Vorschlag zum karolingischen Schwertgurt Typ1 (n.Robak)
Anmerkung, bzw. Leseempfehlung: Ich würde dazu raten, bei ernsten Interesse, sich die ganzen verlinkten PDFs runterzuladen, um so, wenn ich was erwähne immer gege lesen zu können bzw. die Abbildungen zur Hand zu haben.
Bevor ich tatsächlich und endlich zum Basteln meines karolingischen Schwertgurtes übergehe, möchte ich einige Annahmen postulieren, die ich versuchen werde zu berücksichtigen, sowie meine damit verbundenen Erkenntnisse kundtun.
- 1. Die spätmerowingische Spathaaufhängung ist der direkte Vorgänger der karolingischen Schwertgarnitur. Die Pyramidenknöpfe sind dabei alsVorgänger der oberen Beschläge Richtung Scheidenmund zu sehen.1
- Der hochmittelalterliche Schwertgurt wie er etwa von den Naumburger Stifterfiguren bekannt ist, steht in der Nachfolge der karolingischen Schwertgurte und kondensiert dabei sämtliche Teile wie Schleppgurt auf die Wicklungen an der Scheide und lässt dabei metallenen Schmuck gänzlich weg
- Nordische Wehrgehänge, allem voran die Funde von Ballateare und Cronk Moar, stellen die vereinfachte nordische Variante der karolingischen Schwertgurte da. Wobei der Kleeblatt Riemenverteiler durch einen Ringförmigen Riemenverteiler ersetzt ist, sowie die Beschläge weggelassen wurden oder aber auf ein Minimum reduziert wurden (D-Ring an der unteren Befestigung, statt Beschlag mit Durchzug)
Bautteile bzw Anordnung der Beschläge und Verteiler der karolingischen Wehr
Der Einfachheit benutze ich beim Schwertgurt die Typologie von Z. Robak von 20182 , die auch zeitliche Abfolge berücksichtigt:
- Typ I: Kleeblatt Riemenverteiler, 2x kurze oval-rechteckige Beschläge mit Nietstiften und Nietlöchern, 1x längerer oval-rechteckiger Beschlag mit Nietstieften und Riemendurchzug, 1x Riemenzunge, 1x Schließe
- Typ II: Kleeblatt Riemenverteiler, 1x langer oval-rechteckiger, dachförmiger Beschlag mit Nietlöchern, 1x längerer oval-rechteckiger Beschlag mit Nietstieften und Riemendurchzug, 1x Riemenzunge, 1x Schließe
- Typ III: rechteckiger Riemenverteiler, 1x langer rechteckiger, dachförmiger Beschlag mit Nietstiften, 1x längerer rechteckiger Beschlag mit Nietstieften und Riemendurchzug, 1x rechteckige Riemenzunge, (1x Schließe, nicht im Fundgut)
- Typ IV: Schlüsselförmiger Riemenverteiler (Auch als „neck and loop“ bezeichnet) (oder Schließe zum Knoten) , 1x langer oval-rechteckiger, dachförmiger Beschlag mit Nietlöchern, 1x kurzer oval-rechteckiger Beschlag mit Nietstieften und Riemendurchzug, 1x kurze Riemenzunge, (1x Schließe nicht im Fundgut)
- Typ V: Schlüsselförmiger Riemenverteiler (oder Schließe zum Knoten), 1x langer oval-rechteckiger, dachförmiger Beschlag mit mit Scharnier und Nietstiften, 1x kurzer oval-rechteckiger Beschlag mit Nietstieften und Riemendurchzug, 1x kurze Riemenzunge, (1x Schließe nicht im Fundgut)
Hauptunterschiede der Beschlagteile sind zum einen der zweiteilige, bzw. dachförmige Beschlag und die Form des Riemenverteilers, wobei ich mich dem Kleeblattverteiler widmen werde, also Typ I und II
Die beiden kurze oval-rechteckige Beschläge oder der langer oval-rechteckiger, dachförmiger Beschlag
Die Positionierung dieser Beschläge gestaltet sich einfach. Sie ist auf Abbildungen erkenbar. Sie sind am oberen Teil der Scheide anzusiedeln, wobei sie auf der Schauseite der Scheide sitzen. Die Aufteilung in zwei Teile , bzw. die Dachform ermöglicht die Anpassung an die Form der Schwertscheide. Bei der Lösung mit 2 Beschlagteilen (Typ1) handelt es sich dabei um die älteste Variante deren Entwicklung zu Begin des zweiten Viertels des 9. Jahrhunderts abgeschlossen war3 und später von den dachförmigen Beschlägen abgelöst wurde.
