Das karolingische Armee – Teil I – Heeresversammlung
Eigentlich sollte an dieser Stelle ein monumentaler Rundumschlag zum fränkisch karolingischen Militär stehen. Aber da es mehr wurde als ich vermutete und das neue Jahr eigentlich so anfängt wie das letzte Endete, fehlt mir etwas die Zeit.
Ich wollte aber nicht irgendwie in Rückstand geraten also fange ich mit dem Heerbann an, denn allein das ist schon ein weites Feld.
Der Schild als Trigger
Der ursprüngliche Auslöser für die Befassung mit dem Militär war die Fertigstellung meines Schildes. Es wiegt letztendlich 5kg, im Gegensatz zu den ca. 3kg wiegenden Wikingerschilden. Jedoch habe ich einen gewissen verdacht das das kein Fehler sein muss. Denn Warming schrieb zu den Wikinger Schilden 2016/17 , dass der Wikingerschild, dünn und leicht (ca. 3kg) , gar nicht für einen Schildwall geeignet gewesen war und die Nordmänner daher wohl eher den einzelnen Kampf Mann gegen Mann suchten1
Ein stabilerer Schild im Umkehrschluss, würde also eher für einen Schildwall sprechen. Aber hier aussagekräftige Quellen zu finden ist nicht ganz so leicht, also beginnen wir mit einem Rundumschlag!
Musterung und Heeresversammlung
Die ursprüngliche Heeresversammlung fand innerhalb des “Märzfeldes” statt. Dabei handeltes es sich nicht nur um eine reine Versammlung der Truppen sondern um ein generelles Ding, die westgermanische Variante des nordischen Thing, bei der u.A. auch Recht gesprochen wurde. Gregor von Tours überliefert uns ein Ereignis auf dem Märzfeld 486/7, das Veränderungen im Herrschaftsanspruch der Merowinger zeigt.
Nach Gregor beanspruchte Chlodwig nach der Plünderung von Reims einen Krug aus dem Kirchenschatz. Einer der Kämpfer legte jedoch Widerspruch ein und teilte den Krug mit einem Schwerthieb.2 Da dem König wie jedem germanischen Krieger nur ein Anteil zustehe. Das akzeptierte Chlodwig auch zunächst. Beim nächsten Märzfeld jedoch war er dem Krieger Nachlässigkeit in seiner Ausrüstung vor und warf sie ihm zu Füßen. Als dieser sie wieder aufheben wollte, schlug ihm Chlodwig den Schädel ein. Aus dem gleichrangigen Germanen Chlodwig war nun König Chlodwig I. geworden, der einen allumfassenden Anspruch auf die eroberten Güter hatte.
755 oder 756 wurde das Märzfeld durch den Karolinger Pippin III auf in den Mai verlegt und wurde von da an als magiscampus, Maifeld, bezeichnet. Zu diesem Zeitpunkt wurden auch allgemeine Reichsversammlungen abgehalten. Der Zeitpunkt war so gewählt, dass er vor den Sommerfeldzügen lag.
Jedoch verlor auch der Mai bald an Bedeutung. Reichsversammlungen und Herrbanne fanden auch außerhalb dieser Termine statt.
Ganz kurzer Einschub: Eigentlich ist Heerbann ein grundlegend falsches Wort für die Sammlung des Heeres! Es stammt von heribannum. Und dieses bedeutet ein bannum, also eine Strafe, ein Bann, wegen nicht antreten des Herresdienstes… Wird aber heute, und gelegentlich auch damals schon für den Heerdienst als solches verwendet. kommt aber noch. Nur so als Info… /Einschub Ende
So wurden im Zeitraum zwischen 756 und 768 nur 6 mal ein Heerbann im Mai einberufen und in der Regierungszeit von Karl dem Großen zwischen 769 und 813 nur 17 mal ein Heerbann als Maifeld.
