allein der Glaube…
Ich bin nur per Zufall über diesen Kommentar gestolpert und würde gerne anregen zu einer der Jour Fix, die regelmäßig über die Fortschritte rund um Lorsch und das Freilichtlabor Lauresham informieren, zu kommen. Was das Ministerium da schreibt ist, mit Verlaub, Müll. Mit den Römern und einer villa rustica hat das alles nichts zu tun. Da ich selbst an dem Prozess beteiligt war, kann ich sagen, es ist wirklich schwer in fantasielose Politikerköpfe eine Vorstellung zu erzeugen, was genau der Plan ist. “ Nein, das wird kein Streichelzoo.“ „Nein, das wird auch nicht so wie Disney-Land“ “ Nein, das ist auch nicht als Reenactment zu verstehen.“ -> “ Was ist es denn dann?“
Gute Frage: Im besten Sinne ein Freilichtmuseum, ein bisschen wie der Hessenpark, nur dass wir viel weiter in der Geschichte zurück gehen, Tiere und Landwirtschaft haben werden und alles so aussehen soll, als wären die Bewohner des Hofs nur gerade kurz vor der Tür. Es wird Museumspädagogik geben, die Kindern und auch Erwachsenen geschichtliches Wissen über die Zeit um Karl den Großen anschaulich und akkurat vermittelt. ( 60% der Museumspädagogen vor Ort sind Historiker oder Kunsthistoriker) Wir haben ja bereits schon ein großes Angebot im Kloster Lorsch. ( Das große Besucherzentrum ist den Aufwand wert, da dort 90% der Museumspädagogik statt finden wird. Durch die Umbaumaßnahmen auf dem ehemaligen Klostergelände wird dort kaum noch Platz für die pädagogischen Angebote sein).
Übrigens muss man das Freilichtlabor und das Kloster als Gesamtkonzept betrachten.
Die Theorie über das Leben im frühmittelalterlichen Kloster wird durch das Erleben im Freilichtlabor unterstützt und vertieft. Das Leben im frühen Mittelalter war vor allem landwirtschaftlich geprägt. Diese Landwirtschaft wird auch im Freilichtlabor zu sehen sein. Pflanzen, Tiere, aber auch Werkzeug und Handwerk werden dort ausgestellt werden.
Ich möchte aber nicht alles verraten, daher mache ich hier Schluss. Wer weiter Fragen hat, kann mich gerne anschreiben. P.S.: Der Parkplatz wird übrigens erstmal nicht gebaut. Die Herren und Damen Kommunalpolitiker können sich nicht auf einen Standort einigen. Wobei >einigen< das falsche Wort ist, aufgrund der Begebenheiten gibt es eigentlich nur eine Standortmöglichkeit, aber naja…. man glaubt auch noch nicht daran, dass so viele Besucher kommen werden. Was schon allein grotesk ist, da bereits ohne das Freilichtlabor an schönen Tagen die Besucherparkplätze für das Kloster Lorsch allesamt belegt sind. Aber da stellt sich die Stadt Lorsch vermutlich selbst ein Bein und wird in einem halben Jahr, wenn es keine Zuschüsse mehr gibt, selbst Geld in die Hand nehmen müssen, um eine Parkplatzsituation zu schaffen, die die Nachfrage ausreichend deckt.
Herzliche Grüße
M.