Illegale Grabung und die Presse spielt Helferlein [Update3]
Gestern, nach dem am Wochenende mein Computer zu großen Teilen ausgeschaltet war, da ich an der Stelle tapeziert habe, sah ich auf Facebook einen Link zu einem Video von Hildesheim TV, das nach eignener Aussage die NR. 1 im Internet TV für Stadt und Landkreis Hildesheim ist. Zunächst hielt ich das Ganze für einen schlechten Scherz, aber nein: Blumig und mit Augenzwinkern ist dort in aller Ruhe die illegale Ausgrabung eines Steins durch D. Platen und Teilen der Reserviestenkameradschaft Despetal zu sehen, die brav gefilmt und von einer Zeitung dokumentiert wird.
[Update1: Kurzfristig und überraschend plötzlich wurde das embedden des Videos für nicht Pro-Mitglieder aufgehoben. Warum kann man sich vielleicht denken. Hier kann man es sich anschauen: http://www.hildesheim-tv.de/component/content/article/49-aktuelles/814-der-varus-stein-vom-galgenberg.html
Ubdate2: 12. Juli ca. 10 Uhr: Hildesheim TV begründet auf seiner Facebook Seite das unterbinden des Embeddens: „Da Sie illegal unseren Film auf Ihre private Webseite gebracht haben, haben wir uns die Entfernung erlaubt.“, leider hat scheinbar niemand mein Impressum gelesen oder mich angeschrieben. Scheinbar war es nicht möglich das ganze bei Kamillentee zu klären, was ich sehr schade finde. Erfahren habe ich davon auch nur durch Zufall. ]
Wie die Herren mit ihrer rustikalen Grabungsart erkennen wollen ob sich hier verschiedene Straten abzeichnen ist mir ein Rätsel. Da hilft es auch nicht wenn irgendeiner was von „Stopp, erst dokumentieren“ gerufen haben soll. Das der dargestellte Stein nicht römisch, die Sache mit dem Wasseradern findenden Geologen (Hellseher?) sich stark nach Farce anhört, ist einer Diskussion nicht wert. (Auf den Stein wird kurz bei Das Wispern der Bäume eingegangen, über den Hintergrund „Varusschlacht am Galgenberg“ schrieb 1966 (!) der Spiegel, hier im Archiv) Die Denkmalpflege weiß bescheid und kümmert sich um den Fall.
Die Vorgänge um die Hebung des des vermeintlichen Gegenstück des noch vermeindlicheren Römersteins sind es allerdings. Reporter einer Lokalzeitung und ein Filmteam sind über eine offensichtlich illegale Grabung informiert. Dies scheint aber nicht weiter zu stören, sondern eher zu belustigen, gerade so als habe jemand im Kleingartenverein „Pustige Pusteblume“ die Geranien zu nah an der Petersilie gepflanzt.
Es ist klar das es sich dabei nicht um investigativen Journalismus handelt der versucht einer hoch organisierten, mafiösen Struktur von illegalen Ausgräbern, die es schließlich gibt, auf die Spur zu kommen. Nein, hier wird eine illegale Grabung beschönigt und als kleine, nette Anekdote mit Augenzwinkern vermarktet.
Anstelle einer Aufklärung der negativ Folgen einer solchen Grabung wird einfach geplaudert. Die Spannung steigt, der Reporterin geht der Akku aus, verschiebt das Akkuschrauberrennen, leiht sich einen Akku usw.
Hat die Presse nicht eine gewisse Verantwortung in solchen Fällen, gleich ob es sicher um Fantasten oder nicht handelt? Wäre man nicht verpflichtet gewesen die Denkmalpflege zu unterrichten oder zumindest die Beteiligung an diesem Spektakel mit Hinweis auf die Illegalität abzulehnen und statt dessen einen aufklärenden Artikel, anstelle der schnellen Nachricht für den Regionalteil zu wählen? Auf den Schutz seiner Quellen kann sich die Presse hier nicht berufen, alle Beteiligten werden klar genannt.
Die Bagatellisierung der Grabung animiert zur Nachahmung und richtet damit Schäden an.
„Geh in den Wald, buddel dein Loch, du wirst schon was finden“, scheint die Berichterstattung zu verkünden. Die Folge könnte ja nur eine Beschlagnahmung sein. Das kann es nun wirklich nicht sein. Während sich anderorts die Archäologen um Aufklärung bemühen, macht sich meines Erachtens die Presse strafbar mit solchen Beiträgen und sollte entsprechend zur Verantwortung gezogen werden.
Ich will hier nicht über möglich Bestrafungen und welcher Tatbestand hier erfüllt sein sollte spekulieren. Aber so was will ich nicht mehr sehen!
