Über die Ukraine zum „Karolingerhelm“
Eigentlich hatte ich erwartet beim letzten Post über karolingische Helme in der Luft zerrissen zu werden. Stattdessen aber wird das Ding geliked und geteilt das es mich umhaut. Danke dafür! Ich gebe Euch hiermit eine neue Diskussionsgrundlage! Gerade hier bin ich über Meinungen interessiert, weil ich auf viele russische Quellen zurückgreifen musste und mit google translate arbeitete, zudem gibt es über die besprochenen Helme kaum verwertbare Quellen, weshalb vieles theoretisch bleibt und fehlerhaft sein kann. Umso mehr würde ich misch auf Meinungen freuen. Ansonsten empfiehlt es sich die karolingischen Helmabbildungen aus dem letzte Artikel in einem anderen Tab zur Hand zu haben um Bilder zu vergleichen. (Der Artikel ist hier)
Die Abbildungen karolingischer Helme zeigen oftmals die Helme mit einem geschwungenen unteren Rand, so dass die Helmform stark an einen frühen Schaller erinnert. Zwar wäre diese Form mit den schmiedetechnischen Fähigkeitendes frühen Mittelalters durchaus realisierbar. Sie wäre jedoch aufwendig und einen diesen Aufwand zu rechtfertigenden Schutz hätte nicht erreicht werden können. Zudem ist mir eine solche Konstruktion aus dem frühen Mittelalter in keiner Form bekannt. Dies lässt den Schluss zu, dass der Helm wie alle anderen Helme auch, einen runden Abschluss besaßen.
Im letzten Artikel zum Thema karolingischer Helm kam ich zum Schluß das der karolingische Helm ein Helm mit horizontal umlaufenden Band , sowie in von der Stirn in den Nacken laufende Spange besaß, die betont war und durchaus wie ein Kammhelm aussehen konnte. Der Helm sollte möglichst einen Nackenschutz aus Kettengeflecht besitzen, aber wahrscheinlich ohne Nasal sein.Auch deutete ich an, das es möglicherweise diese Helme im Fundgut gab, die allerdings nicht den Abbildungen zugeordnet wurden.
Mir war klar das es durchaus ähnliche Helme in der Völkerwanderungszeit gab, die Bandhelme, jedoch ist dessen Band viel zu breit. Ich stellte mich daher eigentlich auf eine lange und ergebnislose Suche ein. Um so verwunderter bin ich nun schon ein Ergebnis präsentieren zu können. Aber von Anfang an.
Zunächst stieß ich auf einen ostgotischen Spangenhelm, mit 4 Spangen1. Die Vier Spangen sind am unteren Ende jeweils mit einer Halbkugel verziert. Die Halbkugel taucht auch auf der Spitze der konischen Kalotte wieder auf. Nach den mir Vorliegenden Angaben von“ Peter Finner – Fine Antique Arms, Armour and related Objects “ wird er als Vorläufer des gleich folgenden Helmes gesehen.
Der Helm , der 2005 bei Hermann Historica für 10000€ aus der Sammlung Axel Gutmann versteigert wurde, ist ein Bandhelm der nach den Angaben auf das 5./6. Jahrhundert datiert2 und stammt aus Vid in Kroatien . Dieser Bandhelm zeigt schon grob die Richtung an in die sich die Helmentwicklung zu bewegen scheint. Die Bandhelme haben aber ein Grundsätzliches Problem. Sie sind kaum datierbar. Grob laufen sie vom 5. bis zum 7. Jahrhundert, woraufhin sich die wieder altbekannte Lücke bildet.
Beide Helme scheinen eine gewisse Zeit parallel existiert zu haben. Die zuverlässige Einschätzung zu diesen Helmen zu finden ist schwer. Eine gängige Meinung ist jedoch , dass der Spangenhelm mit seinen Verzierungen und Bronzeteilen eher repräsentativ war, im Gegensatz zum Bandhelm, der eine rein praktische Funktion für den Kampf hatte. Die geringere Fundzahl von Band- zu Spangenhelmen wird meist mit dem im Vergleich zur Bronze schneller korrodierten Eisen begründet.
Ich begann daher nach Helmen des 9. und 10. Jahrhunderts zu suchen und zwar dort wo die Franken nicht waren, aber Handels- oder aber Kriegsbeziehungen hatten. Die Suche nach Handels- oder Beutegut also.
