Die karolingische Armee – Teil III – Das Militär der Karolinger
Schaut man sich die karolingischen Handschriften an, hat man das Gefühl, es gibt nur religiöse Text, die Bibel, den Prudentius und Psalter Handschriften.
Doch es gibt eine Handschrift, die hervorsticht. Es ist kein kirchlicher Text. Es ist ein militärisch, taktisches Werk. Es ist das Epitoma rei militaris oder De rei militari des Vegetius aus dem späten 4. Jahrhundert.
Allein aus der karolingischen Epoche gibt es ein halbes Dutzend Kopien, die bis in unsere Zeit überdauert haben. Hrabanus Maurus fertigte unter dem Titel “De Procincta Romaniae Militiae” eine z Bearbeitung für Lothar II. an.
Neben Clauswitz “Zum Kriege” und Sunzi “Die Kunst des Krieges” gilt als eines der bedeutendsten Werke zum Thema und ist das Buch zur Strategie und Kriegsführung im europäischen Mittelalter. Wobei angemerkt sein muss, dass den Karolingern auch die Byzantinischen Handschriften wie das Strategemata des byzantinischen Kaisers Mauritius (um 600 entstanden) zum Thema, ebenfalls bekannt waren.
Die Aufstellungen der Heere richten sich im gesamten Mittelalter hindurch am Werk von Vegetius aus, bzw. nutzt daraus abgeleitete Schlachtaufstellungen:
Die Linie der Infanterie wird gebildet, die Kavallerie wird in den Flügeln aufgestellt. Die schwere Reiterei, das heißt, die mit Lanzen bewaffneten und gerüsteten Soldaten, sollten sich der Infanterie anschließen. Die leichte Kavallerie, bestehend aus den Bogenschützen und denen, die keine Rüstung haben, sollte in größerem Abstand aufgestellt werden. Das beste und schwerste Pferd soll die Flanken des Fußes bedecken, und das leichte Pferd wird wie oben erwähnt aufgestellt, um die Flügel des Feindes zu umgehen und zu stören. Ein General sollte wissen, welcher Teil seiner eigenen Kavallerie am besten geeignet ist, um bestimmten Schwadronen oder Truppen des Feindes entgegenzutreten.
Allgemein werden für Truppen der Franken durchweg römische Begriffe wie phalanx, testudines, turmae und acies verwendet, ohne das sicher ist, ob diese Begriffe überhaupt noch die gleiche Bedeutung hatten.1 Es ist also nicht sicher, ob gleiche Strategien mit den genannten Begriffen verbunden wurden, oder diese Begriffe einfach aus Ermangelung anderer Worte in den lateinischen Schriften verwand wurden.
Dennoch spricht vieles dafür das die Franken mehr als nur die Begriffe verwendeten, sondern in einer militärischen Tradition zu den west-römischen Einheiten der Spätantike standen.
Einheiten der fränkischen Armee
Das fränkische Militär scheint drei Hauptzweige besessen zu haben. Zum einen die Infanterie zu Fuß, der Kavallerie zu Pferd, ergänzt durch „Ingenieure“, also Soldaten, die befähigt waren Verteidigungsanlagen und Kriegsgerät zu errichten2. Über letztere habe ich bereits in den vergangenen Teilen geschrieben. Jeder Historiker scheint sie aus anderen Bevölkerungsschichten und und Personengruppen darin zu sehen. So etwa Goffart, der die hostis/erxercitus, aber auch die pauperi ingenui, die armen Freien, in dieser Position sieht.
Die defensiv orientierte Infantrie-Standardformation der Karolinger sollte die Phalanx, als enge Linie, gewesen sein. Also eine enge geschlossene Linie. Es würde nahe legen, hier einen Schildwall zu vermuten, ohne dies aber konkret bestätigen zu können.
Aus der Beschreibung der Schlacht von Portier und Tours heißt es jedoch, die Franken hätten “unbeweglich wie eine Wand” gestanden und dabei zusammengehalten” wie ein Gletscher”3 gestanden. Fredegar notiert für 612, also noch unter den Merowingern, den berühmten Satz, dass die Franken so eng gestanden hätten, dass die Toten nicht umgefallen seien.
Der Infanterie kam die eigentliche “Drecksarbeit” zu. Den Gegner im Nahkampf auszuschalten, nachdem seine Reihen gebrochen waren. Das Brechen der Reihen war Aufgabe der Panzerreiter, dem scheinbaren Rückgrat des fränkischen Militärs, die mit der Zeit immer mehr an Bedeutung gewinnen. So wie diese das Rückgrat bilden, so sind sie auch taktische Schwachstelle gegen bestimmte Gegner.