Die Befestigung der Beschläge erfolgte am auf einem Lederriemen, wahrscheinlich dem Hauptgurt. Dies zeigte sich bei einem Fund aus Grab 500 von Mikulcice, der aber leider beim Brand des Mikulcicer Depots des Archäologischen Instituts zerstört wurde aber 2004 noch von K. Kosta untersucht wurde.4 Bei dem angesprochenen Fund hafteten zwei Schichten Leder an. Daraus folgt: an den oberen Beschlägen müssen in deren Bereich zwei Riemen übereinander liegen.
Der längerere oval-rechteckiger Beschlag mit Nietstieften und Riemendurchzug
Der längere Beschlag mit Riemendurchzug findet seine Entsprechung an der Schwertscheide von Ballateare und Cronk Moare(Isle of Man). Beim Ballateare-Schwert und beim Cronk Moare Schwert war im oberen Drittel der Scheide ein Beschlag mit D-Ring angebracht, an dem der Schleppgurt befestigt war.5 Wahrscheinlich war der Schleppgurt nur lose mit dem D-Ring verknotet um so die Neigung des Schwertes zu regulieren.
Beim karolingischen Pendant erfolgte die Befestigung wieder über einen Lederriemen an der Schwertscheide auf den der Beschlag angenietet war und von dem ein Teil , eben jener mit dem Riemendurchzug, über die Scheide überstand. An dem auf der Unterseite liegenden Riemendurchzug wurde dann der Schleppgurt mittels Knoten befestigt, analog zu den Schwertern von Ballateare und Cronk Moare.
Der Riemenverteiler
Beide Riemen, also Schleppriemen und Hauptriemen scheinen nun am Riemenverteiler zusammen zu laufen. Und hier zeigt sich das Problem der auf Symmetrie ausgerichteten karolingischen Variante mit Kleeblatt.
Interessanterweise gibt es einen frühen, fragmentarisch erhaltenen 3-flügeligen Riemenverteiler der auf die Zeit des 8. Jahrhunderts bis spätestens 800 datiert wird. An diesem, im Tassilokelchstil aus Aggbichl bei Marquartstein verzierten Verteiler sind noch Lederreste zweier Riemen erhalten, die festgenietet und durch einen Durchtzug leufgen.6
Grundsätzlich scheint aber der der auf Symmetrie ausgerichtete Kleeblatt-Riemenverteiler nicht das Optimum zu sein. Sonst hätte man bei den Schwertern von Isle of Man nicht auf die flexibleren runden Verteiler umentschieden. Aber ähnliche Riemenprobleme in der Befestigung haben auch das Sutton Hoo Schwert, wo der Schleppriemen mit einem T-förmigen Riemenverteiler vom Hauptgurt abzweigt (Rekonstruktion größtenteils durch in situ Fundlage und Erhaltungszustand der Objekte gesichert). Wobei der mitunter locker sitzende Schleppgurt auch noch später in Byzanz auftaucht. Genannt sei hier die Elfenbein Ikone des hl. Demtrios aus der Zeit von 950-1000 ( Abbildung bei Metmuseum.org ). Zudem gibt es auch im karolingischen Fundgut T-förmige Riemendverteiler, ganz ähnlich dem von Sutton Hoo.
Probleme der Rekonstruktion
Mein derzeitiges Hauptproblem stellt die Befestigung des oberen Riemens/ Hauptriemens dar. In dem oben als Quelle angegebenen Paper „The Sword and Sword-Belt in Carolingian Times – The Warrior Burial 23 von Závada Reconsidered“ gibt der Autor auf Seite 159 Möglichkeiten der Befestigung des Haupriemens bei einer Beschlaggarnitur vom Typ V, wobei es recht unerheblich ist das es sich dabei um einen dachförmigen Beschlag mit Scharnier handelt.
Die auf der rechten Seite von Abb1. dargestellte Variante hat zwar, wie der Fund von Grab 500 von Mikulcice zwei Lagen Leder am Beschlag, jedoch sehe ich die Anbringung als unpraktikabel an. Da ich die Nieten von unten breitschlagen müsste während der Beschlag bereits auf der Scheide liegt. Läge es nicht bereits auf der Scheide auf müsste das Konstrukt recht locker sein, was wieder an der Scheide die Gefahr des Durchrutschens oder eines lockeren Sitzes birgt. Die linke, neben der Scheide genutzte Variante ist zwar praktikabler, aber hier fehlen an den Nieten die doppelte Schicht Leder.
