Trebur in den 870ern unter Ludwig dem Deutschen I
In den 870er Jahren ist das fränkische Ostreich eine etablierte und gefestigte Größe. Während das das Westreich immer stärker unter die Bedrängnis aus dem Norden gerät, 845, 858, 861 und 869 wird Paris immer wieder von Raubzügen der „Nordmänner“ heimgesucht, kommt das Ostreich noch recht glimpflich davon. Die Bedrohung kommt hier aus dem Osten, durch immer wieder aufkeimende Aufstände der Mähren und Bulgaren.
869 stirbt Lothar II. ohne legitimen Erben. Das Mittelreich Lotharingien ist ohne Führung. Bereits 867 war in Sankt Arnulf in Metz die Modalitäten für diesen Fall zwischen Ludwig dem Deutschen und Karl dem Kahlen erörtert worden, über den sich Karl der Kahle jedoch hinweg setzt. Da Ludwig der Deutsche wegen einer Krankheit gezwungen ist in Regensburg zu bleiben, kann er nicht handeln. Karl lässt sich am 9.9.869 in Metz zum König Lotharingiens krönen, setzt in Trier und Köln neue Erzbischöfe ein und heiratet Anfang 870 in Aachen seine zweite Frau Richhilde (Schieffer , Die Karolinger , S162) und verbündet sich in Nimwegen mit dem Normannen Rorich. Hier erreichen ihn die ersten Boten Ludwigs des Deutschen
Am 6. März 870 einigt man sich schließlich in Aachen mittels Boten gütlich über eine Einigung, die im August 870 als „Vertrag von Meersen“ unterzeichnet wird und in der Ludwig das Gebiet östlich der Maas, oberer Mosel und Saône, mit Metz und Aachen erhält.
Seit 849 ist kein König mehr in Trebur nachweisbar gewesen. Dies verwundert den häufig wird das Gebiet durchquert und auch ausgebaut. Im Juni 852 ist Ludwig der Deutsche Gernsheim, im Mai 854 zieht er von Frankfurt nach Ulm und hält sich möglicherweise von Oktober 855 bis Juni 856 in Frankfurt auf und reist wieder nach Ulm, im August 856 reist Ludwig von Frankfurt nach Straßburg, im März 857 ist er in Worms. Im kommenden Jahr zieht er im März 858 von Ulm kommend nach Frankfurt und im Juli 858 von Frankfurt nach Worms. Mai Juni 859 reist Ludwig von Frankfurt nach Worms, im Juli 861 von Bürstadt nach Frankfurt und 866 ist Ludwig mehrfach zwischen Frankfurt und Worms unterwegs. In Frankfurt entsteht bis 855 die Salvatorkapelle und von Bauarbeiten in Lorsch ist auszugehen und wahrscheinlich entstand auch der Vorgänger der Laurentiuskirche in dieser Zeit.
Die erste Beurkundung in Trebur erfolgt dann wieder am 12. April 870, einen knappen Monat nach dem die Boten Ludwig dem Deutsche die Einigung von Aachen in Frankfurt übermittelt haben. Die in Trebur unterzeichnete Urkunde ist in direkten Zusammenhang mit der Einigung aufzufassen, denn es handelt sich um eine Bestätigung von Besitzungen des Kloster Prüm, das sich bis zur Einigung in dem durch Karl den Kahlen besetzten Gebiet (südl. von Aachen) befand, selbst wenn es sich bei dem in der Bestätigung behandelten Gebiet um Ländereien im klassischen Ostreich handelt. Die Urkunde wurde wahrscheinlich bereits in Frankfurt erarbeitet um dann, auf dem Weg nach Süden, in Trebur unterzeichnet zu werden. Ihr Schreiber ist Hebarhard.
In Trebur hielt sich Ludwig aber nicht lange auf, sondern zog weiter nach Bürstadt, wo er ab dem 1. Mai nachweisbar ist und mindestens bis zum 15. Mai anwesend ist, da er hier das Pfingsfest am 14. Mai feiert. (Es ist aber anzunehmen das er in Bürstadt nur lagerte und das kirchliche Pfingstfest direkt im wenige Kilometer entfernten Kloster Lorsch feierte)
An Pfingsten 870 (siehe oben) konnte Herzog Rastislaw von Mähren durch dessen Neffen Zuentibald gefangen genommen werden, der den Sohn Ludwigs und Unterkönig von Baiern , Karlmann, hatte töten wollen. Karlmann gelingt es daraufhin in Mähren ohne Widerstand einzuziehen und seine eigenen Leute einzusetzen, womit der Aufstand aus dem Herzogtum Mähren vermeintlich beendet ist, was Ludwig den Deutschen sehr erfreut haben sollte.