(Hier noch der Zeitungsartikel bei Das Wispern der Bäume)
[Update3: Ich hatte es wo anders auch schon geschrieben (wo ist egal): Ich fände es gut wenn Hildesheim-TV vielleicht auch mal die Gegenseite, als die der Denkmalschützer beleuchten könnte. Warum kam es überhaupt zu diesem Artikel und den Kommanteren unter dem Video? So wäre allen Seiten geholfen und einige Diskussionen könnten so vielleicht geklärt werden]
Wenn ein Grundstückseigentümer die Erlaubnis gibt zu graben, dann geht das, meinem Rechtsempfinden nach, niemanden außer den Grundstückseigentümer etwas an.
Alles andere ist de facto Enteignung und Bevormundung. Ich verzichte dankend auf so eine Spielart des Kommunismus ^^
Wenn der Staat möchte, dass Bodendenkmäler erhalten und fachgerecht analysiert werden, dann soll er eine adäquate, nämlich eine hundertprozentige, finanzielle Entschädigung bieten, wie das in GB der Fall ist, und für jeden mitgenommenen Stein bezahlen. Und da man einen Steuer-Euro nur einmal ausgeben kann, sollte er weniger deutsche Archäologen in Übersee (Ilium, Ephesos, usw. usw. usw.) finanziell unterstützen, sondern das Geld lieber in eine flächendeckende archäologische „Überwachung“ der Heimat investieren.
Denn wenn jemand weiß, dass er bei der Meldung eines Fundes, sehr bald fachmännische Unterstützung bekommt – und ihn diese nichts kostet, sondern sogar etwas bringt, dann wird es eher unterlassen selbst zu buddeln. So werden keine Fundzusammenhänge durcheinander gebracht und alle sind glücklich und zufrieden.
Belohnen statt quasi zu bestrafen, ist die Devise!
Wenn aber durch solch einer illegalen Grabung eines Einzelnen, Wissen über die Geschichte für die Allgemeinheit verloren geht, dann wird nach meinem Rechtsempfinden der Staat geschädigt. Und, da viele das gerne immer mal wieder vergessen oder einfach übersehen möchten, der Staat, dass sind immer noch wir alle zusammen!
Warum darf ich einen Raubgräber als Wiedergutmachung nicht einfach alles wegnehmen?
Einfach in sein Haus / Wohnung einsteigen und alles einpacken.
Einbruch? Diebstahl? Nicht doch, ist auch meine Devise: Belohnung anstatt einer Bestrafung.
Jetzt muss ich doch noch was schreiben. Zur Zeit hätte ich Zugriff auf ein Privatgrundstück im potentiellen Areal der Pfalz Tribur. Ich könnte sogar hingehen und sagen ich grab einfach mal den Gemüsegarten um , damit da wieder was anständig wächst. Dagegen wäre nicht einmal was zu sagen.
Ich machs aber nicht weil ich a) Respekt vor der Substanz habe und b) es mir einfach nicht zutraue im Ernstfall akkurat und entsprechend zu dokumentieren. (Ganz abgesehen davon das ich natürlich in Darmstadt anrufen würde wenn ich etwas fände)
Aber das Problem an dem Video oben ist einfach, das irgendjemand, der mal wirklich „null Plan“ hat, animiert werden könnte einfach mal in der Wetterau auf den Limes zu ziehen und da mal mit dem Spaten durchzugehen und sich wie ein Berserker zu verhalten. Mehr noch als jeder „normale Sondengänger“ Und dazu animiert das Video meiner Ansicht nach.
Es ist also Moment nicht so ganz der Vorgang der im Vordergrund steht sondern der Umgang der Presse damit.
Ich habe keinen Zweifel das immer irgendjemand irgendwo budddeln wird. Nur mann muss nicht auch noch dazu animieren. Eben wie beim Rauchen.
Markus, es geht mir nicht um „Zugriff auf irgendein Privatgrundstück“.
Es geht mir darum, dass wenn ich auf MEINEM Grund und Boden grabe oder graben lasse, es niemanden außer mich etwas anzugehen hat.
Und wenn der Staat dieses Land archäologisch ausbeuten will, dann soll er mich gefälligst finanziell voll dafür entschädigen – so wie wenn er eine Straße über meinen Grund und Boden bauen möchte. Hier wird, obwohl ebenfalls im öffentlichen Interesse (schwammiger Begriff), eine marktübliche Ablöse fällig.
Warum soll das bei einer archäologischen Ausgrabung nicht, oder nur sehr eingeschränkt, gelten?
@ Jörg: Hör du mir bloß mit deinem „Raubgräbern“ auf.
Du mischt Begriffe wie Diebstalh, Raub und illegale Grabungen absichtlich durcheinander,
so als ob es keine klar abgegrenzten rechtlichen Definitionen für die einzelnen Delikte gibt.
