Mit Terraplana in Ingelheim
Am Samstag war in Ingelheim nicht nur Rheinland-Pfalz Tag, zu dem es auch stündlich Führungen in der Pfalz Ingelheim gab, sondern es gab auch eine fast 3 stündige Sonderführung. Diese Sonderführung war von Biggi Schroeder von Terraplana organisiert worden und wurde von niemandem geringeren als Holger Grewe MA, dem Leiter der Forschungsstelle Ingelheim durchgeführt, der mich noch von unserem letzten Zusammentreffen in Trebur erkannte.
Der erste Gang für uns ins Pfalzmuseum zum Model der Anlage, wo Grewe als erstes zugeben musste, das eigentlich das Modell bereits wieder überholt sei. Plexiglasplatten an verschiedenen Stellen markierten bereits Änderungen. Es erfolgte eine Erläuterung der Antikenrezeption die die Anlage darstellt. In diesem Zuge erläueter er auch die Wasserleitung der Pfalz. Das Wasser, das durch die Leitung nach römischen Vorbild aus Heidesheim herangeführt wurde, musst für die Erbauer eine besondere Bedeutung gehabt haben, denn in Ingelheim selbst gab es genug Wasser, welches durch die geologischen Schichten in vor Ort zu Tage trat, so Grewe.
In diesem Zuge verwies er auch auf den Flurmnamen „Im Herstel“ , der möglicherweise auf den Lagerplatz des Heeres als „Heerstall“ verweist.
Die Frage nach einer möglichen Innenraumgestaltung der Pfalz beantwortete Grewe in dem er die Rekonstruktionsanimation über einen Beamer an die Wand werfen lies. Die stark an römische Vorbilder erinnernde Rekonstruktion war aus der Antikenrezeption abgeleitet aber vollkommen hypothetisch, wenn auch der Zentrale Brunnen eine symmetrische Anlage nahelegt. Eine Frage die mir auch auf den Lippen brannte, nahm mir Jörg Lotter ab. Die Frage ob der Rekonstruktionsfilm irgendwann als DVD erhältlich sei. Grewe sagte mit einem Augenzwinkern in 5 Jahren, was aber in Richtung „keine Ahnung“ gemeint war.
Auf die Frage ob man Räume oder Gebäudeteile bestimmten Funktionen zuweisen könne, musste Grewe zugeben das die Funktionen, selbstredend bis auf Aula und Triconchos, aus Mangel an Funden da bei früheren Grabungen vor der Einführung der Stratigraphie vieles unbekannt ist. So hatte man zwar aus dem Scheitelpunkt des Nordwestteils der Exedra Teile eines prachtvollen Bodens geborgen, kann aber dadurch auch nur ausschließen das sich hier Wirtschaftsräume befanden. In diesem Zusammenhang erwähnte er auch ein Symposium in Paderborn, welches sich mit der Thematik der symbolischen Handlungen in Pfalzen befasste und und welches relativ ergebnisneutral verlief da man einfach keine Räume oder Gebäudestrukturen (eben bis auf die Saalbauten) irgendwelchen Handlungen zuordnen konnte.
Als nächstes führte uns Holger Grewe zur Goldmünze Karls des Großen, die zur Zeit noch im Original zu sehen ist aber in nächster Zeit zur Austellung „Otto der Große und das römische Reich“ nach Magdeburg gebracht und durch ein Replikat ersetzt wird. Er erläuterte die Inschrift der Münze und die zwei Hauptströmungen die zum einen die Münze im Sinne der Antikenrezeption und des kaiserlichen Vorrechts der Goldmünzenprägung verstehen (hierzu tendiert auch Grewe) und zum Anderen die Strömung die die Münze als Gedenkmünze Ludwigs des Frommen an seinen Vater sieht.
Nun verließen wir das Museum und begaben uns zur nahen aula regia. Dort beschrieb er zunächst die bauliche Situation, die noch vor einigen Jahren herrschte bis sich die Stadt Ingelheim dazu entschloss den Grund der Aula zu erwerben und wie es letztendlich gelang die Aula als ganzes sichtbar zu machen. Dabei wies er auch auf die stehende Nordwand hin, die in Teilen als Rückwand der nördlichen Bebauung die Jahrhunderte überdauert hatte. Diese war in den 60ern (?) unsachgemäß mit einem breiten Betonputz ausgefugt worden. Bei diesem Vorgang hielt eine Architektin in einer Bauaufnahme mehrere Baufugen mit Sohlbänken in ihrem Befund fest. Heute ist davon durch den Putz nichts zu erkennen. Ihre angegebene Höhe von über 6m ergibt jedoch mit der rekonstruierbaren Höhe des Triumphbogens an der Apsis ein harmonisches Gesamtbild. Grewe hoffe das eine zeitlich nicht mehr ferne erneute Renovierung der Wand es ermöglicht die Sohlbänke wieder sichtbar zu machen.
