Schauspeisen – Vom Bratspieß zum Snakecake
Seinen Status über Lebensmittel auszudrücken ist vielleicht eine der ältesten Möglichkeiten der Menschheit ihre Macht zu zeigen. Gastfreundschaft und Gastmahl ist somit auch immer eine Möglichkeit seinen Reichtum darzustellen: „Ich habe viel, du hast nichts. Mahlzeit!“
Das bemerkte schon der Philosoph Dion Chrysostomos (40-150 n.Chr) in seinem Werk „Euboikos, oder: Das Glück des einfachen Lebens“. Er wird aber sicherlich nicht der Erste gewesen sein der das bemerkte.
Unter den Römern waren ausufernde Gastmähler üblich und durch Lucius Licinius Lucullus gingen sie als „lukullische Genüsse“ in die Geschichte ein. Die übliche römische Dekadenz eben, die, aufgepasst Herr Ex-Außenminister, in der Spätantike böse den Bach runter ging. Dennoch begegnet uns Essen als Zeugnis von Macht immer wieder: Sagen um belagerte Burgen die ihre Überlegenheit beweisen in dem sie ein fett gemästetes Schwein über die Mauern werfen (z.B. Carcasonne oder Burg Hohenwerfen) bis hin zum Geschäftsessen.
Bei meiner Betrachtung möchte ich aber in der Zeit zwischen Spätantike und Frühmittelalter einsetzte.
Der Bratspieß als Herrenspeise
Grillen, bzw. Fleisch am Spieß über offenen Feuer gegrillt gilt für uns heute als „urig“ und wird gängig auf Mittelaltermärkten und Volksfesten zelebriert.
Grillen ist aber eine denkbar ungünstigste Methode der Fleischverwertung. Das kostbare und energiespendende Fett tropft aus dem Fleisch und verbrennt ungenutzt im Feuer. Fleisch verbrennt zum Teil und wird ungenießbar. Knochen und Mark werden oft nicht genutzt.
Der sparsame und „ernährungsbewusste“ Verbraucher nutzt Fleisch daher eher in Form von Suppen und Breien in denen die kostbaren Fettaugen schwimmen. Alles andere ist Verschwendung und Verschwendung kann sich nur leisten wer reich ist.
Dies waren nun mal Stammesfürsten, Kleinkönige und ähnliches. In ihren Gräbern finden sich oft geschmiedete, eiserne Bratspieße als Beigaben. Sie künden vom Reichtum ihrer Besitzer, die es sich leisten konnten Fleisch auch zu grillen.
Der Gewürz-SuperGAU
Mit den Kreuzzügen wird der Import aus dem Osten generell wieder gefördert. Gewürze wie Pfeffer, Safran oder Zimt finden nun nach und nach ihren Weg nach Europa.
Der Fleischspieß als Machtsymbol hat ausgedient, findet sich aber immer noch in Quellen als eine „Herrenspeise“.
Die neuen kostbaren Gewürze können sich aber nur Reiche leisten und die zeigen es auch. Gerne auch bei Gastmählern. Mit Speisen die bis zur Unkenntlichkeit überwürzt waren, jedoch immer immer im Einklang mit Galens Idee von den vier Säften, d.h. alles musste ausgeglichen sein. In etwa so wie in der aryuvedischen Küche, nur im Extrem.
Schauspeißen
Bald schon reicht das einfache Überwürzen zur Machtdemonstration jedoch nicht mehr aus. Der Adel und hohe Klerus geht neue Wege in Sachen „Machtrepräsentation durch Lebensmittel“
Man erfindet die Schauspeisen. Gerichte die vorgeben etwas anderes zu sein als das was sie sind.
