Es gibt Dinge die verwirren – oder warum Kiesow unrecht hatte
Ich hatte ja vor einigen Tagen geschrieben das mich an der Laurentiuskirche einiges verwirrt. Diese Verwirrung ist jetzt noch größer geworden…
Manchmal ist es so das man vor lauter Kirche die Steine nicht sieht. Zumindest ging es mir so. Wer ganz zufällig Kiesows Standartwerk „Romanik in Hessen“ zuhause hat, sollte das jetzt mal bei Trebur aufschlagen. Für alle andere: Kiesow schreibt das das Querhaus, mit einer Höhe von 8,66m auf voller Höhe karolingisch und voll erhalten ist. Das haut so aber nicht hin. Dazu hab ich mal ein Bild vorbereitet (links). Die 8,88m stellt die rote Linie dar. Nun fällt aber schon jedem Nicht-Architekturkenner auf , das sich die Eckverquaderung schon vorher ändert, etwa bei 7,7m (ca.20 karolingische Fuß). Leider sieht man das Querhaus nicht, aber hier passiert genau das selbe. Mehr noch, in dem aufgesetzten Stück ist eine Kämpferplatte mit doppeltem Karnisprofil vermauert (karolingisch). Das Querhaus kann also nicht in voller Höhe im Original erhalten sein! Damit ist auch die immer angesprochene Mauerhöhe von 8,66 hinfällig. Ebenso verhält es sich mit der dem, auf dem Dachboden sichtbaren Gibelabdruck, den Kiesow dem karolingischen Bau zuordnet. Er verläuft auch, wie ich hier zeigte, weiter bis zur Aussenmauer und formt damit eine Hallenkirche (wahrscheinlich Spätmittelalter). Die ca. Dachkanten der Hallenkirche (gelb: SpäMi-DK) und des postulierten hochmittelalterlichen Kichenschiffes (gelb. HoMi-DK) habe ich eingetragen.
Das war erst der erste Streich! Der nächste Punkt ist das die Kante an der sich die Eckverquaderung ändert, in etwa mit der Höhe übereinstimmt, in der sich im Innern der Kirche Verputznähte abzeichnen, die Kiesow als Zwischendecke interpretiert, sie liegt 92cm über den Scheiteln der 5,82m Höhen Bögen der Vorhalle.
Ich musste sofort an Diefenbachs Interpretation aus den 30er Jahren denken, in der er die Pfeiler, die in der Hälfte der Wand enden, als weiterführend ansah und damit aus der Kirche des Basilikatypus plötzlich eine dreischiffige Halle machte. (Er sah in ihr die Aula Regia)
Bis vor einigen Tagen hätte ich jeden ausgelacht der mir im 9. Jahrhundert eine dreischiffige Hallenkirche andrehen wollte! Ich fand aber dann plötzlich eine! Eine Kirche , die Bauforschern Rätsel aufgibt, in einem Ort in dem ausgerechnet Heinrich V. gebannt wurde. (In Trebur war es Heinrich IV…)In Vienne in Frankreich, an der Rhone gelegen. Sie heist St Pierre oder St Peter, je nachdem. Sie wird zwar auch mal ins 5. oder 6. Jh. (französische Wiki) datiert, meist aber ins 9. Jahrhundert(Englische Wiki, Knauers Kulturführer Frankreich)!
Obwohl Vienne die bedeutendeste Stadt Süd-Ost Galliens der Spätantike war, finden sich im Netz nur sehr wenige Infos oder Bilder über den Bau. Ich hab einige Literaturempfehlungen bekommen, die muss ich aber auch erst mal organisieren.
Wer sich den Bau mal ansehen will, der kann sich auf Flickr mal dieses Bild ansehen! Sehr interessant!
Ich bin verwirrt und möchte jetzt nicht irgendwelche waghalsigen Theorien runterbrechen, deswegen, lesen, lesen, lesen…
Hallo Markus,
wir waren im Rahmen unserer Exkursion auch in Vienne.
St. Pierre wird als „Steinhalle“ benutzt und daher waren wir auch dort.
Solltest Du Bilder benötigen, kann ich mal meine Exkursionsbilder durchgehen, evtl. könnten es aber auch nur Nahaufnahmen der ausgestellten Steindenkmäler sein.
Gruß
Marco