Architekturfantasien
Der folgende Post entstand als Resteverwertung, aber ich wollte das Bild zumindest mal gezeigt haben…
Nein, das dort oben ist keine Jugendfantasie meinerseits nach Herr der Ringe und beinahe hätte mich das Bild in die Irre geführt, denn ich hielt es zunächst für eine Architekturfantasie eines jungen Ernst Ludwig von Hessen. Einen Dr. Schürmann ist, dem das Bild gewidmet ist , fand ich in Ernst Ludwigs Biographie nicht, dafür aber einen Herrn Pfarrer Klein, von dem ich dachte es sollte sich um den Kirchenrat Paul Klein (1871-1957) handeln. Ein Freund der Familie der auch beim Tode Ernst Ludwigs eine Ansprache hielt.
Golo Mann schrieb über die Ergüsse des Großherzogs „lauter grauenvolle Ungetüme mit witzig-pseudolateinischen und deutschen Namen; eine unerschöpfliche Fülle an Gestalten, jede ganz eigene Art, grotesk und bunt, abstoßend. Ein sehr begabter Mensch hat das gemacht, aber aus tief verbitterter Phantasie, in erzwungenem Müßiggang.“
Das Zitat bezieht sich zwar nicht auf die Architekturzeichnungen, sondern wohl auf Zeichnungen von „Figuren, die er für seine Kinder gezeichnet hatte, könnte aber auch auf die Architekturzeichnungen zutreffen. Und so dachte ich es stammte von ihm, auch wenn mir die schrägen Perspektiven zu denken gaben. Aber dann machte mich etwas stutzig: Der Vermerk unter dem Bild: „Baupläne des Hessischen Landesvaters für den künftigen Kirchenstaat Königreich Hessen“. Nun weiß ich das Hessen gerne Königreich geworden wäre. Eine Sache die Napoleon mal in Aussicht stellte, aber Kirchenstaat und Königreich? Irgendetwas stimmte hier nicht!
Also begab ich mich noch einmal dorthin, wo der Druck an der Wand hing und sah mir das ganze noch einmal an. Klein, hellgrau auf weiß, fand ich den Vermerk das sich das Original in der Prinzhorn-Sammlung in Heidelberg befindet. Was sich im ersten Moment so unverfänglich anhört klärt die Situation auf. Hans Prinzhorn war nicht nur Kunstgeschichtler, sondern auch Arzt der Psychiatrie in Heidelberg! Auf der Suche nach “ authentischer Kunst“ stieß er auf „Kunst der Geisteskranken“ und sammelte diese. Die Bilder der Sammlung stammen aus der Zeit von 1880 bis 1920. Leider konnte ich diese Bild nicht datieren, was interessant gewesen wäre. Doch schlussendlich konnte ich den Künstler und Zeit identifizieren.
Unter Kulturexpress.de fand ich eine Information über eine Austellung, in der auch dieses Bild präsentiert wurde:
Konrad Zeuner ist der zeitlichste am frühesten angesiedelte Künstler. Er wurde im Jahre 1841 in Hanau geboren, durchlebte also große Teile des 19.Jahrhunderts. Seine penibel ausgearbeiteten Stadtansichten ähneln denen van Genks. Sind langgestreckte Tafeln. Eine davon bringt es auf 191,5 cm Breite bei einer Höhe von 21 cm.
Eine andere Arbeit trägt den ungewöhnlichen Titel „Baupläne des hessischen Landes-Vaters für den künftigen Kirchenstaat Königreich Hessen 1900-2000-3000, entstanden um 1895-1900, Bleistift, Feder, Pinsel, Kreide auf Papier, Sammlung Prinzhorn, Heidelberg. Hier wird so etwas wie die Verherrlichung des Landes Hessen geboten, was damals durchaus vor der Frage stand eigenstaatliche Interessen zu verwirklichen.
Zumindest kann man bei Zeuner erkennen das er vom Jugendstil noch entfernt ist und sich dem Historismus in seiner Zeichnung zugewandt hat. Die Kirche hat Anleihen an der Neogotik, während der Bau rechts irgendwo zwischen Renaissance und Klassizismus pendelt.
Was steht da auf der Insel hinten geschrieben? Kann ich nicht lesen.
Erinnert mich ein bisschen an die Zeichnungen aus dem Voynich-Manuskript und „Kirchenstaat Königreich Hessen“ ist ne staatstheoretisch reichlich absurde Bezeichnung ;-). Was der Kulturexpress da schreibt, ist aber meiner Ansicht nach eine fehlerhafte Einordnung. Wenn das Bild 1895-1900 kann man schon lange nicht mehr von eigenstaatliche Interessen oder gar ein eigenes Königreich ausgehen. Und überhaupt: welches Hessen? Wenn Zeuner in Hanau geboren ist, wohl eher Kurhessen. Und damit in der Zeit faktisch Preußen.
Ich kann an dieser Stelle auch nur links „Moses“ lesen, der rechte Teil ist zu hell. Mich hat die ganze Zeichnung und auch das sich Zeuner wohl selbst als „hessischen Landesvater“ sieht irgendwie an einen österreichischen Postkartenmaler erinnert…