Saxtheorien zur Karolingerzeit und anderes
Für meine Schwertgurtexperimente zum karolingischen Wehrgehänge habe ich mich entschlossen mir erstmal keine Replik eines Kleeblattverteilers zu organisieren, sondern auf den Rat eines Freundes hören, der mir riet erstmal irgendein Blech zu nehmen bevor man die Replik verhunzt..
Ganz nebenbei habe ich auch ein bisschen gestöbert. Dabei bin ich auf der Seite von „tschechischen Franken“ gelandet. Das schöne hier ist, das die Jungs einige Bilder von den Rückseiten der Beschläge haben (wo auch immer die her sind). Es ist der Beschlag aus Lothringer Wekstatt der in sämtlichen Karolinger Katalogen und auch im Katalog von „Europas Mitte um 1000“ zu sehen ist und den ich schon „live“ in Kopenhagen gesehen habe.
Das Internet wäre nicht das Internet wenn man nicht vom Hundertsten zum Tausendsten hangeln würde. Und so erregte die Abbildung einer Handschrift mein Interesse. Und zwar der Codex Lat. 8085 aus Reims der sich in Paris befindet. Eine eher unbekannte Version der Psychomachia des Prudentius aus dem 9. Jahrhundert. (Hier das Digitalisat)Und hier war es dann Folio 57 das mein Interesse erweckte. Die Darstellung stammt aus der Mitte des 9. Jahrhunderts und ist damit in die selbe Zeit verortet wie die Vivian Bibel, aus der wir ähnliche, meist als „königliche Leibgarde“ bezeichnete Gestalten kennen. Nun wollte ich aber wissen was es mit diesem saxartigen Messer in der Linken auf sich hat.
Vielleicht kennt man ja die Darstellung des Stuttgarter Psalters auf Folio27r, wo die Soldaten das Kleid Jesu zerteilen wollen oder Folio 140r bei der ein Mann mit verdächtig langem Messer ein Pergament zerteilt. Aber bei Beiden könnte es ein einfaches Messer sein. Nun ist bekannt das Karl der Große in Kapitularium fordert, das die Reiterei ein spata und ein semispata besitzen soll. Semispata wird in der Regel recht vorsichtig und etwas verwirrend mit Hirschfänger übersetzt. Simon Coupland geht davon aus das das semispata nach 800 langsam verschwunden sei und es sich dabei um ein Sax, genauer ein Langsax handele.
Um mehr zu erfahren las ich mich ein wenig in die Psychomachia ein. Die Darstellung zeigt allegorisch die Tugend der Keuschheit, die gegen die Wollust kämpft. Diese steht halbnackt daneben mit einer Fackel bewaffnet. Der Text, ich habe versucht ihn sinngemäß aus dem Englischen zu übersetzen, lautet:
(…)Nahe in der grasigen Ebene, bereit zum Kampf, steht die Jungfrau Keuschheit und glänzt in schöner Rüstung, der, gegürtet mit ihrer natürlichen Fackel, die Wollust (Sodomita Libido), gegenüber tritt, mit einer Fackel aus brennendem Schwefel und versucht sie in ihr Gesicht und Augen zu stoßen und bemüht sich diese mit fauligem Rauch zu füllen, aber trotz der flammenden Furie mit ihrer flammenden Waffe der Hure (eigentlich Wölfin) in der Rechten, stoßt die unerschrockene Jungfrau mit einem Stein die Fackel weg von ihrem heiligen Gesicht (…)
Was gemerkt? Es kommt weder ein Messer vor, noch ist auf dem Bild ein Stein zu sehen! Das Schwert in der Rechten ist Bestandteil des Komplexes der „glänzenden Rüstung“, der Maler der Szene griff dabei auf die glänzendste Form der Rüstung zurück die er kannte, und die ohne Schwert für ihn keinen Sinn gemacht hätte. Aber was ist mit dem Messser? Dazu schauen wir uns den Vers in dem das Wort „Stein“ vorkommt mal im Original an:
tela lupae saxo ferit inperterrita uirgo,
Wenn man das wörtlich übersetzt ( sorry mein Latein ist nicht sonderlich heldenhaft) erhält man : (flammende) Waffen ( der) Wölfin, (mit) Stein schlägt unerschrockene Jungfrau (zurück). (nicht schöne, aber seltene Übersetzung)
Aber vielleicht habt ihr schon die zwei Wörter in der obigen Zeile gesehen „saxo ferit“, stünde da „Sax ferrit“ oder „ferrum“ oder so ähnlich, hätte man ein eisernes Sax!
Was war also passiert? Der Herr der für die Bebilderung der Handschrift zuständig war, war wahrscheinlich des Lateins nicht sonderlich gut mächtig und malte das was er verstand. Eine bewaffnete Person in feiner Rüstung mit einem Sax in der Hand. Ganz ähnliche Fehler in Übersetzungen sind in der Kunstgeschichte schon häufiger vorgekommen, ich erinnere nur an den Moses von Michelangelo mit Hörnern!
So, jetzt haben wir zumindest mal geklärt das da ein Sax zu sehen ist und warum da ein Sax zu sehen ist. Bleibt aber noch eine andere Frage. Unser Künstler befand sich im Westen des fränkischen Reiches, je nach Zeit schon im Westfranken Reich, weit entfernt von Gegenden wie Paderborn, wo vielleicht noch Opa im hintersten Winkel mit seinem alten Sax rumlief und Geschichten von einem gewissen Widukind erzählte, sonst aber wohl keiner mehr. Oder doch? Zumindest kannte der Künstler Saxe und wie man an der Darstellung sehen kann, kannte er sie so gut das er die Waffe mit dem typischen langen Griff der zentraleuropäischen Saxe darstellt und über dem Griff auch noch eine Kopfplatte (gelber Strich) einzeichnet.
Ich gehe davon aus das es Saxe wohl doch noch gab, aber nicht mehr als fester Bestandteil Tracht wie noch zu Karls Zeiten gefordert. Wohl auch nicht in der Form des Langsaxes, wie sie etwa aus den Gräbern von Soest bekannt sind. Das Wort Sahs für Sax überlebte ja bis ins Mittelhochdeutsch als „Messer“ oder „langes Messer“. Archäologische Funde aus dem 8./9.Jahrhundert (in Kunst und Kultur der Karolinger) zeigen auch ähnliche Formen wie das oben abgebildete Sax, nur wesentlich kürzer. Wahrscheinlich überlebte also eine etwas gekürzte Form, als eine Art Jagdmesser, wo dann der Begriff Hirschfänger wiederum gar nicht so falsch wäre.
Und wo wir gerade bei Theorien sind, bei Maximilian Bertet fand ich eine Rekonstruktion des ominösen „Karolinger-Morions“ wie ihn auch die Allegorie der Tugend trägt. Wenn ich mir die Bilder ansehe die auf der tschechischen Karolingerseite und auch von anderen Abbildungen der Helme ansehe (z.B. Ludwig der Fromme bei Hrabanus Maurus) halte ich die Version für die bisher beste, die ich gesehen habe.
Eine Antwort
[…] ich gestern irgendwie über 30 Mails bekommen habe…) die mich auf ein Messer hinwies, das dem angesprochenen Messer aus der Psychomachia des Prudentius aus der Karolingerzeit ähnelt wie ein Ei dem Anderen! Zur […]