Im Juli 870, auf dem Weg nach Meersen zur Vertragsunterzeichnung, bricht Ludwig der Deutsche in Flamersheim durch die morschen Balken des Söllers seines Hofes, wird unter den Trümmern begraben und bricht sich zwei Rippen, setzt aber am nächsten Tag dir Reise wegen ihrer Wichtigkeit fort.
Anfang 871 empören sich die jüngeren Söhne Ludwigs des Deutschen, Ludwig III. und Karl III. (der Dicke) die bei der Reichsteilung 865 Franken , Sachsen, Thüringen und nun auch Lotharingien (Ludwig III.) bzw. Alamannien (Karl III.) zugewiesen bekamen, über die vermeintliche Bevorzugung Karlmanns, die durch seine Mutter Hemma erfolgt sei und sammeln Heere und besetzten den Speyergau. ( Ann. Fuld., ergänzend Ann. Bert. (Hincm.) Der knapp 65 Jahre alte Ludwig der Deutsche muss sich nun um die innere Konsolidierung des Ostreiches bemühen.
Ab Anfang Februar kommt es zu erste Verhandlungen in Frankfurt. Es wird ein Waffenstillstand ausgehandelt und für Mai ein Reichstag in Trebur vereinbart. Während sich die Söhne auf die ihnen zugewiesen, aber nicht genannte Orte zurückziehen, spitzt sich die Lage in Mähren wieder zu: Zuentibalb erhebt sich in Mähren gegen Karlmann, wird von diesem eingegerkert, von seinen Gefolgsleuten für tot gehalten. Diese zwingen den Priester Sclagamar, ein Verwandter Zuentibals, die Herzogswürde zu übernehemen und gegen die von Karlmanns Leuten besetzten Städte zu ziehen, was jedoch erfolglos bleibt. (Ann. Fuld.)
Das die Wahl für den Reichstag auf Trebur fällt ist unter verschiedenen Gesichtspunkten zu sehen. Zum einen liegt Trebur zwischen Frankfurt als momentaner Residenz Ludwigs des Deutschen und dem Speyergau, Trebur besaß wahrscheinlich neue Gebäude und große Freiflächen zur Unterbringung der verschiedenen Heere, die wie bei den Verhandlungen zum Vertrag von Verdun 842 in St. Kastor in Koblenz räumlich getrennt werden konnten. In Koblenz geschah diese Trennung durch den Zusammenfluss von Rhein und Mosel, in Trebur möglicher Weise durch die verschiedenen Wasserläufe um Trebur herum.
Das Treffen in Trebur verläuft jedoch nicht wie geplant. Ludwig der Deutsche lässt einen sächsischen Vasallen des Grafen Heinrich wegen eines unbekannten Vergehens blenden. Da die Betroffenen aus dem Lager der Söhne stammen, fassen diese die Bestrafung als Bruch des Waffenstillstandes auf und erscheinen nicht in Trebur.
Ludwig der Deutsche hält sich während dieser Vorgänge von Mai bis min. 15. Juni in Trebur auf. Aus dieser Zeit sind 3 Urkunden überliefert von denen auszugehen ist, das sie nicht nur in Trebur unterzeichnet, sondern auch ausgearbeitet wurden. Die in der Arenga der Urkunden aufgeführten Personen sind hochrangige Kleriker, deren persönlicher Aufenthalt anzunehmen ist. Die Verhandlungen über eine mögliche Veränderung der Reichsteilung von 865 hatte ihre Anwesenheit erfordert , da die Äbte und Bischöfe direkt betroffen waren und zumal als Notare für die verschiedenen Teilreiche fungierten. In den Urkunden werden Bischof Liuthard von Paderborn, Bischof Adventius von Metz und Abt Sigahard von Fulda genannt. Zumindest in letzter Urkunde ist wieder Hebarhardus als Kanzelarius sicher. Bei den beiden ersten Urkunden wird Trebur als Triburias palatio regia genannt, in der Letzteren nur als Triburias
Eine solche Zusammenstellung der Ereignisse im Leben Ludwigs macht ja sehr deutlich wie anstrengend dieses Königs-Leben war: Ständig brechen selbst Verwandte die Vereinbarungen und man muß nicht nur schlichten, sondern selbst hinreisen: Kälte, Krankheit, Gefahren, drohender Kampf. Und als 64jähriger durch einen morschen Balken zu brechen und trotzdem weiter zu reiten wird wohl auch nicht seine Wunschlösung gewesen.