Eine weitere Rekonstruktion bietet M. Baumeister in „Grundsätzliche Überlegungen zur Rekonstruktion frühmittelalterlicher Schwertgehänge an“ Abb.2 (leider liegt mir die Publikation nicht vor). Diese Rekonstruktion kommt meinen Erwartungshaltung näher. und weist ein viel zu wenig beachtetes Detail auf. Nämlich die verschiedenen Befestigungsarten durch Nieten und Stifte. Jedoch zeichnet Baumeister bei seiner Rekonstruktion eine „Treppung“ der Beschläge ein, um die Beschläge der Scheidenform anzupassen, die auf keiner der Fundzeichnungen zu erkennen ist. Sollte diese Treppung existent sein, würde ich ihnen eher die Funktion zur Aufnahme eines Riemens zusprechen.
Ein weiteres Problem ergibt sich bei Beschlägen von Typ I durch die leicht überstehenden Beschläge am Scheidenmund. So auch bei Baumeister. Zum einen könnte der vom Träger aus gesehene Beschlag auf den Körper drücken, was bei längerem Tragen unangenehm ist, zum anderen erfährt der Hauptgurt an dieser Stelle eine unschöne Stauchung. Ein Problem das bereits Lüppes in seinem Paper bei der merowingischen Spatha ansprach.
Ein Hinweis auf eine mögliche Lösung stellen die verschiedenen Befestigungsarten an Beschlägen des Typ I dar. Während die Nieten eine dauerhafte Befestigung darstellen ermöglichen die Stifte ein schnelles auswechseln, denn zur Befestigung wurde der Stift durch einen Schlitz im Leder gesteckt und dann durch zwei Löcher mit einem festen Draht gesichert. Eine solcher, S-förmiger Draht ( an den Enden rund umbgebogen) blieb an einem Beschlag aus Ljubicna nad Zbelovsko Goro erhalten.
Daraus resultierende Überlegung
Mit Hilfe der Nietstifte liese sich eine Befestigung, ähnlich der Spatha Aughängung nach Lüppes realisieren, wobei die Pyramidenknöpfchen ihre Entsprechung in den oberen Beschlägen der karolingisch Wehr finden. Die beim merowingischen Spatha verwendeten Riemchen, die die Spatha nach vorne hin halten sind dabei durch einen kurzen Lederriemen ersetzt, der fast vollständig von den Beschlägen verdeckt ist und so den Eindruck eines durchgehenden Gurtes erzeugt.
Für diese Art der Befestigung und die Verwandtschaft zur Merowingerzeit, spricht auch die unscheinbare Fußnote 7 Robaks in The Sword and Sword-Belt in Carolingian Times auf S.155, wo dieser im Bezug auf merowingische Spatha schreibt7 :
At that time most popular sword sets included, among others, two pyramidal fittings places at both sides of a scabbard (which later evolved into an oval fitting known from type I sets – cf. Baumeister 1998, fig. 4; 6; Lüppes 2010; Robak 2013, 114 – 116) (…)
The Sword and Sword-Belt in Carolingian Times S.155
Dieses Befestigungssystem mittels eines leicht zu entfernenden Stiftes ist auch bei der Befestigung des Schleppgurtbeschlages praktikabel. Der am Beschlag vernietete Riemen wird eng um die Scheide gelegt und am anderen Ende des Beschlages unter Spannung eingehängt und mit einem Draht gesichert.
Mögliche Entstehungsgeschichte des karolingischen Schwertgurtes
Der Ursprung des karolingischen Schwertgurtes könnte in der Bestrebung gelegen haben die Schwachstelle, die die Riemchen an den Pyramidenknöpfen darstellte, auszumerzen und somit eine dauerhaftere Verbindung der Teile zu ermöglichen.
Die Verbindung mittels eines weiteren kurzen Stück Riemens machte jedoch die Pyramidenköpfe in ihrer ursprünglichen Form obsolet. Beschläge in Plattenform erwiesen sich dabei als effizienter. Die zunächst noch existenten, aufgesetzten Riemendurchzüge der Scheiden machte dabei die Zweiteilung der Beschläge notwendig. (Siehe hierzu auch Abbildungen des Stuttgarter Psalters, bei denen an abgebildeten Scheiden durchaus noch ein Riemendurchzug angedeutet sein könnte)
Mit dem Wegfall der Riemendurchzüge bestand keine Notwendigkeit mehr die oberen Beschläge zwei zu teilen, was das entstehen des dachförmigen Beschlages begünstigte, wobei sich wahrscheinlich auch eine andere Art der Befestigung zwischen Scheide, Beschläge und Hauptgurt entwickelte.
