Gedanken zur „Grande Robe“
Dieses komische Stück Stoff lässt mich einfach nicht los. Und so habe ich mir meine Gedanken gemacht.
Mit Sicherheit wurde das Textil wie ein Klappenrock übereinander gelegt und wohl mit einem Gürtel verschlossen. Die am Kragen angenähten Keile sorgen dafür das es um Brustbereich ohne spalt schließt. Der Doppelt gelegte Stehkragen scheint relativ steif aufrecht gestanden zu haben
Zunächst habe ich die Bemaßung der „Grande Robe“ mit meiner Tunika und dem Kleid meiner besseren Hälfte verglichen. Das Kleid meiner Freundin, die wohl eine ähnliche Statur hat wie Balthilde sie wohl hatte, kommt mit einer Breite von ca. 45-50cm hin. Ich bin relativ breitschultrig und meine Tunika hat an den Schultern eine Breite von 75cm. (Von Ärmelnaht zu Ärmelnaht, also die Breite der Stoffbahn). Die „Grande Robe“ besitzt aber im Schulterbereich ein Breite von ca. 122cm!! Alleine die Stoffbahn hatte schon eine Breite von 85cm und dann noch mal 37cm für die Gere am Rücken.
Die Länge beträgt sensationelle 169 cm. Zum Vergleich ist das Kleid meiner Freundin ca. 145cm lang und reicht bis auf die Knöchel.
Selbst wenn die „Grande Robe“ wie ein Klappenrock über der Brust geschlossen wurde ist das eine ganze Menge Stoff. Um mir das einmal bildlich vor Augen zu führen habe ich die „Robe“ auf die Schnelle nachgenäht. Aber nur verkleinert und ein Knetmännchen hineingesteckt. Das Knetmännchen hätte eine Größe von 170cm gehabt und wäre darin absolut abgesoffen. Das Leinen war etwas steif aber die Hände hätten etwa bis zur Hälfte der Ärmel gereicht.
Weiterhin fiel mir der Zersetzungsgrad des Leinens auf. Bei Textilien aus Gräbern ist es in der Regel so, dass der Rücken vergangen ist. Das liegt daran, dass die mit Bakterien durchsetzten Flüssigkeiten des Zersetzungsprozesses er Schwerkraft nach unten folgen und an Stoffen natürlich erst die Rückenpartie auflösen können. Bei der „Grand Robe“ fehlt allerdings die (vom Träger aus gesehen) zentrale und rechte Brustpartie bis an den Fußsaum, sowie der rechte Teil des Kragens. Wäre es das Gewand einer Toten aus einem Grab hätte diese auf der rechten Brust liegen müssen. Unwahrscheinlich das das Gewand Teil einer Beisetzung war.
Das Original ist aus gebleichtem, feinen Leinen gefertigt. Also keinerlei Färbung, keine Wolle, kein Futter. Also relativ einfach, sieht man von fein und gebleicht ab.
Mein Gedanken waren dabei eine Art von „One-Fits-All“ Büsserkleid oder Taufkleid, aber die Erwachsenentaufe war im 9. Jahrhundert und später schon länger nicht mehr Standard. Auf jeden Fall würde ich auf einen Religiösen Kontext tippen. Vielleicht eine Art Überkleid unter dem man die prunkvolle Kleidung trug, aber nicht zeigte um seine Demut vor Gott zu beweisen.
Eine weitere Idee bekam ich als ich die Beschreibung der Erhebung der Gebeine 833 im Ausstellungskatalog „Königinnen der Merwoinger“ las. Man packte alle was in dem Sarkophag war feinsäuberlich in verschiedene Säckchen und kratzte wohl auch den Sarkophag aus damit ja keine Reste der heiligen Bathilde dort verblieben wären. Da kam mir die Idee eines „Laborkittels“, den eine Person bei der Entnahme der Gebeine über der normalen Kleidung trug. Bei Kontakt mit den Gebeinen und den Resten der heiligen wäre dieser Kittel selbst zur Kontaktreliquie und damit verehrungswürdig gewesen und landete nach Beendigung des Prozesses ebenfalls bei den anderen Stoffen. Die Vorderseite könnte Bakterien bei der Reinigung abbekommen haben und sich auf diese Weise noch ein zersetzt haben. War Ludwig der Fromme eigentlich genauso groß wie sein Vater?
Irgendwie so was. Hat da jemand vielleicht ne Idee?
Tatsächlich habe ich auch nur ein Kleidungstück gefunden, das vom Schnitt her ähnlich wäre. Einen persischen Kaftan aus dem späten 16. Jahrhundert…
Servus Markus,
deine Gedanken erinnern mich an das Büßergewand Maximilians, Ist zwar deutlich Zeitlich später, wir wissen aber das vorallem Klerikale Gewänder sich über die Jahrhunderte wenig änderten.
siehe hier http://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/1014292
Sinn ergäbe auch ein Schwangerschafts- bzw. Stillkleid. Das muss weit sein und sich öffnen lassen. Die damit und beim Auswaschen der Flecken entstehend Reibung würde auch zum Schadensbild passen.