Morsch scheinen nicht nur die Balken, sondern auch die tragenden Familienstrukturen zu sein. Wenn die Söhne mit Heeren gegen ihre Halbbrüder ziehen, ist das für den Vater sicher auch schmerzlich. Vielleicht liebte er allmählich die größere Bequemlichkeit der größeren „Städte“?
Bisher habe ich Könige oft etwas bewundert, bei dieser geschickten Zusammenstellung aber bekomme ich etwas Mitleid mit der Sisyphos-Arbeit des Königs und dem ständigen Unfrieden. Was war er wohl für ein Mensch?
Ursprünglich wollte ich bei diesen Posts, ist ja eine ganze Serie, die Informationen hauptsächlich auf die Treburer Urkunden und deren Zusammenhänge beschränken. Leider ist es so, dass einige Zusammenhänge viel weitere Kreise ziehen,. So werden die Mähren noch bei Arnulf eine entscheidende Rolle in Trebur spielen. Der übernächste Post in der Serie ist fast genauso lang, enthält aber nur einen Aufenthalt, aber das Drumherum ist entscheidend…
Nach dem „Durchbruch“ und dem „Durchbruch“ bei der Vertragsunterzeichnung hat er sich auch erst mal ne Auszeit gegönnt. Aber tatsächlich konnten sich die Herrscher nur schwer ein Krankheit leisten und wenn sich eine schwere Krankheit abzeichnet ist es oft der Anfang vom Ende, was wir noch bei Ludwigs Söhnen sehen werden.
Ich halte sie für physisch sehr Robust , gute Ernährung, jedoch mit den üblichen Krankheiten die ein Leben im Sattel mit sich bringt. Psychisch half ihnen wohl ein immenses Gottvertrauen (und ein Ego so groß wie das Reich selbst 😉 )
Ja, man ist geneigt ihm ein riesiges Ego zuzuschreiben und den eigenen Neid damit etwas zu binden: Unter dem Gewicht seines Egos sind die Balken gebrochen. Allerdings sind wir heute leicht geneigt, Eliten herabzuwürdigen – so schreibt auch Bischof Huber:
http://www.zeit.de/2011/42/P-Elite
Deshalb finde ich die Bemerkung mit dem immensem Gottvertrauen wichtig. Sie ist der Versuch den Menschen zu sehen und nicht nur die Pathologie. Allerdings heißt es auch: Könnte man alle Narzißten aus Führungspositionen entfernen und könnte man sie nur mit Menschen besetzen, die wenig narzißtische Seiten haben, dann wäre trotzdem in zwei Jahren wieder alles beim Alten, denn Führer werden so idealisiert, bewundert (und gehaßt, beneidet), daß deren Ego riesig wächst. Vielleicht hält die Bescheidenheit gegenüber Gott diese Entwicklung etwas auf. Jedenfalls sollen die römischen Feldherren auf ihren Triumphzügen durch Rom jemanden hinter sich stehen gehabt haben, der ihnen immer wieder zurief: Bedenke du bist nur ein Mensch!
Das Gottvertrauen ist vielleicht sogar einer der wichtigsten Aspekte. Dr. Busch bezeichnete den Glauben als Triebfeder für die karolingische Renaissance. Die Könige waren alle samt Verteidiger des (wahren) Glaubens, in ihrer Stellung noch vor dem Papst in Rom, der ja „nur“ ein bedeutender Metropolit in der Nachfolge des Petrus war. Alles Andere kam erst später.
Ich merke gerade wieder das bei dieser Wandlung der Stellung der Kirche Trebur mindesten 2 mal eine entscheidende Rolle spielte…