So fand Beispielsweise 790 eine Reichsversammlung in Worms zwischen dem 9. April und 9. Juni statt, jedoch ohne dass dabei ein Maifeld durchgeführt worden wäre, da die Armee demobilisiert war. Und unter Ludwig dem Frommen verschwand der Zusammenhang zwischen Maifeld und Heerbann völlig.3
Gesichert erscheint, dass die Mobilmachung am Ende des 8. Jahrhunderts in 2 Schritten erfolgte. Die für die Mobilisierung Verantwortlichen, meist die Gaugrafen, aber auch Bischöfe, Äbte oder sonstige Königsmänner, erhielten zunächst durch Königsboten, den missi, einen Aufruf zur Bereitschaft, auf den sie diejenigen benennen mussten, die am Heerbann teilnehmen und wer als Helfer (hostis/exercitus) unterstützte. Die Helfer, wohl aus Freien bestehend, sollten dabei sicherstellen , dass die Teinlehmenden korrekt ausgerüstet waren und ihnen gegebenenfalls gelagerte Ausrüstung zuweisen.
Kam dann der endgültige Aufruf zum Heerbann (iussio, adnuntiatio ), wurden die Männer zusammengerufen und an den Ort der Reichsversammlung ( placitum ) geführt. Zwischen Aufruf und eigentlicher Versammlung konnten dabei durchaus Monate vergehen.
Die Helfer (hostis/exercitus) des Heerbanns sieht Walter Goffart wiederum in der Rolle der Heimatverteidigung, aber auch Vergleichbar mit den Ingenieuren für Schanzarbeiten, wie sie auch in der römischen Armee vorkamen 4 und P.S. Backer in The Frankish War-Machine of Charles Martel sieht in diesen Ingenieuren, neben Infanterie und Kavallerie, einen der Hauptzweige der fränkischen Armee. In einer anderen Publikation sieht aber Goffart aber auch die pauperi ingenui, die armen Freien, in der Rolle von Personal für Schanzarbeiten. Möglicherweise gab es Überschneidungen, wobei noch angemerkt sein sollte, das der Begriff von hostis und exercitus immer wieder unterschiedlich gebraucht und somit auch wieder anders gedeutet werden kann. (Das wird uns in den weiteren Teilen noch häufiger passieren)
Da dieses Vorgehen extrem zeitaufwändig war, konnte es vorkommen, dass das ganze Prozedere einfach nicht durchgeführt wurde und der König oder die Grafen auf Grund ihrer Autorität ihre Truppen sammelten und in den Einsatz zogen.
Da unter Ludwig dem Frommen die Königsboten (missi) als ständige Institution mit fest installierten Gebieten verfügbar waren und nicht erst bestimmt werden mussten, versuchte man, den Prozess zu beschleunigen. Die missi verständigten im Einsatzfall den Bischof ihres Misionsgebietes, der wiederum die Äbte, (Gau-) Grafen und andere königliche Untergebenen (Vasallen) informieren mussten. Diese waren zu jener Zeit aufgefordert, ihre Ausrüstung in ständiger Bereitschaft zu halten und sich binnen 12 Stunden nach Eintreffen der Nachricht auf den Weg zu machen. 5)
Die Truppen der Bischöfe sollten, da diese im Normalfall nicht mitkämpfen, durch einen Bannerträger angeführt werden, während die Grafen und andere königliche Untergebenen (Vasallen) ihre Truppen in Person anführen sollten. 6 Dies bedeutet nicht das diese nicht auch Banner mitgeführt hätten, nur hatte der Bannerträger nicht die Funktion des Heerführers des Truppenteils.
In diesem Modus wurde etwa 817 bei der Revolte Bernhards von Italien erfolgreich verfahren, er wird aber auch so im Capitular von 865 so schriftlich festgehalten.
