Byzanz, Papst und Franken – Eine Chronologie -Teil 1
Eigentlich war dieser Beitrag überhaupt nicht geplant. Als ich kürzlich 6 Stunden vom Bodensee nach Hause gefahren bin, hatte ich mich in Gedanken verloren, wo eigentlich die Kontakte und die Schnittpunkte zwischen Franken und Byzanz waren. Auf den Gedanken brachte mich der Frieden von Aachen von 812 zwischen Byzanz und Franken.(Das ganze zog sich aber viel länger und der Wikipedia Artikel ist vernachlässigbar) Das Ergebnis an einem Abend waren 30 Seiten A4 in Arial Schriftgröße 11! Die wiederum hab ich nun auf 9 Seiten eingedampft und aufgeteilt, um niemanden zu erschlagen. Ich hab zumindest viel gelernt dabei! So viel vorweg, einer der Angelpunkte ist das Papstum!
Unsere Geschichte beginnt der Einfachheit halber mit einem Ende. Mit dem Ende des Weströmischen Reiches. Dies nun auf einen festen Termin zu datieren ist in diesem Falle nicht nötig, zumindest kamen die (Handels-)Beziehungen zwischen Rom / Konstantinopel und den Bereichen der Franken nach dem Untergang des Reiches von Soisson 486/87 auf einen Tiefpunkt.
Zwar erreichten kostbare Güter, wie die allseits beliebte Seide, noch immer die Gebiete der Franken, aber allein der Aufwand für den Import war so immens geworden, dass sich der Handel fast nicht lohnte. Dennoch bestanden noch immer diplomatische Verbindungen. Egal wie der Zustand des Westreiches für Byzanz war, in ihrem Verständnis war es nicht untergegangen, sondern nur im Moment ohne Kaiser, und fast noch schlimmer, ohne funktionierenden Verwaltungsapparat.Zum richtigen Zeitpunkt würde man diesen schon wieder etablieren.
In Italien hatte der weströmische Offizier, germanischer Herkunft , Odoaker die Macht an sich gerissen und schaffte es letztendlich, sein Herrschaftsgebiet bis Dalmatien auszudehnen. Stand er zunächst noch in guter Verbindung mit Byzanz, war dies nun wohl der Anlass, dass Byzanz mit ihm brach. Man schickte einen magister militum mitsamt seiner gesamten Sippe, der auf den klangvollen Namen Flavius Theodericus hörte, um Odoaker den Gar auszumachen. Hinter dem Namen Flavius Theodericus verbirgt sich kein geringerer als der König der Ostgoten Theoderich der Große. Und die Geschichte des Kampfes zwischen Odoaker und Theoderich wird Einzug in das Sagengut und die Heldenepik in Form des Hildebrandsliedes finden und Theoderich wird in weiteren Epen wie dem Nibelungenlied auftauchen. Er wird dort den Namen Dietrich von Bern tragen-.
Nachdem dem Odoaker besiegt ist, richtet es sich Theoderich im ehemaligen Regierungssitz in Ravenna häuslich ein und baut diesen aus. Theoderich verwaltet nun mit Ravenna den Brückenposten nach Byzanz. Byzanz sendet die Herrschaftsinsignien des Weströmischen Kaisers an Theoderich. Wahrscheinlich sollte dieser einen Herrscher im Auftrag von Byzanz einsetzen.1 Theoderich aber macht dies nicht.
Er sondert sich mehr und mehr von Byzanz ab und beginnt seinen eigenen Weg zu gehen. Und obwohl er 493 Audofleda, die Schwester des Merowingerkönigs Chlodwig, heiratet, läuft es mit den Franken auch nicht so gut. Theoderich hatte die Alamannen in Raetien unter seinen Schutz gestellt, nachdem Chlodwig diese besiegt hatte und die Franken scheinen weiter nach Süden zu drängen.
Doch begeben sich in Richtung Loir und gehen dort gegen die Westgoten und deren König Alarich II bei der Schlacht von Vouillé vor.Die Franken ihrerseits haben eine Übereinkunft mit Kaiser Anastasios I getroffen, der die Kräfte der Ostgoten und Theoderichs an deren Ostgrenze in Kämpfe verwickelt und somit verhindert das Theoderich Alarich zur Hilfe kommen kann.
Da Chlodwig aber erfolgreich gegen die Westgoten vorging, wurde er vom Byzantinischen Kaiser 508 mit einem hochrangigen Titel versehen. Da er chlamys und tunic blattea gesandt bekam, gilt es als sicher, dass er zum Honorarkonsul ernannt wurde, denn eben das waren die Amtszeichen eines solchen.2 Für die Franken bedeuten dies als Anerkennung ihres Königtums, die Byzantiner zeigen das der Westen immer noch ein Gebiet ist in dem das römische Recht und ihr endgültiger Herrschaftsanspruch gilt.
Theoderichs Tod 526 und die damit verbundene Schwächung des gotischen Herrschaftsgebietes ist für Byzanz das Signal, wieder einen Fuß in die alte Heimat zu bekommen.
Schon 519 hatte Byzanz die Kirchenunion zwischen Christen Italiens und dem Oströmischen Kaiser erklärt, die zum sogenannten “Byzantinischen Papstum” von 537 bis 752 führt. Bischof von Rom und damit Papst darf nur derjenige werden, der seinen Segen vom byzantinischen Kaiser erhalten hat nach dem diesem seine Wahl gemeldet wurde, und gewählt werden dann in aller Regel Personen, die aus dem Byzantinischen Reich oder dem römischen Stadtadel stammen.
