Jorikus Magnus – ein Karolinger Comic ohne Karolinger
Man stelle sich vor, jemand hätte die Idee einen Comic zu machen der das Thema „Die quellenkritische Rezeptions Karls des Großen in der Vita Einhards“ trägt.
Bescheuert?
Wahrscheinlich!
Die alten Zweifler, die Comics jeden Bildungscharakter absprechen, würden Amok laufen, ganz zu schweigen von Leuten wie mir die an Klamotten und Baustilen rumnörgeln würden.
Doch das es auch mit anderen Mitteln funktioniert haben mir Criva und Verhast, alias Chris Van Brussel und Stijn Verhaeghe, gezeigt. Man ersetzte Karl den Großen durch Jorikus den Großen und Einhard durch Magister Tweethert, die „Vita Caroli Magni“ durch die „Vita Joriki Magni“.
Und so erstrahlt dann Jorikus Magnus vom Cover des ersten Bandes der Trilogie zwar als Karikatur , aber dennoch als wahrscheinlich beste Personifizierung Karls des Großen die ich je sah.
Im Stile der alten flämischer Meister ins Halbdunkel getaucht, mit feistem Hals und Doppelkinn, dem typischen fränkischen Bart und dichten grauen Augenbrauen,grimmiger Blick, leicht von oben herab, das Gesicht vom Wetter zerfurcht und auf dem etwas zu kleinen Schädel ein schmaler goldener Kronreif mit rotem Stein, so prangt der stolze Jorikus Magnus auf Cover des ersten Bandes „het Verdrag“ (Der Vertrag). Auf ihn scheint die Karlsbeschreibung Einhards perfekt zu passen.
Jorik ist kein aalglatter Herrscher, kein König in strahlender Rüstung. Er ist ein Machtmensch, ein Opportunist wie er im Buche steht. Seine Siege sind hinterlistig, erst sein Biograph Tweethard macht ihn zu dem strahlenden Herrscher an den man sich erinnern wird.
Der erste, 2011 erschienene Band, im Übrigen der Erstling der Beiden, befasst sich mit dem Sieg Joriks, König von Euren über die Falen. Wer nun bei Euren an Europa denkt liegt nicht ganz verkehrt. Euren ist das fränkische Reich, das mit seiner enormen Ausdehnung an Europa erinnert. Die Falen sind die Sachsen. (Falen = niederländisch für Scheitern)
Und so tauchen immer wieder bekannte Gestalten der fränkischen Geschichte unter Decknamen auf. Das hat natürlich Vorteile. Der Comicfreund, dem der geschichtliche Background egal ist und der einfach nur mittelalterliche Fantasystory will, wird hier genauso bedient wie der Geschichtsfreund, der sich noch dazu einen Spaß beim Rätseln über die Figuren machen kann und andere Blickwinkel aufgezeigt bekommt.
Zeichnerisch orientiert sich “ Jorikus Magnus 1 Het Verdrag“ an der klassischen „Ligne claire“ des franco-belgischen Comics, wobei durchaus sichtbar ist das erste Band das Debut der Beiden ist. Dennoch haben die dunklen, bedrohlichen Festungen, auch wenn sie romanisch und damit klar anachronistisch sind ihren Flair. Man merkt hier auch klar Crivas Herkunft als Architekt.

Panel aus Jorikus Magnus 2
(C) by Criva (Chris Van Brussel) und Verhast (Stijn Verhaeghe), mit freundlicher Genehmigung
Zur Zeit arbeiten Criva und Verhast am zweiten Band der Saga um den König Jorikus Magnus. Dieser wird ausschließlich in Jorviks Lieblingspfalz „Wateren“ spielen. Bei dem Namen ist natürlich wieder das Denken um die Ecke gefragt. „Wateren“, das erkennt man sogar ohne irgendwelche Kenntnisse des niederländischen/flämischen, hat was mit Wasser zu tun, Wasser ist auf althochdeutsch ahha und das wiederum ist die Basis für Aachen. Und so erstrahl die Pfalz Wateren als perfektes Idealbild der Aachener Pfalz mit allen nur denkbaren Schickanen. Und Criva zeigt diesesmal tatsächlich was da noch geht. Tolle Beleuchtungen, spektakuläre Perspektiven und eine Stimmung, die ihres gleichen sucht. Mitunter erscheinen die Backgrounds mehr wie gute Rekonstruktionen, als einem Comic entsprungen. Überall kann man Details entdecken und nicht zuletzt die Wandmalereien der Aula hab mir Tränen vor Lachen in die Augen getrieben.
Zudem versucht Criva nun in seinen Zeichnungen mehr Wert auf historische Korrektheit zu legen. Etwas das, wie ich finde bei einem Comic dieser Art nicht zwingend sein muss, aber nun auch nicht schaden kann.
Von der Story soll nicht zu viel verraten sein. Nur so viel: 10 Jahre nach dem Sieg über die Falen ist Jorikus auf dem Höhepunkt seiner Macht, gerade wurde er in Eternia (Eternia= die Ewige = Rom) zum Kaiser gekrönt und hält sich nun in seiner Lieblingspfalz auf. Hier wird er mit Mord, Verschwörung und Verrat konfrontiert.
Der Comic „Jorikus Magnus 1 Het Verdrag“ ist leider noch nicht in Deutschland, oder auf Deutsch erschienen. (Hallo Carlsen Verlag? Jemand zuhause?) Das Karls Jahr 2014 wäre aber eine gute Chance die Comics auch in Deutschland zu verlegen.
„Jorikus Magnus 1 Het Verdrag“ von Criva (Chris Van Brussel) und Verhast (Stijn Verhaeghe)
Erschienen bei Saga Uitgaven (http://sagauitgaven.be/)
Softcover ISBN 9789085521716
Hardcover vergriffen
Crivas Homepage: http://crivation.be
PS: Ich hätte noch ganz andere, vielleicht vielsagendere Bilder, posten können und dürfen. Ich wollte aber nicht, da sie einfach alle toll sind und ich auch einige Gags gar nicht vorweg nehmen will. Also nervt den Buchändler, den Comicdealer und die Verlage, vielleicht bekommt man die Comics ja ins Ostfränkische Reich 😉
Offenlegung: Ich habe Criva (Chris Van Brussel) bei einigen Fragen rund um die Karolinger und die Pfalz Aachen für den kommenden zweiten Band geholfen und erhalte dafür einen Comic als Dank. Auch kenne ich den Rahmen des zweiten Teils. Den Artikel schreibe ich allerdings aus purer Begeisterung für die Idee und das Projekt (sonst hätte ich auch gar nicht geholfen)
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