Wer der Einberufung nicht nachkam wurde mit dem heribannus belegt, dem eigentlichen Heerbann im ursprünglichen Sinn des Wortes. Dabei ist der heribannus nicht als zusätzliche Steuer zu verstehen mit der man sich freikauft sondern einer empfindliche Strafe. Der mit dem Bann belegte war gezwungen die Hälfte seiner beweglichen Güter abzugeben7
Rekrutiert wurde grundsätzlich jeder freie Franke, bzw. jeder Freie im fränkischen Vielvölkerstaat. Dies war im Kapitular von 808 festgelegt worden.8 Doch wurde auch auf Grund des Landbesitzes differenziert:
Jeder freie Mann der vier mansi ( Flächenmaß, ein Mansus = ca 11 bis 16ha in karolingischer Zeit ) sein Eigen nennt muss gehen, entweder mit seinem Herrn, wenn dieser geht, oder mit seinem (Gau-)Grafen. Ein Mann der drei mansi sein Eigen nennt soll mit jemandem zusammentun der nur einen mansus besitzt, der ihn unterstützt, so dass nur einer Gehen muss und der Andere sich um die Güter kümmern kann. Ein Mann der nur zwei mansi besitzt soll sich mit einem zusammentun der ebenfalls zwei mansi besitzt, so dass nur einer geht und der Andere ihn unterstützt.
Und ein Mann der nur ein mansus besitzt soll sich mit drei anderen in der gleichen Situation zusammentun und während er geht, sollen die drei Anderen zuhause bleiben.
Wer jedoch zuhause blieb und sich um die Felder kümmerte, war damit nicht völlig vom Militärdienst befreit. Er war für die “Heimatverteidigung” zuständig, über die in einem anderen Teil gesprochen werden wird. Diese sollte aber identisch sein mit der “denfensio patriae” der Karolingerzeit, die etwa im Vertrag von Meersen als lantweri (Landwehr, Landfolge ) bezeichnet ist.9
Erwähnt werden in dieser Aufzählung jedoch nicht die pauperi ingenui, die armen Freien ohne eigenen Landbesitz, die einen Großteil der freien Bevölkerung stellten. Sie wurden ebenfalls gemustert. Wahrscheinlich lag ihr Einsatzgebiet im Bereich der Infantrie, leichter Reiterei, oder etwa beim Bau von Befestigungen oder zu Erschließen eroberten Gebiets durch Straßen- oder Brückenbau.10
https://videnskab.dk/kultur-samfund/arkaeolog-vikinger-kaempede-ikke-bag-mure-af-skjolde und R.Warming, Round Shields and Body Techniques: Experimental Archaeology with a Viking Age Round Shield Reconstruction ↩
vergleiche Hacksilber ↩
Hier F.L.Ganshof Frankish Institutions under Charlemagne S62 ff folgend ↩
W. Goffart , Defensio Patriae as a carolingian military obligation S33 ↩
F.L.Ganshof Frankish Institutions under Charlemagne S64 und W. Goffart , Defensio Patriae as a carolingian military obligation S36 ↩
S.Coupland The carolingian Army and the Struggle against the vikings S53 ↩
Walter Goffart, Recruitment of Freemen into the Carolingian Army S20 ↩
Walter Goffart, Recruitment of Freemen into the Carolingian Army S29 ↩
vgl. B.S. Bachrach Early Carolingian Warfare S52ff und W. Goffart , Defensio Patriae as a carolingian military obligation ↩
W. Goffart , Defensio Patriae as a carolingian military obligation S33 ↩
Lese gerade zufällig im Antiquarius, dass Churfürst Emmerich Joseph gerne zu Pferde zum „Hofstattborn“ Ausflüge machte. Zählte er offenbar zu…
Kleine Idee zu den "fehlerhaften" Plänen und abweichenden Maßen: Mittlerweile ist es ja möglich Gebäude in 3D zu scannen und…
Bau I, also Kapelle mit Mädchengrab wird in die erste Hälfte des 7. Jahrhunderts datiert, wobei das Grab ende des…
Gibt es Einschätzung wie aus welcher Zeit die Vorgängerkapelle stammt?
Hallo Markus das Bild war mir auch schon immer ein Rätsel. Momentan tendiere ich dazu es für ein Pallium zu…