Ein Blick nach Groß Gerau
Nachdem ich gestern Groß Gerau und die Zerstörung der Stadtkirche und neulich schon mal über den dreieckigen Markt südlich davon geschrieben habe, bin ich gestern mal auf dem Nachhauseweg durch Groß Gerau gefahren und mir die Sache noch mal angesehen.
Da ich aber auch noch eine Runde in der Stadt, in der ich mal zur Schule gegangen bin, gedreht habe, bin ich auch über eine Plakette mit einem Stadtplan aus dem Spätmittelalter gestoßen, den ich abfotografiert und umgezeichnet habe, so dass ich ihn auf ein Bild von Google Earth legen konnte.
Ich denke was ich sehe ist relativ klar und führ jeden nachvollziehbar: Der alte Kern des Ortes liegt um den dreieckigen Sandböhl und den Bereich der Kirche. Ab der der Straße „Am Rathaus“ begint ein neuer Teil, sozusagen die Neustadt, die sich nach Westen hin ausdehnt. Da das „Historische Rathaus“ 1578 erbaut wurde, gehe ich mal so grob davon aus das dieses Viertel im 14.-15. Jahrhundert entstand. Klar ist das es nicht mehr staufisch ist. Auffällig ist auch das es keine 4 Tore gibt, wie es eigentlich im mittelalterlichen Städtebau üblich ist, wahrscheinlich eine Änderung späterer Zeit (das denke ich übrigens auch für Trebur). Da es keine direkte Straße mehr nach Trebur gibt, sondern der Weg nach Oppenheim führt, auch wenn die Richtung die die Straße hat zunächst in Richtung Trebur weist, denke ich das diese Straßenführung erst nach 1249 entstand , als Trebur seine Wichtigkeit für Katzenelnbogen verloren hatte und man eher nach Oppenheim wollte.
Ach, sehe gerade das der eingezeichnete Graben im 14. oder 15. Jahrhundert entstand, also scheine ich richtig zu liegen 😉 Schön! Das Ganze war eine doppelte Grabenanlage mit einem Wall der mit Gebück, also einer Hecke, bepflanzt war. Eine Mauer hatte Groß-Gerau trotz Stadtrechte nie.
Aber ich wollte ja zur Stadtkirche. Die Stadtkirche liegt auf einer Anhöhe. Ich denke es handelt sich um eine Sanddühne, die wie so oft in der Region von den Westwinden angehäuft wurde. Dies hat zur Folge das der Hügel von Westen kommend leicht ansteigt und im Osten steiler abfällt. Das Gelände ist natürlich Ideal um es auf irgendeine Art und Weise zu befestigen. Die Mauer die den Kirchhof heute umgibt müsste aus dem 19. Jahrhundert stammen, wegen der großen, flachen Sandsteine, die überall in der Region zu dieser Zeit genutzt wurden. Es ist schwer sich vorzustellen wie das Gelände einmal ausgesehen haben könnte, da vieles überbaut wurde. Vor allem der Neubau der Volksbank auf der Südkante des Kirchhofs stört den Eindruck. Ich werde mal versuchen in nächster Zeit ein wenig mehr aus Groß-Gerau raus zu bekommen und mich auch mal in den anderen Orten, die irgendwie in Beziehung stehen umschauen.
Im linken oberen Winkel von Schützenstrasse (Hintergass) und Frankfurter Strasse befand sich der Königshof Gerau, der anstelle eines römischen Gutshofs entstanden war.
Im linken Winkel von Am Burggraben (Schafgass) und Klostergässchen lag die relativ spät Erwähnung findende (1460) St. Johanniskapelle, die aufgrund ihres Patroziniums ins Frühmittelalter datiert wird, und in den spätmittelalterlichen Stadtausbau dann miteinbezogen wurde. Äußerst übereifrige Heimatforscher wollten diesem Bereich früher sogar ein Kloster andichten, was aber auf keinerlei Fakten fußt.
Interessant finde ich, daß König Rudolf im 13. Jh. Gerauer Juden an Wilhelm von Katzenelnbogen verpfändete und für jene Zeit bereits ein erster jüdischer Friedhof östlich des alten Ortskerns vermutet wird.