Kurz führte uns der Weg in die ottonische Saalkirche, wo bereits für ein Orgelkonzert geprobt wurde und wir daher weiter gingen an die Ostseite der Kirche an deren Apsis wo Grewe kurz den staufischen Bauschmuck erläuterte um dann anschließend zum Triconchos und dem Setzbecken der Wasserleitung zu gehen. Hier wurde auch erwähnt das man das Setzbecken für Schwebstoffe früher als Karlsbad, wegen Karls Badeleidenschaft sah. Grewe fügte hierbei hinzu das eine Badeanlage bei dem Überfluss an Wasser in Ingelheim nicht ausgeschlossen ist.
Der Weg führte uns weiter nach zum Nordtrakt, aber aus dem Pfalzareal heraus auf einen Parkplatz. Hier war eine in den letzten Tagen abgeschlossene Grabung zu sehen. Bei den Grabungen konnte ein weiterer Altan an der Außenseite des Nordtraktes festgestellt werden, womit sich nun 4 Altane an der Nordseite finden. Grewe zeichnete das Bild einer Schaufassade die weithin sichtbar auf dem Ingelheimer Plateau über dem Rheintal thronte. Man könnte sich vorstellen das Ludwig der Fromme 826 hier auf einem der Altane stand und die Ankunft der dänischen Schiffe des König Harold auf dem Rhein beobachtete, sinnierte Grewe. Über ein Podest sollen in Zukunft die wieder sichtbar gemachten Mauern wieder einsehbar gemacht werden sollen.
Am Heidesheimer Tor erklärte Grewe das man nach Walter Sage lange Zeit hier eine 5-schiffige Halle vermutete und keine Hinweise für einen eigentlichen Torbau gab. Diesen 5-schiffigen Torbau wählte auch die in Ingelheim ansässige Firma Böhringer als ihr Logo. Erst mit der baulichen Veränderung am Heidesheimer Tor vor einigen Jahren ergab sich die Möglichkeit zu Grabungen. Ein statisches Gutachten, das besagte das eine am Heidesheimer Tor befindlicher Gewölbekeller zwingend für die Statik des Tores notwendig wäre und nicht abgerissen werden dürfe, hätte die Untersuchung fast verhindert. Erst ein Gegengutachten der Forschungstelle ermöglichte dann doch den Abriss des Kellers hinter dessen Wand dann auch tatsächlich die Baunaht der Tordurchfahrt zu erkennen war.
Hier ist auch noch der Wehrgraben zu erkennen, der die Anlage umgab. In Zukunft ist geplant hier eine Messlatte angebracht werden, die die ehemalige Tiefe verdeutlichen soll.
Im Inneren des Tores kamen wir langsam zum Abschluss. Grewe führte aus, dass die Grabungen und die Aufkäufe von Grundstücken trotz allem positiven Effekt für die Forschung langsam an ihr Ende kommen, denn auch die Anwohner haben mit der Zeit gelernt das man mit dem Verkauf der Grundstücke durchaus gutes Geld machen kann.
Zum Dank für die Führung erhielt Holger Grewe von Terraplana die Replik eines spätantiken Öllämpchens mit Christusmonogramm nach einem Fund aus Trier, welches von Terraplana gefertigt worden war.
Zum Abschluss ging ich noch einmal ins Museum und trank noch einen Kaffee. Auf Grund des Rheinland Pfalz Tages gab es dort auch kostenlos zwei verschiedene Postkarten mit Motiven der Pfalz als Linsenraster-Bild. Einmal eine Gesamtansicht des Areals bei dem sich das Bild der Pfalz ein und ausblendet und eine Bild der Aula das zwischen Rekonstruktion und jetzt zustand wechselt. Zu dem gab es noch kleine Samenpäckchen mit Samen nach dem Capitulare de villis.
Hier auch zum Bericht von Terraplana
Danke habs korrigiert. War wahrscheinlich der holozänische Revolutionskalender von Göbekli Tepe oder so ;-)
Leider doch nur ein Typo … Canossa war ja 11076 … Ich finde den Holozänkalender jedenfalls einer Überlegung wert. Grüße…
Ab heute mit Jahresangaben nach Holozän-Kalender? Ich finde das gut; überlege ebenfalls, den öfter zu verwenden. (Es wird das Jahr…
Großartig! Und deprimierend. Ich habe den Artikel von Google News vorgesetzt bekommen, und er war völlig in style. Vom letzten…
Cooler Gag. Aber ich lese immer bis zum Schluss un fang dann an zu recherchieren