Ein Delikt mit der Bezeichnung „Raubgrabung“ gibt es übrigens gar nicht.
Aber das hatten wir ja alles schon einmal.
Abschließend folgende Frage:
Versteht ihr nicht, dass Ihr mit eurer Denke mehr Schaden als Nutzen anrichtet?
Warum landet denn so viel Material am Schwarzmarkt?
Doch nur weil absolut kein Anreiz für Finder besteht, Funde zu melden!
Strafandrohungen und eine de facto Enteignung sind absolut Kontraproduktiv!
Das müsste wirklich jeder irgendwann einmal begreifen.
Schwer zu sagen, warum sich die Archäologen dermaßen dagegen wehren, ihre offensichtlich gescheiterte Strategie zu ändern.
Nachtrag: Und damit keine Missverständnisse aufkommen, ich bin kein Sondengänger.
Und es war Ausnahmsweise nicht Jörg da oben 😉 (Ihr habt euch auch gefressen ? 😉 )
Ach du meine Güte.
Dann entschuldige ich mich mal für diese Verwechslung 😉
Hallo Markus,
die Art und Weise wie hier mit Raubgrabungen umgegangen wird … unglaublich … aber dazu wurde ja schon genug gesagt.
Beruhigend ist aber, dass mir der Stein gleich seltsam in seiner Gestaltung und zu „spektakulär“ vorkam. Hier hat sich wohl jemand hervortun wollen und hat es regional zumindest auch kurz geschafft.
Traurig ist die Arbeit der Presse: Nicht nur, dass man ein solches Vorgehen billig, auch die Recherchen und die Nacharbeit sind auf „Käseblatt-Niveau“.
Wer ist Jörg? Ich glaube, er könnte mein neuer Freund werden. 😉
Oh, gleich noch eine Frage hinterher.
@Segestes
„Warum landet denn so viel Material am Schwarzmarkt?“
Warum landen denn så viele Navigeräte auf dem Schwarzmarkt?
Antwort: Weil Beides Geld einbringt.
Noch eine Frage: Wenn die Sondler, Grabräuber, Banidten oder wie man die auch immer bezeichnen sollte, nur Interesse an geschichtliche Kulturgegenstände haben (wie ja oft von ihnen behauptet), warum geben die dann ihre geplünderten Fundstücke gegen Bares auf dem Schwarzmarkt ab?
@ Segestes
Einschränkungen des Eigentumsrechts sind eine lästige Sache, aber sehr verbreitet in unserem Staat. Ich darf in meinem Wohngebiet keinen 10-m-Betonturm bauen, obwohl ich total auf Betonarchitektur stehe. Ich darf ein altes Haus in der Innenstadt nicht abreißen, obwohl für ein neues Parkhaus Bedarf wäre, darf nicht mal die Fassade magenta anstreichen und als Werbefläche für ein Telefonunternehmen vermieten. Der Staat verbietet sogar Adelshäusern, gewisse altererbte Kunstwerke ins Ausland zu verkaufen, obwohl amerikanische oder saudische Milliardäre viel Geld dafür zahlen würden. Ich darf auf meinem eigenen Grundstück kein atomares Endlager einrichten, obwohl viele Staaten dringend ihren Atommüll loswerden müssen.
Denkmalschutz ist Bundesländersache und nicht überall fallen historisch bedeutsame Gegenstände ohne feststellbaren Besitzer automatisch an die Allgemeinheit. Das kann man durchaus diskutieren, aber das ist nicht der Punkt, um den es hier geht.
Der Punkt ist hier, dass bei ilegalen Grabungen bis zur Bergung des Fundstücks (egal ob ein Steinbeil oder ein Topf voll Münzen) die wichtigsten historischen Informationen unwiederbringlich zerstört sind: Wo lagen die Dinge – in einer Siedlungsgrube, in einem Grab oder in einer Planierschicht darüber? Wurden sie sorgfältig niedergelegt oder reingeworfen, oder gar kultisch angeordnet? War noch Holzkohle erhalten, die den Gegenstand genauer datieren könnte? Es geht um die genaue fachgerechte Dokumentation der Fundumstände, oft weniger um den Gegenstand selber.
Und auf dem Schwarzmarkt landet kaum ein Fund vom Grundstücksbesitzer. Meist sind es Metallfunde, die aus fremden Grundstücken herausgewühlt wurden. Die Siedlungsgruben und Pfostenlöcher, denen die am besten zu datierenden Stücke entrissen wurden, sind zerstört oder haben einen Großteil ihrer Aussagekraft für die Geschichte des Ortes und der Gegend verloren.
Daran ändert auch ein liberales Fundrecht wie in Bayern nichts.