Dem ikonischen Kleeblattriemenverteiler messe ich inzwischen wesentlich weniger Bedeutung in der Konstruktion zu , als zuvor. Möglicherweise liegt seine Form in einer unbekannten symbolischen Bedeutung, die bereits im Großmährischen Reich als unwesentlich erachtet wurde und daher durch die durchaus in ihrer Befestigungsmethode effizienteren schlüsselförmigen Beschläge, die im übrigen auch von Pferdegeschirren bekannt sind, ersetzt wurde.
Nicht unerwähnt lassen möchte ich das es zumindest einen Fall gibt, bei dem die merowingische Befestigung mittels Riemchen bis ins Hochmittelalter bestand hatte, bzw. zumindest dort noch oder wieder Verwendung fand. Die Rede ist dabei vom Grab des Gilbert Marschall Earl of Pembroke (+1241) in der Londoner Temple Church. Eine Zeichnung findet sich in The Sword Belts of the Middle Ages von Albert Hartshorne. (Leider nicht frei verfügbar und bitte nicht aus versehen in Sci-hub danach suchen… )
Anmerkungen zu erhältlichen Repliken
Da ich meine „Bastelei“, die ich parallel an meiner Scheide betreibe, nur als Vorschlag sehe, arbeite ich mit zusammengestückelten Teilen. Bei den Originalen waren alle Teile mit gleichen Mustern verziert, so dass man die Zusammengehörigkeit klar erkennen kann. Ohnehin besteht das Problem das alles was von der Stange erhältlich ist (zumindest was ich fand) nicht den Originalen entsprach! Dies fiel mir vor allem bei den Nietstiften auf, denn im Original sind auf den Rückseiten zwei schmale Nasen mit Loch erhalten. Diese wurden durch das Leder gesteckt und dann mit einem Draht durch die Löcher gesichert und dann zusätzlich noch vernietet. (Siehe Bilder oben) Dies ist so aber nicht erhältlich. 2011 od. 2012 erkundigte ich mich einmal was denn ein komplettes Set kosten würde. Problem dabei war das ich mir ausgerechnet die vergoldete Garnitur aus gegossenem Silber mit Nielloeinlagen aus dem Nationalmuseum Kopenhagen ausgesucht habe und das Ding mich damals gute 1000€ gekostet hätte. Also hab ichs sein lassen. Es gibt aber durchaus einfachere Garnituren vom Typ I die sich kostengünstiger herstellen lassen sollten.
Siehe hierzu Lars H. Lüppes alias Hakun Risti, Gedanken zur spätmerowingerzeitlichen Spathaaufhängung – eine zu belegende und tragbare Rekonstruktion, online bei Uni Heidelberg ↩
Z. Robak , The Sword and Sword-Belt in Carolingian Times – The Warrior Burial 23 von Závada Reconsidered, Paper online hier verfügbar ↩
Z. Robak, The Sword and Sword-Belt in Carolingian Times – The Warrior Burial 23 von Závada Reconsidered , S155 ↩
S.Ungerman, Schwertgurte des 9- bis 10. Jahrhunderts in West- und Mitteleuropa, 2011, S.582, Online hier verfügbar ↩
Abbildung auf Vikingage.org hier und hier ↩
Z.Robak, The Origins and the Collapse of the Blatnica-Mikulcice Paradigm. S.115, online hier und M.Helmbrecht, Prachtvolle Zeugnisse weitreichender Verbindungen: Ein karolingerzeitlicher Neufund vom Aggbichl bei Marquardtstein, Lkr Traunstein, S.369 online hier ↩
Hätte ich diese Fußnote nicht übersehen hätte ich mir 2 Wochen Grübelei erspart und das Ganze wäre viel kürzer geworden ↩
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…
Ab heute mit Jahresangaben nach Holozän-Kalender? Ich finde das gut; überlege ebenfalls, den öfter zu verwenden. (Es wird das Jahr…
Großartig! Und deprimierend. Ich habe den Artikel von Google News vorgesetzt bekommen, und er war völlig in style. Vom letzten…