Die Ukraine als Schlüssel?
Gnedzovo am Dnepr, unweit von Smolenks war während des gesamten 10. Jahrhunderts ein bedeutender Handelsplatz, davon Zeugen ca. 3000 (!) Grabhügel.3 Der Dnepr diente in Verbindung mit der Nördlichen Dwina und der Duna bereits seit der Vendelzeit als Handelsweg vom Baltikum zum schwarzen Meer. Das Fundgut von Gnedzova ist derartig Reichhaltig, dass man nur schwer zwischen Slawen und ursprünglich aus dem skandinavischenRaum stammende Personen unterscheiden kann. Mann geht aber von einer kleinen Skandinavischen Minderheit aus, die hier friedlich mit Slawen kooexistierte.4 So finden sich im Fundgut ein Petersen D im Borrestil verziert5 neben mährischen Kugelknöpfen und arabischen Münzen.
Der älteste Helm im Fundgut, Gnedzovo I6 , gefunden 1901 im Kirgan Nr. 18, unterscheidet sich klar von den restlichen, typischen slawischen Segmenthelmen („Rushelme“, byzantinische Helme etc.), er wird als „, konischer Helm ohne Nasal“ beschrieben und als Helm Typ 1 klassifiziert 7. Er besteht aus zwei Teilen die mittels eines Metallbandes und eng gesetzten Nieten von vorne nach hinten verbunden sind. Das Metallband ist in der Mitte leicht erhaben, ähnlich einem Kammhelm. Rundherum läuft ein weiteres Band mit Verzierungen an dem eine Befestigungsmöglichkeit für eine Kettenbrünne existiert. Reste der Kette sind im Inneren des Helmes erhalten. Kirpichnikov vergleicht ihn mit dem Nemia Helm8 , der jedoch aus einem Teil getrieben und dessen Stirnpartie reich verziert ist und somit eher Parallelen zum mit Nasal versehenen Helm von Jaroslaw II. zeigt9
Die Datierung von Gnedzovo I lässt Spekulationen zu. Kirpichnikov datiert das Begräbnis weit gefasst auf das 10. Jahrhundert, bzw. die 1. Hälfte des 10. Jahrhunderts. Die Datierung erfolgte anhand des stark fragmentierten Schwertes, welches als Wheeler Typ V erkannt wurde. Es ist aber derart stark beschädigt, dass es alles mögliche sein könnte. Weiterhin wurden im Grab eine Lanze sowie ein Langsax gefunden (kein Bild gefunden, daher keine Einordnung meinerseits möglich).
Die Spur führt nach Böhmen und Mähren
Dieser Fund allein, fern ab der Franken wäre, obwohl er optisch den Abbildungen karolingischer Helme ähnelt und auch die von mir gestellten Voraussetzungen trifft, noch kein Grund einen Zusammenhang zu sehen. Doch der Fund steht nicht alleine. Zwei weitere Helmfunde des selben Typs werfen ein vollkommen anderes Licht auf diesen Helmtyp.
Aus Prag stammen zwei sehr ähnliche Helme, um nicht zu sagen gleiche, deren Fundumstände im Jahr 1938 sich nicht mehr rekonstruieren lassen10 . David Nicholle gibt an die Stromovka Helme datieren ins 7. bis 8. Jahrhundert, seien slawischen oder germanischen Ursprungs. Ihre Konstruktion leite sich vom römischen Kammhelm ab, der hier mit dem Spangenhelm verschmelze. Weiterhin wird angenommen das das Nasal bei später hinzugefügt wurde.11 Auch der Katalog „Europas Mitte um 1000“ erwähnt die Helme12 (ohne Abbildung) im Zusammenhang mit dem Helm Hradsko (spitzkonisch, aus einem Stück) und schließt sich der Datierung Nicholles an, sieht aber den Nasenschutz als bereits beim Bau der Helme als existent an.
3 Helme, 2 Orte und 2 Datierungen
Nun haben wir 3 recht gleiche Helme aus 2 Orten und Datierungen die um ca. 300 Jahre differieren. Kirpichnikovs Datierung und Einordung orientiert sich am damals sowjetischen Fundgut. Er versucht den Helm Gnedzovo I in einen sinnvollen Kontext zu den sonstigen Funden der Region zu bringen und daraus eine Chronologie zu bilden. Die Stromovka Helme scheinen ihm unbekannt gewesen zu sein, möglicherweise auch, da sie erst seit den 80er Jahren ausgestellt wurden.