Das Bouch von gouter Spise (ca. 1350) beschreibt mehrere Schaugerichte. Darunter auch einen falschen Reiher:
Man bereite Reiher auf einem Holzbrett zu (aus der folgenden Masse). Ein Fladen aus guter Lende schön klein gehackt, darunter gerieben ein Viertel Käse und gut vermischt mit Gewürzen und auch vermischt mit Eiern und fett genug von fettem Speck. Und ein Viertel Hühner hineingestreut. Und man backe es gut in einem Ofen und lege es dann auf ein Holzbrett. Und man stecke vier Spitzen (gemeint sind Stöcke) hinein, einen Finger breit und eine Elle lang und einen guten halben Braten daran aufgespießt. Und man setze einen schön gebastelten Kopf darauf, der leer darauf gesetzt wird. Zwölf halbe Braten (und) auf jeder Spitze ein Küchlein. Und dann eine gekochte Milch mit Eiern und mit Safran gut gefärbt, und man gieße sie in ein Tuch und beschwere es mit Steinen bis es trocken wird. Und man schneide es fingerdick und eine Spanne lang. Und aufgespießt auf kleine Spitzen, um den Fladen herum gesteckt wie ein Zaun, mit kleinen gebackenen Kuchen einen Kranz darum gesteckt mit Blättern. Und den gebackenen Vogel darauf gesetzt. Und auftragen für seinen Herrn.
Aber man geht auch ironisch mit den Speisen um , denn das Bouch von gouter Spise beschreibt auch ein ironisches Rezept:
Eine gute, leckere Köstlichkeit. So mach zum Schluss eine kleine, leckere Köstlichkeit aus dem Magen eines Stichlings und aus Mückenfüßen und Finkenzungen, aus Meisenbein und Froschkehlen. So kannst du lange und ohne Sorgen leben.
Doch auch diese Prunkgerichte reichten schon bald nicht mehr aus und wieder lies man sich neues einfallen.
Schon früher wurden Beispielsweise Schwäne aufgetischt. Diese angeblich unglaublich nach Brackwasser schmeckenden Vögel waren nur mit viel Gewürz essbar. Nun aber ging man dazu über die Tiere kunstvoll zu drapieren. Stand ihr weißes Gefieder doch für Reinheit und Tugend. Sie wurden sorgfältig gerupft, gegrillt, danach zum Beispiel mit lebenden Tauben gefüllt, wieder mit Federn versehen und auf die Tafel gestellt. Je lebensechter sie aussahen desto besser. Dann wurde das Tier geöffnet und Tauben fatterten heraus.
Sowas ging z.B. auch mit ganzen Bären…
Im 16. spätestens 17. Jahrhundert teilen sich die Schaupeisen in zwei Gruppen auf, denn Philipp Harsdörffer beschreibt in seinem “Trincir Buch“ zwei Sorten von Schauspeisen.
Die einen waren das was man noch heute von Konditormeisterschaften kennt, Tiere, Blumen und Ornamente, aus Marzipan, Butter und Zucker. Die anderen dagegen waren nur für das Auge gedacht: Künstliche Speisen die aus Gips, Leinwand, Pappmache, Wachs usw. hergestellt waren und einfach nur gut aussehen sollten.
Mit der Entwicklung des europäischen Porzellans kam auch das Ende der künstlichen Schauspeisen, denn nun konnte man diese aus dem kostbaren Steingut fertigen. Omas Suppenterrine mit den Porzellanröschen steht in direkter Nachfolge der nicht essbaren Schauspeisen.
Aber auch die essbaren Schauspeisen gibt es noch und sie boomen. Und das nicht nur in der Welt der Konditoren. Gerade im Internet begegnet man ihnen des öfteren. Sie boomen als Cupcakes mit Super Mario Figuren oder als Snakecake.
Danke Christian, tatsächlich war ich vor 2 Jahren dort, muss aber gestehen das ich den Textilien wenig Aufmerksamkeit geschenkt habe.…
Hi. Bin grad über den Artikel gestoßen. Wenn du mal in die Nähe von Hildesheim kommst: Im dortigen Domschatz befinden…
Nein aktualisiert nicht. Die müsste noch in der Variante wahrscheinlich noch irgendwo in meinem Archiv schlummern
Hallo Markus, hast du die Karte zwischenzeitlich zufällig für einen anderen Post/Vortrag/Ausstellung aktualisiert?
Pfalz Derenburg, es fehlt mi ein gesicherter Lageplan der Pfalz und der Vorburg