Kurzer Exkurs zum Panzerreiter
Der Panzerreiter, latein eques loricatus oder eques ferratus, aus den bekannten Bearbeitungen zur Karolingerzeit ist ein bisschen eine Verlegenheitslösung. So viele Quellen, in denen der Begriff eques loricatus oder ferratus auftaucht, gibt es gar nicht. Da ist als erster der Bericht zur Schlacht von Tours und Poitiers, in der die eques loricatus vorkommen oder etwa bei Notker Balbulus. Aber sind sie denn so besonders?
Das Wort selbst bezeichnet nur einen “gepanzerten Reiter” bzw. einen “Reiter in Eisen”. Verbreiteter war allerdings der Begriff caballarius4 im Sinne eines Reiters. Warum hat aber nun das Wort so eine Gewichtung bekommen? Ganz einfach! Die Historiker des 19. Jahrhunderts suchten ein Wort, um den römischen Katapharakt vom karolingischen, gepanzerten Reiter abzugrenzen und der sollte wiederum vom hochmittelalterlichen Ritter abgegrenzt werden, der sich ja durch Lehen auszeichnet.5 Also nahm man Panzerreiter als Wort. Im Grunde ist das nichts anderes als ein Katapharakt oder Ritter. Das er zwingend einen Schuppenpanzer haben muss, ist Quatsch! Das steht nirgends und stammt aus überinterpretieren Bildquellen in der Kombination mit dem Wort “ferratus”. So macht “Das Kleine deutsch lateinische Wörterbuch” von 1845 aus dem Eisenpanzer automatisch einen Schuppenpanzer…
Übrigens Panzerreiter als Begriff wird auch (viel) später noch verwendet. Die bekannten polnischen Flügelhusaren, die vor Wien zum Einsatz kamen, sind ebenfalls Panzerreiter. Also gepanzerte Reiter. Und Panzerreiter kennt nur die deutsche Sprache! Im Französischen sind es z.B. Chevaliers, also Reiter oder Ritter.
Taktik und Nachteile der Panzerreiter
Der Sinn dieser schweren Reiterei lag im “Schockangriff”. Zum einen sollte der Panzerreiter durch sein alleiniges Auftreten in voller Panzerung den Gegner verunsichern, zum Anderen sollten sie, geschützt durch Ihre Rüstungen, auf die gegnerischen Linien zu preschen und diese Aufbrechen und Verwirrung stiften . Somit sollte die gegnerische Linie gestört und zersprengt werden und den Fußtruppen helfen, die nun nicht mehr organisierten gegnerischen Linien auszuschalten.
Man merkt bereits, dass diese Taktik nur dann funktioniert, wenn der Gegner ähnlich agiert, bzw. strukturiert aufgestellt ist. Ähnlich wie die römischen Truppen in der Varusschlacht, verloren die karolingischen Truppen, bzw. die Panzerreiter, ihre Stärke, wenn sie gegen einen Gegner antraten, der sich nicht an diese Strategie hielt.
Am deutlichsten wird dies beim Agieren der Panzerreiter in ottonischer Zeit gegen die Magyaren/Ungarn.
Die schnelle. leichte Reiterei der Magyarien, die in einer Hit & Run Taktik vorgehen, lassen keine Zeit für eine Schlachtaufstellung. Die Panzerreiter können diese Reiter auch nicht einholen, da sie zu schwer sind und der Bogen als Waffe ermöglicht den Beschuss aus sicherer Distanz. Die Reaktion der Franken unter Heinrich I. bei der Schlacht von Riade war daraufhin nicht etwa der Einsatz von leichter Reiterei als Gegenpol, sonder die leichte Reiterei wurde als Lockvogel benutzt um die Magyaren in die Reichweite der Panzerreiter zu bringen. Zwar schlug dies fehl, aber die Magyaren konnten zunächst vertrieben und deren Lager geplündert werden.
Ähnliche Probleme könnten die Nordmänner hervorgerufen haben. Wenn diese, wie bereits angesprochen, nicht in Linie im Schildwall kämpften. Locker stehende, einzel kämpfende Nordmänner, die schnell agieren und ausweichen können, sollten der schweren Reiterei ihre Stärke genommen haben. Dies gilt für das immer wieder beschriebene, unvermittelte Auftauchen der Nordmänner.
Als 892 Arnulf von Kärnten siegreich gegen die Nordmänner antritt, so liegt der Grund darin nicht die Reiterei zu nutzen, was aus topographischen Gründen nicht möglich ist, sondern im ebenso wendigen agieren zu Fuß.
G. Halsall Warfare and Society in the Barbarien West, S194 ↩
P.S. Backer The Frankish War-Machine of Charles Martel S55 ↩
Chronik von 754 auch bekannt als Mozarabische Chronik bzw. Continuatio Hispana ↩
R.Wagner Schwertträger und Gotteskrieger S56 ↩
Die Sache mit Panzerreitern als Ursprung der Lehen ist eine größere Geschichte, vielleicht gehe ich darauf einmal gesondert ein ↩
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