Nicholle hingegen datiert die Stromovka Helme wesentlich früher als Kirpichnikov den Gnezdovo Helm. Dies geschieht wohl aus dem Blickwinkel eine Herleitung für diesen Helmtyp zu finden, nämlich von römischen Kammhelm und dem Spangenhelm. Diese Andeutung wird klarer wenn man Nicholles Text aus“ Atilla and the Nomad Hordes“ aus der Populärwissenschaftlichen Osprey Elites Reihe betrachtet. Auf S. 58 versucht Nicholle einige Darstellungen von Awaren oder Bulgaren zu interpretieren. Die abgebildeten Helme sieht er als europäische Beutestücke und vergleicht sie mit den Stromovka Helmen.
Doch woher stammen die Helme nun?
Konstruktionsbedingte Hinweise
Im Gegensatz zu den späteren spitzkonischen Helmen der Rus und den byzantinischen Helmen allgemein sind die beiden Hälften der Helme nicht direkt miteinander vernietet, aber auf Stoß gearbeitet. Die Verbindung besteht über das darüberliegende Blech mit kammartiger Verzierung/ erhabener Mittelrippe. Die Helmkonstruktion gleicht damit den spätantiken Helmen wie denen vom Typ Berkasova.13 Erst mit dem Eisenhut, bzw. damit korrospondierende Formen wie dem Peshki Helm (alle 13. oder ab dem 13. Jahrhundert) treten optisch ähnliche Formen auf.
Die Befestigung der Helmbrünne, die in Teilen an allen Helmen erhalten ist, weist parallelen zum Coppergate Helm auf. Die Kettenringe wurden nicht einfach durch Löcher mit dem Eisen verbunden. Stattdessen wurde ein Bronzeblech mit rechteckigen Einschnitten versehen und u-förmig umgebogen. Dieses Blech wurde nun mit dem Helm vernietet. Durch die nach unten weisen Schlitze wurden nun die oberen Ringe des Geflechts eingeführt und durch den Hohlraum des Bleches mit einem Draht fixiert. Dies ermöglichte ein schnelles wechseln des Geflechts bei Beschädigung, setzte aber auch ein intaktes Geflecht in der Hinterhand vor raus. Der Draht wurde herausgezogen, das neue Geflecht platziert und der Draht wieder durchgesteckt, während das alte Geflecht wieder geflickt werden konnte. Der Helm war somit für einen effizienten Einsatz im Feld innerhalb einer ausgeklügelten Logistik ausgelegt.
Während die Konstruktion nach römischem Vorbild einen westliche als auch östlichen Ursprung zulässt, deutet die parallele zum Coppergate Helm mehr auf einen westlichen Ursprung hin.
Hinweise durch die Fundplätze
Der Fundplatz Gnezdovo lässt kaum Rückschlüsse auf den Entstehungsort des Helmes zu. Zu durchmischt ist das Fundgut. Alle Möglichkeiten von Beutegut, Handel aus Süden und Norden kämen hier zum Tragen.
Der Fundplatz der Anderen Helme selbst ist jedoch interessant. Der namens gebende Stromovka-Park liegt in einer Schleife der Moldau. Im 13. Jahrhundert wurde das Gebiet als herrschaftlicher Wildbann eingezäunt. Stromovka bedeutet Baumgarten, eine Aufgabe die das Gebiet wohl schon früher erfüllte. Er liegt auf dem Weg von Prag ins nahe Roztoky wo sich mit Levý Hradec ebenfalls eine Burganlage der Böhmen befand.
Die Liste der fränkischen Feldzüge in die Region Böhmen ist lang und beginnt mit Karl dem Großen, Ludwig der Deutsche liest 846 , 849 , 856, 869 usw. Feldzüge nach Böhmen durchführen. Karlmann schloss mit Böhmen nach schweren Kämpfen Frieden. Mit der Machtübernahme Sventopluks und der Einverleibung Böhmens ins Großmährische Reich kam es zu vermehrten Auseinandersetzungen mit Arnulf von Kärnten. Es gab aber auch immer wieder friedlichere Phasen in denen auch karolingische Stücke nach Böhmen gelangten sowie eine „Imitatio Imperii“ , eine Kopie fränkischer Handlungsweisen an den Tag gelegt wurde.14 Burgen der Mährer ähneln denen auf ostfränkischer Seite und in seiner größten Ausdehnung reichte Großmähren vom Bereich des heutigen Deutschlands bis in die heutige Ukraine (östlich Lemberg).
