Kritik der Chronologiekritik

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2 Antworten

  1. Segestes sagt:

    Die Diskussion rund um die angebliche „Phantomzeit“ ist durchaus auch ein Segen.
    Denn es wird durchaus auch an nachvollziehbaren Beispielen aufgezeigt, wie unglaublich stark die pure Kaffeesatzleserei in der Geschichtswissenschaft, und ihren Hilfswissenschaften, anzutreffen ist.

  2. Jörg sagt:

    Ich glaube das eigentliche Problem ist, dass die Geschichtswissenschaft oder eigentlich viel mehr der Geschichtsunterricht früher in der Schule, heute unterstützt durch fragwürdige Histotainment-Formate im Fernsehen, den falschen Eindruck erweckt hat, dass wir im Großen und Ganzen genau wissen „wie das früher so gewesen ist“. Tatsächlich basiert das meiste nur auf mehr oder weniger plausiblen Schlussfolgerungen. Wenn dann mal eine etablierte Schlussfolgerung fragwürdig erscheint, werden oft sämtliche etablierten Schlussfolgerungen in Frage gestellt.

    Die Geschichtswissenschaft sollte einfach ehrlicher sein und deutlicher machen, dass es keine absoluten Wahrheiten gibt, sondern man nur das, was unmöglich geschehen sein kann, ausschließen kann. Die Möglichkeiten, die innerhalb dieser Grenze existieren, sind immer noch unendlich und weil die meisten Menschen mit Mathematik auf Kriegsfuß stehen, verwechseln sie unendliche Möglichkeiten mit „alles ist möglich“.

    Vor allem müsste die Geschichtswissenschaft zugeben, dass die Interpretation von Geschichte auch vom Zeitgeist abhängt und Interpretationen, die früher aus Unwissen oder aus politischen Gründen kolportiert wurden, teilweise erhalten bleiben. Die Darstellung Neros als größenwahnsinnigen Brutalo geht immer noch auf die Propaganda zurück, die seine Nachfolger verbreitet haben, um einen rechtswidrigen Dynastiewechsel zu rechtfertigen, der sogenannte Kinderkreuzzug wird immer wieder als reales Ereignis dargestellt, obwohl er eine Fiktion ist bzw. eine grob falsche Interpretation der tatsächlichen Ereignisse. Unxdneulich habe ich auf N-TV eine Dokumentation über die Landnahme Kanaans gesehen, wo man anhand des Alten Testaments tatsächlich versucht hat, die Strategie, die Josua während einer Schlacht anwandte, mit Computeranimationen dargestellt.

    Wenn man dann mal diesbezüglich selbst recherchiert oder so schon ein wenig Ahnung hat und bemerkt, was die da für einen Blödsinn erzählen, dass die Fiktionen als Wahrheit darstellen, muss man sich nicht wundern, wenn die Ergebnisse der Geschichtswissenschaft auch an sich in Frage gestellt werden. Es ist nicht so, dass die Illigs dieser Welt nur Außenseiter sind, manchmal sitzen sie, Gruß an Herrn Knopp, auch im Zentrum derer, die unser Geschichtsbild prägen.

    Die Geschichtswissenschaft müsste also mehr in den Vordergrund stellen, dass es einen großen Interpretationsspielraum gibt und diesen Interpretationsspielraum auch konkret darstellen, statt so zu tun, dass etwas genauso und nur so abgelaufen sein muss. Stellt sich das nämlich als falsch heraus oder hält man an anekdotenhaften Fiktionen als reale Ereignisse fest, wie das in Fernsehdokumentationen immer wieder geschieht, muss man sich nicht wundern, dass am Ende so ein Schwachsinn wie die Phantomzeit rauskommt.

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