Zwischen 535 und 552 erobern die byzantinischen Generäle Belisar und Narses die italienischen Gebiete zurück, dabei plante man 540 die Goten in der Poebene als Puffer zu den Franken anzusiedeln, was jedoch misslang. Merowingische Franken unter Theudebert I. drangen plündernd, das Chaos nutzend, nach Italien ein, wurden aber Schlacht am Casilinus vernichtend geschlagen. Byzanz hatte bis 562 Herrschaft über die Italienischen Gebiete zurückerlangt.
Theudebert jedoch macht sich nun in Byzanz noch weiter unbeliebt. Nach Prokop übt er in der Region um Marseille die Seeherrschaft aus, führt den Vorsitz bei den Zirkusspielen in Arles und lässt Goldmünzen mit seinem Bild prägen. Prokop notiert: “ Nun pflegt aber selbst der Perserkönig nur Silberstatere nach eigenem Ermessen auszuprägen, während sein eigenes Bildnis auf den Goldstater zu setzen weder ihm noch irgend einem Barbarenkönig gestattet ist,(..)” Für den Byzantiner ist der Franke also ein Barbarenkönig, nicht mehr.
Aber auch Chilperich handelt ganz ähnlich. Auch er lässt in Soisson und Paris einen Circus errichten und schreibt eine theologischen Text, der ihn in die Nähe der Häresie bringt
Die Franken praktizieren keine renovatio, sondern eine imitatio, also keine Wiederherstellung des alten (west-)römischen Pracht, sondern eine Imitation der Byzantinischen.3
568 ist Byzanz jedoch schon wieder einen Großteil der Gebiete in Italien los, da die Langobarden einfallen und ihr Reich begründen. Um dennoch einen Fuß in der Tür zu haben entsteht 584 das Exarchat Ravenna (Es gibt auch noch weitere, etwa das Exarchat Sizilien und das Exarchat Karthago, zu dem bis 698 auch Korsika und Sardinien gehören, aber das soll an dieser Stelle unterschlagen sein) . Dieser Außenposten, von Ravenna nach Rom reichend, steht unter der Verwaltung eines magister militiums und untergeordneten dux. Diese dux haben aber nichts mit dem Adelstitel des dux=Herzog zu tun, auch wenn der Name daher stammt. Es sind vielmehr dem magister militium untergeordnete militärische Statthalter. Die Dogen von Venedig werden ihren Titel von diesen dux erhalten.
Die Verbindungen der Franken mit Byzanz verbessert sich unter Kaiser Justin II. soweit, dass der byzantinische Geschichtsschreiber Agathias (+582) schreibt, das Byzantiner und Franken gleiche Praktiken bei religion und Verträgen hätten, sowie eine ähnliche städtische Kultur und sich trotz barbarischer Herkunft nur in Kleidung und Sprache unterschieden. Byzanz strebt sogar ein Bündnis mit den Franken gegen die Langobarden an. Die Franken jedoch ziehen wieder plündern durch Norditalien und kümmern sich nicht darum wen sie plündern.4 Als die Franken 590 sich zwecks eines Bündnisses gegen die Awaren an Kaiser Maurikios wenden geht dieser nicht darauf ein, allerdings wird kurz nach 600 ein Frieden beschlossen der die Beziehungen zwischen Franken und Byzantinern wieder normalisiert. Ab 634 kamen die Kontakte jedoch zum Erliegen. Auch Münzen aus Byzanz werden in Franken immer seltener, auch wenn es noch immer Importgüter aus dem Orient gibt5
Während nun Rom und Papsttum unter byzantinischer Verwaltung stehen, die Langobarden ihr eigenes Ding machen und immer wieder mit den Byzantinern in Italien “zusammenrasseln”, sich mal gut und mal schlecht dem Papst verstehen, geht das Christentum bei den Franken einen eigenen Weg. War das Christentum zunächst von Rom aus in die fränkisch regierten Gebiete gekommen als es noch Teil des Römischen Reiches war, so sind es nun iroschottische Mönche, die, vor allem in den neu eroberten Gebieten, das Christentum verbreiten und eine gewisse Unabhängigkeit von Rom bringen . Die Verbindung von römisch-katholischen Glauben und germanischer Grundherrschaft lässt das Eigenkirchenwesen entstehen, in dem der Grundherr meist in neu eroberten Gebieten als Stifter einer eigener Kirche auftritt und dort auch das Recht der Investitur ausübt.
H.Böhm, Das Weströmische Kaisertum nach 476, S54 ↩
J.Drauschke Diplomatie und Wahrnehmung im 6. und 7. Jahrhundert: Konstantinopel und die merowingischen Könige S247 ↩
vgl. Drauschke S263ff ↩
vlg. J.Drauschke Diplomatie und Wahrnehmung im 6. und 7. Jahrhundert: Konstantinopel und die merowingischen Könige S256 ↩
Drauschke S. 262 ↩
[…] http://www.tribur.de/blog/2023/05/13/eine-karolingische-truhe/ […]
Freut mich wenn ich die Anregung für den Nachtrag war. Tatsächlich hat dieses Bild und die Darstellung auf dem Teppich…
Wieder eine sehr schöne Diskussion des Themas. Dein eines Zitat gibt es ja wieder, aber Du hattest es weiter oben…
Vielen Dank für die unglaublich vielen interessanen Artikel im letzten Jahr. Ich weiß gar nicht, wie Du das neben der…
Ein kurzer Gruß von einem stillen Leser, mit den besten Wünschen fürs neue Jahr! Danke für dieses schöne inspirierende Blog!