Mit dem Einfall der Ungarn endet das Reich Großmähren. Wobei auch Mährer nach Osten gedrängt, vertrieben wurden.
Fazit

Versuch der Darstellung der Helme im Fundgut, bzw. des „karolingischen Helmes“ (Helmbrünne nicht eingezeichnet)
Die Helme von Gnedzovo und Stromovka ähneln optischen den Helmen, die in karolingischen Handschriften zu sehen sind, vor allem aus der Kanonischen Bilderhandschrift und dem Stuttgarter Psalter. Aufbau und Fundort lassen einen westlichen, oder zumindest westlich inspirierten Herstellungsort vermuten. Wenn es sich nicht um Helme karolingischen Ursprungs handeln sollte, könnte es sich zumindest um Kopien solcher handeln.
Auch die Zeitstellungen der verschiedenen Helme (insgesamt vom 7. bis ins 10. Jahrhundert) würde mit der karolingischen Epoche korrespondieren.
Der Helm würde zudem in seinem Aufbau einen Mittelweg aus Spangen- und Bandhelm hin zum einteiligen Nasalhelm wie Wenzelshelm, oder Olmütz bieten. (Übrigens liegt Olmütz auch in Mähren, was aber in Fall nichts heißen will)
Hierzu möchte kurz den Benutzer eines russischen Forums zitieren (weiß leider nicht mehr wo) der anmerkte die enge Nietsetzung, die mehr Zierde als Zweck ist, erinnere ihn an den Versuch mit einfachsten Mitteln ein Granulierung zu imitieren, wobei bei einer prunkvolleren Ausführung durchaus auch andere Techniken (Pressbleche) möglich wären.
Ein weiterer Punkt, der mir aber eben erst auffiel, nachdem ich bereits mit dem Artikel fertig bin, ist das nicht Vorhandensein der Stirnpartie der Helme. Möglicherweise ist der Grund dafür durch eine rege Benutzung der Helme und damit verbundene Absonderung von Schweiß in der Stirnpartie die später eine Korrodierung verstärkte. Eine „Brille“ bzw. Augenauschnitt halte ich auf Grund des Nasals bei Stromovka II unwahrscheinlich.
Pär Hanson „TheRural Viking in Russia and Sweden“ 1997 ↩
Katherine Holman „Historical Dictionary of The Vikings“ S.102 ↩
Charlotte Hedenstierna-Jonson „Borre style metalwork in the material cul ture of the Birka warriors“ S. 313 ↩
Abbildung bei http://members.ozemail.com.au/~chrisandpeter/kirpichnikov_helmets/gallery/01_gnezdovo4.jpg ↩
Anatolij N. Kirpichnikov „Drevnerusskoe Oruzhie III: Dospech, Kompleks Boevych Sredstv IX-XIII vv“ 1971, online übersetzt hier ↩
Abbildung bei http://members.ozemail.com.au/~chrisandpeter/kirpichnikov_helmets/gallery/02_nemia3.jpg ↩
Bild Stromovka I und Stromovka II bei FreeImageHosting ↩
David Nicholle „Arms of the Umayyad Era“ in Yaakov Lev „War & Society in the Eastern Mediterranean 7th-15th century“ S.63 ↩
„Europas Mitte um 1000“ Katalog, S. 164 ↩
vgl. „Vom Prunkstück zum Altmetall“ ↩
„Die Macht des Silbers“ S. 170 ↩
Hat mir sehr gefallen und ich habe mich immer auf den nächsten Teil gefreut. Der Text schuf wirklich eine intensive…
Hi, ist schon länger her aber ich hab mich auch mal kurz damit beschäftigt. http://www.ffc1066.de/wp-content/uploads/2009/09/KG_Lager_V1.pdf Grüße der Uhl
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…
Ab heute mit Jahresangaben nach Holozän-Kalender? Ich finde das gut; überlege ebenfalls, den öfter zu verwenden. (Es wird das Jahr…