Es kann nicht sein, was nicht sein darf
Eigentlich heist es ja, um korrekt zu sein, bei Christian Morgenstern
Und er kommt zu dem Ergebnis:
»Nur ein Traum war das Erlebnis.
Weil«, so schließt er messerscharf,
»nicht sein kann, was nicht sein darf!«
Gemünzt war das ganze bei Morgensterns „Palmström“ auf die typische (deutsche) Gesetzes- und Bürokratiegläubigkeit. Heute, so scheint es mir, taucht der Begriff meist mal im Zusammenhang mit der Archäologie und der Geschichtsschreibung auf. Es wird ganz gerne mal als Totschlagsargument der Paläo-Seti-Theroetiker oder Chronologiekritiker verwendet.
Für mich zeugt der Satz in diesem Zusammenhang nur davon, das viele Leute gar nicht wissen, wie Archäologie, oder die Arbeit des Historikers aussieht!
Ich möchte das mal zunächst an der „Inschrift von Parahyba“ erleutern, denn die wird immer mal wieder aufgeführt um eine Anwesenheit Phönizier in Südamerika zu belegen.
1873 wurde an der Ostküste Brasiliens eine Steintafel entdeckt, auf der sich in Phönizisch ein Text befand, der erläuterte das eine phönizische Seehfahrergruppe nach der Umrundung Afrikas ihre Begleitung verlor und schließlich hier anlandete. Soweit so gut.
Die original Tafel ist nicht erhalten, was die Sache schon mal verkompliziert.
Die Wissenschaft sagt nun (fast einstimmig) das es sich um eine Fälschung handelt. Die Kritiker werfen vor, man handele nach der Maxime „Es kann nicht sein, was nicht sein darf“
Schaut man sich aber die Zusammenhänge in der Auffindungszeit an, so stellt man fest, das damals ein ganzer Haufen gefälschter Münzen und Tafeln auftauchte. Der Wissenschaftler muss nun nach der Quellenprüfung davon ausgehen, da die Parahyba-Tafel fehlt und sich sämtliche anderen Hinweise als Fälschung herrausstellten, dass diese Tafel auch ein Fälschung war.
Ein vielleicht greifbares Beispiel kann ich vielleicht Trebur verwenden.
Jemand stellt sich hin und sagt die Römer waren über all rund um Trebur, dann müssen sie auch in Trebur gewesen sein. Basta.
Da der Archäologe kein Mathematiker ist, wird er von Wahrscheinlichkeiten recht wenig halten und den Begriff „muss“ schon mal ganz ausschließen. Er wird nach den Funden fragen, aber bis auf einige Keramikscherben kennt man nichts. Die bedeuten aber nicht das dort eine Siedlung war, es gibt ja auch Leute die ihre Cola-Dose auf der Autobahnausfahrt aus dem Fenster werfen und ein Fund der Dose deutet auch nicht darauf hin das hier vor einer Woche noch eine Tanke stand.
Er ist also zunächst darauf angewiesen einen handfesten Beweis zu haben.
Der Kritiker könnte nun sagen: „Dann Grab doch, dafür bist du ja da!“ Der Archäologe hat aber gar keinen Anhaltspunkt wo er graben soll. Wenn er nun aufs gerade Wohl losbuddelt und nun rein garnichts finden würde, dann macht er sowas nicht oft. Das hängt nicht damit zusammen, das er seine Reputation aufs Spiel setzt weil er einem losen Verdacht nachgegangen wäre, sondern weil er ganz simpel Geld aus dem Fenster geschmissen hat!
Im Fall Trebur kann er zwar nach der Entdeckung des Lagers Wallerstädten darüber nachdenken ob in Trebur eine Brückenanlage bestand, er darf aber diese Hypothese nicht als fix ansehen, denn sonst müsste ich an viel Orten Hypothesen als Gegeben annehemen und er bräuchte eigentlich garnichts mehr zu machen, weil er es ja nicht beweisen müsste. Und das ist Glauben und nicht Wissenschaft.
Gleichzeitig wirft der Spruch „es kann nicht sein, was nicht sein darf“ ein Licht auf die Archäologie als wollte sie vertuschen. Im Sinn von: „es könnte ja Arbeit machen, weil die Geschichtsschreibung umgeschrieben werden müsste“. Das halte ich ich nun für absoluten Blödsinn!
Bis vor kurzem gab es eine perfekte Theorie wie sich die Römer hier im hessischen Ried ausgebreitet haben. Über Mainz nach Groß Gerau nach Dieburg. Das nun Wallerstädten da noch reinkommt, wirft zwar einiges über den Haufen, aber ich glaube nicht das Dr.Maurer nun gedacht hat, sein Weltbild bricht zusammen. Im Gegenteil, sowas ist eine Entdeckung!
Und wenn Archäologen in Brasilien eine phönizische Siedlung finden würden, würden sie garantiert auch jubeln! Bringt ja auch Geld sowas!
„Jemand stellt sich hin und sagt die Römer waren über all rund um Trebur, dann müssen sie auch in Trebur gewesen sein. Basta.“
Nun ja, so verfährt man aber doch auch im Living-History-Bereich.
ZB: Utensiel oder Kleidungsstück XY gabs, archäologischen Erkenntnissen entsprechend, VOR einem bestimmten Jahrhundert und NACH einem bestimmten Jahrhundert – ergo müsse es auch, trotz nicht vorhandener Belege, in der DAZWISCHEN liegenden Zeit existiert haben.
„Bis vor kurzem gab es eine perfekte Theorie wie sich die Römer hier im hessischen Ried ausgebreitet haben. Über Mainz nach Groß Gerau nach Dieburg“
Das stand nicht zufällig auch in diesem beliebten Buch von Baatz?
http://www.amazon.de/Die-R%C3%B6mer-Hessen-Dietwulf-Baatz/dp/3933203589/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1331714173&sr=8-1
„…vertuschen. Im Sinn von: “es könnte ja Arbeit machen, weil die Geschichtsschreibung umgeschrieben werden müsste”. Das halte ich ich nun für absoluten Blödsinn!“
Ich bin sehr skeptisch, was ein grundsätzliches Vertrauen in die Moral der Archäologen und Historiker betrifft. Außer auf Beerdigungen, bei Gerichtsverhandlungen und Benchmark-Tests von Grafikkartenherstellern, wird man wohl nirgendwo mit so vielen Lügen konfrontiert, wie in Geschichtsbüchern 😉
Sorry, das ich erst jetzt zum Antworten komme… Asche auf mein Haupt
Das mit dem LH Bereich machen einige so, aber nicht alle. Ich hab da auch so meine Schwierigkeiten mit und versuche das zu begründen , jedoch nicht mit dem vorher-nachher. Siehe die Sache mit dem saxartigen Messer,. Aber du hast schon Recht.
Das steht wahrscheinlich auch bei Baatz, der ist ja auch schon ne Nummer älter 😉
Auch beim letzten hast du natürlich Recht, das betrifft , denke ich auch die Frage der Quellenkritik. Stichwort „Geschichte wird von Siegern geschrieben“, das wollte ich hier aber nicht so ausbreiten sondern mich der Quellenkritik als solches mal gediegen widmen, weils eigentlich ein interessantes Thema ist.
Im Grunde gings mir darum, das der Satz „Es kann nicht…“ so ein bisschen Godwins Law in einer Geschichtsdiskussion ist. Hab ich zumindest schon mal live erlebt.